Ist eine Unfallmeldung ein Strafantrag?

BGE 6B_719/2018: Gültigkeit des Strafantrages bei fahrl. KV (gutgh. Beschwerde)

Im Oktober 2013 übersah der Beschwerdeführer beim Öffnen der Autotür eine von hinten nahende Velofahrerin, die deshalb stürzte und sich dabei leicht verletzte. Die kantonalen Strafbehörden verurteilten den Beschwerdeführer deshalb wegen fahrlässiger Körperverletzung. Der Beschwerdeführer allerdings stellt sich auf den Standpunkt, dass kein gültiger Strafantrag vorliegt. Die zu klärende Frage: Kann eine Unfallmeldung bei der Polizei zwecks Schadenregulierung implizit ein Strafantrag sein?

Eine Verurteilung nach Art. 125 StGB bedarf einem gültigen Strafantrag nach Art. 30 StGB. Die Geschädigte hat den Unfall bei der Polizei zwar angezeigt, ein Strafantrag wurde allerdings nicht protokolliert (E. 1.1). Die Geschädigte ging erst zur Polizei, nachdem sie vergeblich versucht hat, den Beschwerdeführer zwecks Regulierung ihres Sachschadens zu kontaktieren. Nach Ansicht der Vorinstanz habe sie mit der Anzeige aber auch implizit die Bestrafung des Beschwerdeführers gewollt, auch wenn kein Strafantrag protokolliert wurde. Die gegenteilige Annahme stelle nach der Vorinstanz überspitzter Formalismus dar (E.1.2).

Der Strafantrag kann gemäss Art. 304 StPO schriftlich eingereicht oder mündlich zu Protokoll gegeben werden. Damit wird sichergestellt, dass ein mündlicher Strafantrag ebenfalls in den Akten festgehalten wird, denn es ist Sache der Behörden, das Vorliegen eines rechtsgültigen Strafantrages zu beweisen (E. 1.4).

Das BGer resümiert, dass die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, wenn sie von einem gültigen Strafantrag ausgeht. Den Akten lässt sich nicht entnehmen, dass die Geschädigte je den Willen geäussert habe, einen Strafantrag stellen zu wollen. Aus dem Umstand allein, dass die Geschädigte sich zwecks Schadensregulierung an die Polizei gewendet hat, kann jedenfalls kein gültiger Strafantrag abgeleitet werden. Dies gilt selbst, wenn der zuständige Polizist die Geschädigte nicht auf ihr Antragsrecht hingewiesen und damit gegen allfällige Aufklärungspflichten verstossen hat.

Das BGer heisst die Beschwerde gut.

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