BGE 6B_782/2019: Fahrlässige Tötung im Strassenverkehr
Im Mai 2015 ereignete sich in Basel ein tödlicher Verkehrsunfall, wobei ein Velofahrer von einem Personenwagen überfahren wurde. Das Strafverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft mangels Pflichtwidrigkeit eingestellt, wogegen Witwe und Tochter des Velofahrers Beschwerde erheben.
Die kantonalen Instanzen stellten sich auf den Standpunkt, dass der Beschwerdegegner nicht mit dem Fahrradfahrer rechnen musste und stellten das Strafverfahren aufgrund des Vertrauensprinzips ein. Die Beschwerdeführerinnen bringen hingegen vor, dass der Beschwerdegegner seinerseits nicht mit angepasster Geschwindigkeit unterwegs war. Die Staatsanwaltschaft habe nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ geurteilt und somit dem Strafgericht vorgegriffen (E2.1). Die Vorinstanz stellte sich auf den Standpunkt, dass der Fahrradfahrer (rechts)vortrittsbelastet war und der Beschwerdegegner nicht habe damit rechnen müssen, dass der Verstorbene ihm den Weg abschneidet (E. 2.).
Ein Strafverfahren wird nach den Modalitäten von Art. 319 StPO eingestellt, wobei sich die Staatsanwaltschaft nach dem Grundsatz „in dubio pro duriore“ richten muss. Eine Einstellung darf nur bei klarer Straflosigkeit oder fehlenden Prozessvoraussetzungen erfolgen. Anklage ist zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher ist, als ein Freispruch. Ist ein Freispurch etwa gleich wahrscheinlich wie eine Verurteilung, drängt sich insb. bei schweren Delikten eine Anklageerhebung auf. Eine zweifelhafte Sach- oder Rechtslage spricht ebenfalls für eine Anklage. Sind die Tatsachen aber klar, muss eine Einstellung auch „in dubio pro duriore“ möglich sein (zum Ganzen E. 2.3.1).
Im Folgenden äussert sich das BGer exemplarisch zur Fahrlässigkeit und deren Voraussetzungen (E. 2.3.2). Fahrlässig handelt, wer eine Sorgfaltspflicht verletzt. Diese ergeben sich im Strassenverkehr aus dem SVG. Der Vortrittsbelastete darf die Fahrt des -berechtigten nicht behindern. Er muss vor Kreuzungen seine Geschwindigkeit mässigen. Schlimmstenfalls muss er sich in die vortrittsberechtigte Verkehrsfläche „hineintasten“. Der Vortrittsberechtigte muss sich aber vergewissern, dass kein Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer vorliegt, diese ihm den Vortritt nicht gewähren können oder wollen. Verkehrsteilnehmer müssen sodann ihre Aufmerksamkeit dorthin richten, woher die grösste Gefahr droht, wobei ihnen logischerweise für andere Stellen eine geringere Aufmerksamkeit zugebilligt werdne kann (zum Ganzen ausführlich E. 2.3.3).
Die Vorinstanz war der Meinung, dass das Fehlverhalten des Velofahrers den adäquaten Kausalvelauf unterbrach zu Gunsten des Autofahrers. Dem widerspricht das Bundesgericht. Der adäquate Kausalverlauf wird nur unterbrochen, wenn die unterbrechende Zusatzursache dermassen absurd war, dass damit schlichtweg nicht gerechnet werden musste. Da aber insb. in Wohnquartieren der Vortrittsberechtige auch auf ein Fehlverhalten der -belasteten Rücksicht nehmen muss, wurde der adäquate Kausalverlauf nicht unterbrochen (E. 2.4.2).
Es ist sodann unklar, ob der Beschwerdegegner den geforderten Kontrollblick nach links gemacht hat, auch wenn ihm für diese Stelle geringere Aufmerksamkeit zugebilligt werden kann. Er muss ja auch auf den Vortritt von rechts achten. Zudem setzte sich die Vorinstanz nicht genügend mit Gutachten auseinander. Der Sachverhalt ist unklar. Es Bedarf einer klassischen Beweiswürdigung, die so nicht stattgefunden hat (E. 2.4.3). Das Bundesgericht folgt auch den Ausführungen zur Vermeidbarkeit des Unfalles nicht der Vorinstanz. Kurz gesagt ist die Vorinstanz von der für den Beschwerde günstigsten Variante ausgegangen, was aber dem Prinzip „in dubio pro reo“ entspricht und vom Sachgericht zu beurteilen ist.
Die Voraussetzungen für eine Einstellung sind nicht erfüllt, da die Beweis- und Rechtslage zur Sorgfaltspflichtsverletzung und Vermeidbarkeit nicht eindeutig erscheinen.