Angriff auf Halterhaftung erneut gescheitert

BGE 6B_836/2016: Halterhaftung

Der Beschwerdeführer erhielt als Halter eines Autos eine Ordnungsbusse von CHF 250.00 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Er moniert, dass die Busse das Schuldprinzip verletze, weil er ja nur der Halter des Autos ist, nicht aber der Lenker. Der Beschwerdeführer gab keine anderen verantwortlichen Personen an und verweigerte seine Aussage.

Ordnungsbussen sind Strafen, die grds. ein Verschulden des in Frage kommenden Lenkers voraussetzen. Das Schuldprinzip gilt damit auch im Ordnungsbussenverfahren, auch wenn das Vorleben des Täters sowie seine persönlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt werden. Die in Art. 6 OBG stipulierte Halfterhaftung weicht allerdings davon ab.

Ist die Täterschaft unbekannt, wird der formelle Halter eines Fahrzeuges gemäss Art. 6 OBG bestraft, es sei denn, er gibt den verantwortlichen Lenker an. In der Lehre wird diese Abkehr vom Schuldprinzip („nulla peona sine culpa“) – ein Grundpfeiler moderner Strafrechtssysteme – denn auch kritisiert. Das Bundesgericht verweist hier auf Art. 190 BV und seine Bindung an Bundesgesetze, weshalb es sich nicht eingehender zu diesem Konflikt äussert. Ebenso ist das Legalitätsprinzip nicht verletzt, da die Halterhaftung im OBG ja geregelt ist (E. 2.2.2).

Auch die Rüge des Beschwerdeführers, dass die StPO keine Grundlage für den Einsatz von Radargeräten biete, geht fehl. Die Kontrolle des Strassenverkehrs durch die Polizei erfolgt eben nicht im Rahmen eines Strafverfahrens. Der Einsatz von Blitzkästen ist in der Strassenverkehrskontrollverordnung geregelt (E. 2.4).

Haushaltschaden

BGE 4A_481/2019:

Das Urteil ist spannend, weil es sich exemplarisch zu den Voraussetzungen des Haushaltschadens äussert.

Nach einer Auffahrkollision im Jahr 1997 und extrem langer Prozessgeschichte mit zwischenzeitlichem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts dreht sich diese Sache darum, wie hoch der Haushaltschaden der Geschädigten ist. Bei der Vorinstanz bezifferte die Beschwerdeführerin im Dezember 2018 den Haushaltschaden mit CHF 398’450.00, wobei das Obergericht AG auf einen Haushaltschaden von CHF 17’987.90 erkannte. Die dagegen erhobene Beschwerde weist das Bundesgericht ab. Umstritten ist die Substantiierung des Haushaltschadens.

Der Haushaltsschaden ist nach Art. 46 Abs. 1 OR geschuldet. Ausgeglichen wird der wirtschaftliche Wertverlust, der durch die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit im Haushalt entschaden ist (E. 4.1.1). Die Berechnung des Haushaltschadens erfolgt in folgenden Schritten (E. 4.1.2):

1. Bestimmung der Dauer des Arbeitsausfalls
2. Bestimmung des medizinisch-theoretischen Invaliditätsgrad
3. Bestimmung des Wertes der Tätigkeit im Haushalt

Der Aufwand kann entweder am konkreten Fall oder aufgrund statistischer Daten (i.e. SAKE-Tabellen) ermitteln werden. Sodann muss belegt werden, welche Aufgaben der geschädigten Person im Haushalt überhaupt zufielen, denn nur wer Haushaltsarbeiten verichtet, kann den Schaden auch geltend machen. Zuletzt wird der Wert der Haushaltsarbeit quantifiziert, wobei auch auf statistische Werte zurückgegriffen werden kann (E. 4.1.2).

Die Vorinstanz erwog, dass auch beim Haushaltschaden die Schadenminderung gelte. Geschädigte Personen sowie deren Familien haben sich so zu organisieren, dass die Haushaltsarbeit anderweitig verteilt wird. Die Vorinstanz bemängelt auch, dass die Beschwerdeführerin nicht genügend substantiiert, welche Haushaltsarbeiten sie konkret übernahm (E. 4.2.2./3.). Versch. Details zur familiären Situation der Beschwerdeführerin seien unklar geblieben. Die Parteien verständigten sich zwar auf die Anwendung der abstrakten Methode zur Berechnung des Haushaltschaden, insb. mittels SAKE-Tabellen. Dabei muss aber die geschädigte Person so genaue Angaben zum Haushalt machen, damit eruiert werden kann, ob die Tabellen überhaupt der tatsächlichen Situation entsprechen. Andernfalls ist die Anwendung von Statistiken nicht möglich. Nach Ansicht des Bundesgerichts ging die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass der konrete Situation ungenügend substantiiert wurde, zumal ein Lebensabschnitt der Beschwerdeführerin (Haushalt zusammen mit volljähriger Tochter) in den SAKE-Tabellen gar nicht vorkommt (E. 4.4.2).

Kann der Haushaltschaden nicht mit der abstrakten Methode berechnet werden, kommt die konkrete nach der jeweiligen Situation zur Anwendung (E. 4.5.3). Auch die konkrete Methode bedarf aber konkrete Angaben zum Haushalt. Ohne diese kann auch die Frage der Schadenminderungspflicht (i.e. Anschaffung von Geräten, Organisation innerhalb der Familien) nicht abschliessend beantwortet werden (E. 4.5.4). Die Rügen der Beschwerdeführerin erweisen sich als unbegründet.

Mahsan-Test verweigern

BGE 6B_1339/2019: Mahsan-Test zur Feststellung von Cannabiskonsum

Beim Mahsan-Test handelt es sich um einen Schnelltest, mit welchem mittels Urin innert Minuten geprüft werden kann, ob jemand Betäubungsmittel konsumiert hat. Der Beschwerdegegner weigerte sich anlässlich einer Polizeikontrolle einen Mahsan-Test durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft erliess deshalb einen Strafbefehl wegen Vereitelung einer Massnahme zur Feststellung der Fahrfähigkeit. Die kantonalen Instanzen hingegen sprachen den Beschwerdegegner frei. Die Staatsanwaltschaft führt Beschwerde ans BGer und verlangt implizit, dass der Beschwerdegegner verurteilt wird.

Die STA stellt sich auf den Standpunkt, dass der Mahsan-Test ein geeignetes Mittel zur Feststellung einer Fahrunfähigkeit darstelle und deshalb der Freispruch der Vorinstanzen rechtswidrig sei. Der Beschwerdegegner führte aus, dass er vor der Fahrt CBD-Hanf geraucht habe und deshalb der Mahsan-Test sowieso positiv ausgefallen wäre. Deshalb habe er den Test verweigert (E. 2.2./2.3.).

Ergeben sich bei Fahrzeugführer Anzeichen auf eine Fahrunfähigkeit, die nicht auf Alkohol zurückzuführen ist, so kann die Polizei gemäss Art. 55 Abs. 2 SVG Voruntersuchungen, i.e. Urin- oder Speichelproben, anordnen. Die Modalitäten dazu werden in Art. 10ff. SKV geregelt. Die Polizei kann Vortests durchführen. Für den Nachweis von anderen Substanzen als Alkohol muss eine Blutprobe angeordnet werden. Weigert sich eine Person einen Vortest durchzuführen, wird eine Blutprobe angeordnet, worauf die betroffene Person von der Polizei hinzuweisen ist.

Wegen Vereitelung gemäss Art. 91a Abs. 1 SVG macht sich strafbar, wer den Nachweis einer Fahrunfähigkeit definit vereitelt. Es handelt sich dabei um ein Erfolgsdelikt. Betäubungsmittelvortests wie der Mahsan-Test haben dabei lediglich eine Indikatorfunktion und beweisen per se noch nicht, ob jemand fahrunfähig war. Dazu ist eine Blutprobe nötig. Die Verweigerung eines Mahsan-Tests erfüllt damit der Vereitelungstatbestand nicht (E. 2.3).

Der Beschwerdeführerin gelingt es damit nicht aufzuzeigen, dass die Feststellung der Fahrunfähigkeit mit der Verweigerung des Mahsan-Tests definitiv vereitelt wurde. Mit diesem wäre es auch gar nicht möglich den in der ASTRA-VO festgelegten THC-Grenzwert zu belegen.

Das Urteil knüpft nahtlos an BGE 6B_614/2019 an, das hier auch schon gefeatured wurde.