Verify und Fahreignung

BGE 1C_151/2021: Veryfiably unable to drive

Der Beschwerdeführer, Jahrgang 1955, wurde von der Polizei beobachtet, wie er mit 45km/h anstatt der erlaubten 60km/h und beinahe liegend im Auto unterwegs war. Bei der anschliessenden Kontrolle stellten die Polizisten verschiedene Auffall- und Ausfallerscheinungen fest. Wegen dem Vorfall wurde eine Blut- und Urinentnahme angeordnet, bei welcher er aber laut den Ärzten nicht beeinträchtigt wirkte. Das pharmakologisch-toxikologische Gutachten ergab keine Hinweise auf die Fahrfähigkeit beeinträchtigende Fremdstoffe. Da die Blutprobe keine Erklärung für die von der Polizei beobachteten Ausfallerscheinungen ergab, empfahl das IRM Zürich eine Fahreignungsabklärung. Gegen deren Anordnung durch das StVA Zürich wehrt sich der Beschwerdeführer.

Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, dass beim Beschwerdeführer nach dem Verify-Verfahren durch speziell geschulte Polizisten neben der komischen Fahrweise verschiedene Ausfallerscheinungen festgestellt wurden, wie Unruhe, verzägerte Reaktion, verwaschene Aussprache, schläfriger Zustand, Gleichgewichtsstörungen, unsicherer Gang, provokatives und aggressives Verhalten, gerötete Augen u.v.m. Dass den Ärzten bei der Entnahme der Blutprobe nichts mehr auffiel, spiele keine Rolle, denn die Untersuchung fand erst zwei Stunden nach der Fahrt statt (E. 2.1).

Der Beschwerdeführer entgegnet, dass die Feststellungen der Polizei erst später und kataloghaft aufgelistet wurden und im direkten Widerspruch zu den ärztlichen Feststellungen stünden. Die Polizisten seien offensichtlich nicht besonders gut geschult (E. 2.2).

Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, muss diese gemäss Art. 15d Abs. 1 SVG abgeklärt werden. Das gilt insb. dann, wenn ein Fall der litterae a-e dieser Bestimmung vorliegt. In solchen Fällen liegt ein Anfangsverdacht vor, der zwingend zu einer Fahreignungsabklärung führen muss. Nach Ansicht der Behörden liegt in casu ein Fall von Art. 15d Abs. 1 lit. e SVG vor, weil die Meldung gemäss der vorgenannten Bestimmung nicht nur durch behandelnde Ärzte, sondern auch durch Gutachter erstattet werden kann. Vorliegend hat der Leiter der Abteilung forensische Pharmakologie und Toxikologie die Fahreignungsabklärung empfohlen, was für die Annahme von Zweifeln genügt, insb. in Kombination mit den polizeilichen Feststellungen. Dies gilt auch, wenn der Hausarzt des Beschwerdeführers, welcher ihn für einen Diabetes mellitus behandelt, attestiert, dass aus seiner Sicht keine Probleme mit der Fahreignung bestehen. Zudem könnten diese durchaus eine Folge des Diabetes mellitus sein, da Unterzuckerzustände bei behandelten Diabetikern eine der Hauptursachen für anfallsartig auftretende Bewusstseinsstörungen am Steuer seien (E. 3.2). Der Beschwerdeführer kontert zusammengefasst, dass ein gut eingestellter Diabetes mellitus kein Grund für eine Fahreignungsabklärung ist (E. 3.3).

Das Bundesgericht lässt offen, ob die Meldung des Leiters der Abteilung forensische Pharmakologie und Toxikologie des IRM ZH nun als eine Meldung i.S.v. Art. 15d Abs. 1 lit. e SVG zu verstehen sei. Die Aufzählung in den litterae a-e des vorgenannten Artikels ist nicht abschliessend. Eine Fahreignungsabklärung kann auch angeordnet werden, wenn andere Zweifel begründende Feststellungen gemacht werden. Die Feststellungen der Polizei, die teilweise mit den Symptomen einer Unterzuckerung übereinstimmten sowie die Tatsache, dass es keine andere Erklärung für die Ausfall- und Auffallerscheinungen gab, begründen vorliegend für sich alleine schon genügend Zweifel an der Fahreignung, womit nach der Generalklausel in Art. 15d Abs. 1 SVG zu Recht eine Fahreignungsabklärung angeordnet wurde.

Voraussetzungen der Kontrollfahrt

BGE 1C_424/2020: Das holprige Parkmanöver (gutgh. Beschwerde)

Die 74-jährige Beschwerdeführerin wurde von der Polizei dabei beobachtet, wie sie beim seitlichen Einparkieren sowohl das vordere, als auch das hintere Fahrzeug touchierte, sodass sich diese merklich bewegten. Gegenüber den Polizisten äusserte sie sich dahingehend, dass sie das SVG nicht im Detail kenne und ihr nicht bewisst war, dass man Autos beim Parkieren nicht touchieren darf. Weil die Polizisten die Fahreignung anzweifelten, ordnete die Kantonspolizei Basel-Stadt eine Kontrollfahrt an. Die kantonalen Instanzen wiesen die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Rechtsmittel ab.

Neben einigen formalen (und abgewiesenen) Rügen bemängelt die Beschwerdeführerin, dass die Voraussetzungen für eine Kontrollfahrt nicht erfüllt seien. Die Anordnung einer Kontrollfahrt setze aus ihrer Sicht ernsthafte Zweifel an der Fahreignung voraus. Solche lägen erst aber erst bei gravierenden Fahrfehlern vor. Das Touchieren von zwei Fahrzeugen beim Einparkieren sei aber noch kein gravierender Fahrfehler. Auch dass sie gegenüber den Beamten sagte, dass sie das SVG nicht kenne, lasse keinen Rückschluss auf ihre Fahrkompetenz zu (E. 4.1). Die Vorinstanz hingegen war der Meinung, dass die Beschwerdeführerin eine grössere Parklücke hätte suchen müssen, um das Parkiermanöver ohne Touchieren anderer Fahrzeuge durchzuführen. Dass sie gleich zwei Autos berührte, sei als gravierender Fahrfehler zu werten, da sie ihr Fahrzeug nicht richtig beherrschte (E. 4.2).

Bestehen Zweifel an der Fahreignung oder Fahrkompetenz einer Person, kann eine begleitete Kontrollfahrt angeordnet werden (Art. 15d Abs. 5 SVG i.V.m. 29 Abs. 1 VZV). Wird die Kontrollfahrt nicht bestanden, wird die Fahrerlaubnis entzogen. Die Kontrollfahrt kann nicht wiederholt werden. Bei älteren, auffälligen Lenkern lässt sich mit der Kontrollfahrt abklären, ob ihre Fahrtechnik den Anforderungen des heutigen Verkehrs genügt. Es gibt aber keine Vermutung, dass ältere Personen per se nicht mehr fahrgeeignet sind. Eine Kontrollfahrt kann deshalb nicht ausschliesslich wegen des Alters angeordnet werden. Allerdings dient die Kontrollfahrt der Verkehrssicherheit und es ist kein massiver Grundrechtseingriff. Deshalb dürfen die Anforderungen an die Anordnung einer Kontrollfahrt auch nicht überspannt werden (E. 4.3).

Entscheidend ist vorliegend also, ob das Parkmanöver der Beschwerdeführerin zur Anordnung einer Kontrollfahrt berechtigte. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung setzt die Anordnung einer Kontrollfahrt ein auffälliges Fahrverhalten voraus. Erforderlich sind insoweit gravierende Fahrfehler, welche regelmässig auch strafrechtliche Konsequenzen, das heisst insbesondere Verurteilungen nach Art. 90 SVG, nach sich ziehen können (zum Ganzen E. 4.4.2 mit vielen Beispielen). Nach Ansicht des Bundesgerichtes mag das Parkmanöver der Beschwerdeführerin „holprig“ gewirkt haben, auch wenn sie an den anderen Fahrzeugen keinen Sachschaden verursachte. Allerdings bezeichnet das Bundesgericht das Manöver als unproblematisch, weil es keine strafrechtlichen Konsequenzen hatte, im ruhenden Verkehr passierte und die Verkehrssicherheit nicht gefährdet wurde. Der Vorfall erreicht deshalb keine derartige Intensität, dass man von einem gravierenden Fahrfehler ausgehen müsste. Auch die Äusserungen der Beschwerdeführerin, dass sie keine Regel kenne, die ihr verbietet, Autos beim Einparkieren zu touchieren, rechtfertigen keine Kontrollfahrt. Nur wer elementare Verkehrsregeln nicht kennt, besitzt nicht die nötige Fahrkompetenz und gefährdet die Verkehrssicherheit.

Die Beschwerde wird deshalb gutgeheissen.