Zustellung von Ordnungsbussen

BGE 6B_855/2018:

Der Beschwerdeführer wurde mit Strafbefehl mit CHF 120.00 gebüsst, wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Hinzu kamen Verfahrenskosten von CHF 208.60. Auf Einsprache hin stellten sich die kantonalen Instanzen auf den Standpunkt, dass der Strafbefehl bereits rechtskräftig ist.

E. 1.1 zur Meinung des Beschwerdeführers: Die Übertretung per se wird nicht bestritten. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass er aber die Verfahrenskosten nicht bezahlen muss, weil er weder die Übertretungsanzeige, noch die Zahlungserinnerung erhalten habe. Eine Zustellung könne auch nicht bewiesen werden. Im Strafverfahren müssen Mitteilungen gemäss Art. 85 Abs. 2 StPO grds. per Einschreiben erfolgen. Mangels anderer Regelung im OBG habe dies auf für das Ordnungsbussenverfahren zu gelten, denn andernfalls könne ein Bürger die Ordnungsbusse gar nicht innerhalb der 30-tägigen Bedenkfrist gemäss Art. 5 Abs. 1 OBG akzeptieren und bezahlen.

Der Beschwerdeführer gesteht zwar ein, dass eine zweimalige Nicht-Zustellung relativ selten ist. Allerdings könne er die fehlende Zustellung gar nicht beweisen. Zudem wohne in der Nähe ein Namensvetter und der Beschwerdeführer habe auch schon dessen Post erhalten.

E. 1.2 zur Meinung der Vorinstanz: Diese ist der Ansicht, dass Art. 85 Abs. 2 StPO im Ordnungsbussenverfahren nicht zur Anwendung gelangt, weil Art. 1. Abs. 2 StPO die Verfahrensvorschriften anderer Gesetze, i.e. OBG, vorbehält. Zudem erlaubt der Staatsvertrag über Rechtshilfe zwischen der CH und D eine uneingeschriebene Zustellung. Die Möglichkeit eines doppelten Zustellungsfehlers sei vernachlässigbar klein.

E. 1.3 zur Zustellung: Art. 85 Abs. 2 StPO soll gewährleisten, dass Entscheide im Strafverfahren zugestellt werden, denn nicht eröffnete Entscheide entfalten keine Rechtswirkung. Die Behörde trägt hier die Beweispflicht. Auch wenn eine Behörde Art. 85 Abs. 2 StPO missachtet, so gilt die Zustellung dennoch als erfolgreich, wenn die Behörde beweisen kann, dass die Interessen des Empfängers gewahrt wurden. Der Empfänger muss aber tatsächlich Kenntnis vom zugestellten Dokument haben (E. 1.3.2).

E: 1.5ff. zur Meinung des BGer: Geringfügige SVG-Übertretungen werden im Ordnungsbussenverfahren abgehandelt. Es dürfen keine Kosten erhoben werden. Im ordentlichen Verfahren gilt das Prinzip der Kostenfreiheit, wenn es ohne sachlichen Grund eingeleitet wurde. Das OBG enthält keine Vorschriften über die Zustellung, auch nicht in der totalrevidierten Version, die per 1.1.2020 in Kraft tritt. Das BGer erblickt darin ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers, wodurch nicht etwa eine Lücke vorliegt, die durch das Gericht zu füllen wäre (E. 1.6). Das bedeutet, dass es den Behörden freigestellt ist, wie sie im Ordnungsbussenverfahren Dokumente verschicken. Das entspricht auch dem OBG als rasches und formalisiertes Verfahren (E. 1.7). Das BGer kommt zum Fazit, dass die Behörde zwar beweispflichtig ist für die Zustellung der Unterlagen im Ordnungsbussenverfahren und deshalb eine eingeschriebene Zustellung der Zahlungserinnerung empfehlenswert wäre, dass es aber nicht zu beanstanden ist, dass ein doppelter Zustellungsfehler als vernachlässigbar gelte.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

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