BGE 6B_698/2017: Neues Raserurteil
Der Beschwerdeführer vollzog ganz in GTA-Manier mehrere haarsträubende Überholmanöver auf der Autobahn, bei welchen er u.a. einem vorfahrenden Fahrzeug über eine Strecke von zwei Kilometern bis auf eine Handbreite, Stossstange an Stossstange folgte. Als ihm die Geduld ausging, fuhr er leicht auf das Auto auf, um die Lenkern zum Wechseln auf den Normalstreifen zu bewegen. Ebenfalls überholt er ein anderes Auto in Rennfahrermanier rechts. Der Beschwerdeführer wehrt sich im Wesentlichen gegen die Schuldsprüche wegen Gefährdung des Lebens und qualifizierter grober Verkehrsregelverletzung. Das BGer weist die Beschwerde ab.
E. 4.2. zu den Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 129 StGB: „In objektiver Hinsicht erfordert der Tatbestand den Eintritt einer konkreten unmittelbaren Lebensgefahr. Sie liegt vor, wenn sich aus dem Verhalten des Täters nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge direkt die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Todesfolge ergibt.“ Subjektiv verlangt der Tatbestand direkter Vorsatz.
E. 4.3. Subsumtion: „Der Tatbestand von Art. 129 StGB ist bereits beim eingeräumten ungenügendem Abstand „während lediglich weniger Sekunden“ erfüllt“. Durch das Touchieren des vorfahrenden Fahrzeuges, musste er mit einem folgenschweren Unfall rechnen, vertraute aber darauf, dass dieser nicht eintritt.
E. 5.2. zu den Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 90 Abs. 3 SVG: „Da bereits die erhöhte abstrakte Gefahr im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung voraussetzt, ist für die Erfüllung von Art. 90 Abs. 3 SVG die besonders naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung zu verlangen. Die Gefahr muss mithin unmittelbar sein.“
E. 5.3. zum Rechtsüberholen: Rechtsüberholen ist im Normalfall eine grobe Verkehrsregelverletzung. „Das zu beurteilende Rechtsüberholen war hochgradig riskant und gefährlich und ist damit als waghalsig einzustufen und nicht vergleichbar mit einem „einfachen“ Rechtsvorbeifahren (erstinstanzliches Urteil S. 29). Der Schuldspruch im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG ist nicht zu beanstanden.“
E. 5.4./5. Zum Abstand: Der Beschwerdeführer verhielt sich wie im Actionfilm, weshalb auch das Abstandsvergehen unter Art. 90 Abs. 3 SVG zu subsumieren ist.
E. 6ff. Zur Konkurrenz zwischen Art. 129 StGB und Art. 90 Abs. 3 SVG: StGB 129 schützt das Rechtsgut „Leben“, SVG 90 III jenes der „Verkehrssicherheit“, mittelbar allerdings auch das Leben. SVG 90 III ist zwar lex specialis zu StGB 129 und ginge diesem vor, ebenso lässt sich argumentieren, dass das höchstrangige Rechtsgut Leben der Verkehrssicherheit vorgehe. Als abstraktes Gefährdungsdelikt setzt der mittelbare Lebensschutz von SVG 90 III früher ein, als jener des konkreten Gefährdungsdeliktes von StGB 129. Allerdings erfasst StGB 129 wiederum verschuldensmässig weniger schwere und schwerere Straftaten als SVG 90 III in Bezug auf das Strafmass. Ob nun der eine den anderen Tatbestand konsumiere, könne nicht abschliessend beurteilt werden. Da weder Spezialität noch Konsumtion in Frage kommt, liegt ein Fall von „Alternativität“ vor (gemäss Stratenwerth). Das BGer urteilt aber nicht abschliessend, da es nicht gegen das Verschlechterungsverbot verstossen will.
Wer also seinen Geschwindigkeitsrausch ausleben will, sollte dies zu Hause mit dem Spielemedium seiner Wahl machen und nicht auf öffentlichen Strassen.