Urteil 1C_256/2022: Sanktionierung des Rasers ohne charakterliche Probleme
In diesem in besonders blumigen „français juridique“ gehaltenen Urteil beschäftigt sich das Bundesgericht damit, wie man einen Raser sanktionieren kann, bei welchem aber keine charakterlichen Defizite bestehen.
Der Beschwerdeführer fuhr auf der Autobahn A12 bei Châtel-St-Denis. Die Tempolitmite war wegen Bauarbeiten auf 80km/h beschränkt. Der Beschwerdeführer aber fuhr 145km/h und wurde deshalb mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 65km/h geblitzt. Im Strafverfahren wurde er mit einer bedingten Geldstrafe bestraft wegen grober Verkehrsregelverletzung bestraft. In einem ersten Schritt entzog die zuständige Behörde des Kt. FR dem Beschwerdeführer die Fahrerlaubnis auf unbestimmte Zeit und machte die Fahreignung von einer positiven verkehrspsychologischen Begutachtung abhängig, weil der Beschwerdeführer den Rasertatbestand erfüllt habe. Das Kantonsgericht FR allerdings ging davon aus, dass nicht genügend Gründe vorlagen, um von einer Charakterschwäche auszugehen und wies die Sache zurück, um eine Warnmassnahme auszusprechen. Daraufhin wurde ein 24-monatiger Warnentzug angeordnet, was von den kantonalen Gerichten bestätigt wurde. Der Beschwerdeführer verlangt vor Bundesgericht einen Warnentzug von drei Monaten.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Art. 90 Abs. 3 und 4 und Art. 16c Abs. 2 lit. abis SVG geltend. Er bringt vor, dass er aus Versehen so schnell fuhr und damit kein Vorsatz vorläge.
Gemäss Art. 16c Abs. 2 lit. abis SVG wird eine Fahrlaubnis für mind. zwei Jahre entzogen, wenn jemand (u.a.) die zulässige Höchstgeschwindigkeit krass missachtet, wobei Art. 90 Abs. 4 SVG anwendbar ist. Art. 16c Abs. 2 lit. abis SVG verweist also auf den Rasertatbestand. Wer nach Art. 90 Abs. 4 SVG die Höchstgeschwindigkeit von 80km/h um mind. 60km/h überschreitet, erfüllt quasi automatisch den Rasertatbestand bzw. dessen objektives Tatbestandskriterium der krassen Geschwindigkeitsüberschreitung. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. Wer allerdings die Geschwindigkeit nach den Grenzwerten von Art. 90 Abs. 4 SVG überschreitet, handelt vermutungsweise vorsätzlich (E. 2.1; zum subjektiven Tatbestand des Raserdelikts kann auf den Beitrag vom 4.11.22 verwiesen werden).
Die Argumentation des Beschwerdeführers beruht darauf, dass er das Geschwindigkeitsschild nicht gesehen habe. Auch wenn das so gewesen sein mag, hätte der Beschwerdeführer trotzdem realisieren müssen, dass er sich in einem Baustellenbereich befand. Mit den vorinstanzlichen Erwägungen zu diesem Punkt setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Egal was er sagt, war die Situation nicht vergleichbar mit einem Autobahnabschnitt, auf welchem ein Tempolimit von 120km/h gilt. Aus Sicht des Bundesgerichts gelingt es dem Beschwerdeführer also nicht die Vermutung der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung umzustossen. Damit wird die zweijährige Warnmassnahme bestätigt.