Autofahrer müssen sich auch immer mit Versicherungen herumschlagen. Das Gesetz schreibt eine obligatorische Haftpflichtversicherung vor (vgl. Art. 63 SVG). Aus dem Versicherungsvertragsverhältnis ergeben sich teilweise weitreichende Folgen für die Autofahrer, wenn sie ihren Pflichten nicht nachkommen.
BGE 4A_104/2018: Anzeigepflichtsverletzung, Frist nach Art. 6 Abs. 2 VVG
Um eine Motorfahrzeugversicherung abzuschliessen, stellt der Autofahrer einen Antrag bei der Versicherung, in welchem er div. Fragen beantworten muss, z.B. „Waren Sie schon einmal versichert?“ oder „Hatten Sie bereits frühere Schadenfälle?“. Eine falsche Antragsdeklaration wird oft als „Kavaliersdelikt“ betrachtet oder erfolgt gar aus Unachtsamkeit. Doch kann sie insb. im Schadenfall ungünstige Konsequenzen haben, wenn die Versicherung aufgrund falscher Antragsdeklaration vom Vertrag zurücktritt und allfällige Leistungen verweigert oder vom Autofahrer zurückfordert. Die Versicherung kann innert vier Wochen vom Vertrag zurücktreten, nachdem Sie von der Verletzung der Anzeigepflicht Wind bekommen hat. Das BGer beantwortet im obigen Entscheid, wann diese vier Wochen beginnen.
E. 2.1.: Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Versicherer zuverlässige Kunde von den Tatsachen erhält, aus denen sich der sichere Schluss auf eine Verletzung der Anzeigepflicht ziehen lässt; blosse Vermutungen, die zu grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit drängen, dass die Anzeigepflicht verletzt ist, genügen nicht. Der Versicherer muss vollständig über alle Punkte orientiert sein, welche die Verletzung der Anzeigepflicht betreffen, d.h. er muss darüber sichere, zweifelsfreie Kenntnis erlangt haben. Grds. müssen Urkunden vorliegen.
Im vorliegenden Fall hat die Versicherung zunächst telefonisch von der früheren Versicherung der Beschwerdeführerin Details erhalten, welche auf eine falsche Antragsdeklaration hindeuteten. Später erfolgte die schriftliche Bestätigung der früheren Versicherung. Erst mit dieser verfügte die aktuelle Versicherung über sichere und zuverlässige Kenntnis der Anzeigepflichtsverletzung. Ab dem Erhalt dieser schriftlichen Bestätigung lief demnach die vierwöchige Frist und nicht schon ab der telefonischen Kenntnisnahme.
BGE 4A_20/2018: Der betrügerische Versicherungsanspruch, Art. 40 VVG
Mal kurz ein Streichholz in den Tank der alten Karre und schon hat man Fersengeld fürs neue Leasingfahrzeug. Versicherungsbetrug ist in Mode, doch wann darf eine Versicherung ihre Leistungen verweigern bzw. wann liegt ein betrügerischer Versicherungsanspruch vor?
E. 2.5. zum Verhältnis zum StGB: Die Tatbestände von Art. 40 VVG und Art. 146 StGB sind nicht deckungsgleich. „Einerseits gelten für den strafrechtlichen Betrug gemäss Art. 146 StGB andere Voraussetzungen als für die betrügerische Begründung des Versicherungsanspruchs im Sinne von Art. 40 VVG. Trotz des Ausdrucks „betrügerisch“ im Marginale ist Art. 40 VVG ausschliesslich nach zivilrechtlichen Kriterien zu beurteilen (Urteil 4A_382/2014 vom 3. März 2015 E. 5.4 mit Hinweisen). So fällt insbesondere das Element der Arglist weg und es gilt das wesentlich weniger strikte Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. dazu E. 3.1).“
E. 3. zum Tatbestand von Art. 40 VVG: Liegt ein betrügerischer Anspruch vor, kann die Versicherung die Leistung verweigern und vom Vertrag zurücktreten. „In objektiver Hinsicht liegt eine betrügerische Begründung des Versicherungsanspruchs im Sinne von Art. 40 VVG vor, wenn die Anspruchsstellerin Tatsachen wahrheitswidrig darstellt, die für den Versicherungsanspruch Bedeutung haben. Es genügt dabei ein Verhalten, welches objektiv eine Irreführung der Versicherung bewirken kann. Unter Art. 40 VVG fällt u.a. das Ausnützen eines Versicherungsfalls durch Vortäuschen eines grösseren Schadens.“ Subjektiv ist eine Täuschungsabsicht gefordert. Die anspruchstellende Person muss mit Wissen und Willen falsche Angaben machen, um einen Vermögensvorteil zu erlangen. Dies kann auch im Ausnützen eines Irrtums der Versicherung bestehen, wenn der wahre Sachverhalt verschwiegen oder absichtlich zu spät informiert wird (vgl. E. 3.2.2.). Die Beweislast liegt dabei bei der Versicherung. Es gilt das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit.
E. 4.1. zur Rückabwicklung des Vertrages: Fällt der Vertrag dahin, weil die Versicherung von diesem zurücktritt, schuldet die anspruchsstellende Person das negative Vertragsinteresse. Die Versicherung ist so zu stellen, als hätte es den Vertrag nie gegeben. Deshalb kann die Versicherung sämtliche Kosten, die zur Abklärung des betrügerischen Anspruches nötig waren, zurückfordern.
Versicherungen sind ausserordentlich gut im Aufdecken von Betrugsfällen, haben dieser Aufgabe gar ganze Abteilungen gewidmet. Insofern lässt man die Streichhölzer lieber im Hosensack und kurvt halt noch mit der alten Schwarte rum.