Wer trägt die Kosten?

BGE 6B_73/2021: Anwaltskosten im Bereich der einfachen Verkehrsregelverletzung (teilw. gutgh. Beschwerde)

Der Entscheid dreht sich um die alte Frage, wann der Beizug einer Rechtsvertretung im SVG-Bereich gerechtfertigt ist und der Staat damit deren Kosten tragen muss.

Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, zwei Reiterinnen mit einem Traktor mit zuwenig Abstand überholt zu haben, weshalb er mit einer Busse nach Art. 90 Abs. 1 SVG bestraft wurde. Auf seine Einsprache hin wurde das Strafverfahren eingestellt. Der Staat (Kt. SH) übernahm die Verfahrenskosten, nicht aber die Kosten der Verteidigung, wogegen sich der Beschwerdeführer wehrt.

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so hat die beschuldigte Person gemäss Art. 429 StPO Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte, worunter in erster Linie die Kosten einer Strafverteidigung fallen. Der Beizug einer Verteidigung ist grds. gerechtfertigt, wenn das Strafverfahren eine gewisse rechtliche und tatsächlich Komplexität aufweist. Das ist der Fall, wenn dem Deliktsvorwurf eine gewisse Schwere zukommt, was bei Verbrechen und Vergehen grds. zu bejahen ist. Zu beachten ist auch, dass Straf- und Strafprozessrecht generell komplex sind und die meisten Bürger:innen es sich nicht gewohnt sind, zu prozessieren. Wer sich selbst verteidigt, dürte also prinzipiell schlechter gestellt sein. Auch bei Übertretungen darf deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die beschuldigte Person die Verteidigerkosten aus einer Art Sozialpflichtigkeit selbst zu tragen hat. Bei der Komplexität sind auch die beruflichen Folgen des Strafverfahrens zu berücksichtigen (zum Ganzen ausführlich E. 3.3.1).

Die Vorinstanz stellt sich zusammengefasst auf den Standpunkt, dass es lediglich um eine Übertretung gegangen sei, keine Administrativmassnahme ausgesprochen werde und deshalb die Sache keine grosse Komplexität aufweise. Der Beschwerdeführer hingegen führt aus, dass der Sachverhalt durchaus komplex war, da die staatsanwaltlichen Einvernahmen einen ganzen Tag dauerten. Zudem habe der Beschwerdeführer nach Erhalt des Strafbefehls einen Herzinfarkt erlitten (vgl. E. 3.3.3).

Das Bundesgericht stimmt dem Beschwerdeführer zu. Dieser hat erst nach Erhalt des Strafbefehls einen Rechtsverteidiger hinzugezogen. Zudem drohte ihm durchaus eine administrative Massnahme bzgl. seiner Fahrerlaubnis, was seinen Berufsalltag als Bauer erschwert hätte. Warum die Vorinstanz das anders sieht, ist für das Bundesgericht nicht nachvollziehbar. Zu berücksichtigen ist zudem, dass allfällige Administrativmassnahmen gerade für ältere Fahrzeugführer wie den Beschwerdeführer die Gefahr einer Infragestellung ihrer Fahreignung als solcher bergen. Auch in strafprozessualer Hinsicht musste der Beschwerdeführer mit einer Anklage rechnen. Aus all diesen Gründen war der Beizug einer Verteidigung gerechtfertigt.

Das Bundesgericht bestätigt damit seine Rechtsprechung zu den Übertretungen im SVG-Bereicht (vgl. z.B. BGE 6B_322/2017) und heisst die Beschwerde in diesem Punkt gut.

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