Der identische Strafbefehl

BGE 6B_1321/2018: Der identische Strafbefehl (gutgh. Beschwerde)

Der Beschwerdeführer wurde von der STA SH wegen grober Verkehrsregelverletzung – Missachten eines Rotlichts mit Unfallfolge – mit Strafbefehl verurteilt. Gegen den Strafbefehl erhob er Einsprache, wonach div. Untersuchungshandlungen durchgeführt wurden. Nach deren Abschluss erliess die STA einen neuen Strafbefehl, der im Schuld- und Strafpunkt identisch war. Hinzukam noch eine Begründung. Ca. zweieinhalb Monate nach Erhalt des zweiten Strafbefehls erhebt der Beschwerdeführer wiederum Einsprache, welche von der Vorinstanz als verspätet betrachtet wird.

Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass schon nach dem ersten Strafbefehl Anklage erhoben hätte werden müssen, da er nie auf eine gerichtliche Überprüfung der Vorwürfe verzichtet habe. Mit dem Erlass des zweiten Strafbefehl sei die Rechtsweggarantie verletzt worden (E. 1.1). Die Vorinstanz stimmt dem eigentlich zu, erachtet den zweiten Strafbefehl aber nicht als nichtig, sondern nur als anfechtbar (E. 1.2).

Erhebt die beschuldigte Person Einsprache, hat die STA gemäss Art. 355 StPO folgende Möglichkeiten:

  1. Am Strafbefehl festhalten und Anklage erheben (Art. 356 StPO)
  2. Strafverfahren einstellen
  3. Neuen Strafbefehl erlassen
  4. Anklage erheben

Da der Strafbefehl bei im Fall von littera a als Anklageschrift dient, muss er den Anforderungen von Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO genügen (E. 1.3.1).

Im Fall von littera c darf die STA nicht einfach einen zweiten, inhaltlich gleichen Strafbefehl erlassen. Ein zweiter Strafbefehl darf nur ergehen, wenn der ursprüngliche Strafbefehl bzgl. Schuld und/oder Sanktion geändert werden muss (E. 1.3.2), wofür sich die Sach- und/oder die Rechtslage geändert haben muss. Eine Neubeurteilung bei gleichem Sachverhalt ist nicht zulässig. So ist z.B. der Erlass eines neuen Strafbefehls bei gleichem Sachverhalt mit strengerer Sanktion nicht möglich. Hingegen ist es erlaubt, wenn die STA die Strafe reduziert, wenn der Einsprecher die Einstellung beantragt (E. 1.3.3).

Von Art. 355 StPO nicht erfasst wird die Möglichkeit der STA, einen Strafbefehl inhaltlich zu ergänzen/berichtigen. Faktisch ergeht dann zwar ein neuer Strafbefehl, z.B. mit ergänzter Begründung. In strafprozessualer Hinsicht aber hält die STA am ursprünglichen Strafbefehl fest. Der ergänzte Strafbefehl ist als Anklageschrift dem Gericht zu überweisen (E.1.4).

Vorliegend erliess die STA einen verbesserten Strafbefehl, ohne dass sich die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Damit hält sie am ursprünglichen Strafbefehl fest. Es liegt kein Fall von Art. 355 Abs. 3 lit. c StPO vor. Eine neue Einsprache vom Beschwerdeführer war damit gar nicht nötig. Die Beschwerde wird gutgeheissen.

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