Charakterlicher Fahreignung Part II

Urteil 1C_763/2021: Manchmal muss man einfach in sich reingehen

Dieses Urteil ist quasi Teil 2 eines Verfahrens, nachdem sich der Beschwerdeführer bereits in Urteil 1C_405/2020 gegen die Anordnung einer verkehrspsychologischen Fahreignungsabklärung (ohne vorsorglichen Entzug) erfolglos gewehrt hat. Dieses Urteil haben wir hier übrigens auch schon gefeatured. Nun wurde die Fahreignung gutachterlich abgeklärt und verneint, weshalb das Strassenverkehrsamt Kt. BE konsequenterweise den Sicherungsentzug der Fahrerlaubnis anordnete. Dagegen wehrt sich der Beschwerdeführer.

In Ihrer Gesamtschau sind diese Urteile ziemlich interessant, weil sich das Bundesgericht viel öfters mit der Fahreignung aus medizinischer Sicht – sei es wegen Drogen, Alkohol oder auch Krankheiten – auseinandersetzen muss. Das vorliegende Urteil befasst sich exemplarisch mit den Voraussetzungen, welche Personen im Strassenverkehr in charakterlicher Hinsicht erfüllen müssen.

Wer als Motorfahrzeugführer am Strassenverkehr teilnehmen möchte, muss auf seine Mitmenschen Rücksicht nehmen (Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG). Sind diese charakterlichen Eigenschaften nicht vorhanden, wird die Fahrerlaubnis sicherheitshalber entzogen (Art. 16d Abs. 1 lit. c SVG). Massgeblich dafür ist, dass eine schlechte Prognose besteht hinsichtlich des Verhaltens der betroffenen Person im Strassenverkehr. Oder anders gesagt, es muss eine Rückfallsgefahr vorliegen. Ist die Prognose schlecht oder liegt gar ein negatives verkehrspsychologisches Gutachten vor, wird die Fahrerlaubnis entzogen. Das dient offensichtlich der Verkehrssicherheit. Da der Sicherungsentzug eine schwerwiegender Eingriff in den Persönlichkeitsbereich ist, muss jeder Einzelfall sorgfältig abgeklärt werden. Fanden diese Abklärungen im Rahmen einer Begutachtung statt, dürfen die Behörden nicht ohne trifftige Gründe vom Gutachten abweichen. Die Grenze der Bindung an Gutachten findet sich im Willkürverbot. Ist ein Gutachten offensichtlich widersprüchlich oder nicht schlüssig, verstösse das Abstellen drauf gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (zum Ganzen E. 3).

Die Anordnung der verkehrspsychologischen Begutachtung basiert auf drei Vorfällen:

1. Bagatellkollision mit einem Rollerfahrer
2. Verkehrsunfall durch Überholen einer Joggerin an unübersichtlicher Stelle
3. Missachtung Fussgängervortritt

Nach all diesen Fällen verhielt sich der Beschwerdeführer gegenüber den Dritten äusserst feindselig und ging diese auch verbal aggressiv an. Dem Rollerfahrer fuhr er z.B. extra in den Roller. Beim Fussgänger fuhr der Beschwerdeführer ruckartig auf diesen zu, sodass dieser zur Seite schreiten musste. Im Rahmen der Begutachtung kam die zuständige Fachperson zum Schluss, dass der Beschwerdeführer überheblich und rechthaberisch sei. Er zeige aggressive Tendenzen und sehe sich als Opfer behördlicher Willkür. Von intrinsischer Motivation zur Verhaltensänderung also keine Spur. Die Fahreignung wurde verneint (E. 4).

Der Beschwerdeführer bemängelt, dass das Gutachten ihm nicht explizit eine schlechte Prognose attestiere, weshalb ihm die Fahrerlaubnis herauszugeben sei. Zunächst führt der Beschwerdeführer aus, dass einer Person der Führerausweis gemäss (Art. 16d Abs. 1 lit. c SVG) entzogen werden muss, wenn sie nicht einmal über ein Minimum an Verantwortungsbewusstsein, Beständigkeit und Selbstbeherrschung verfüge. Dann aber relativiert er plötzlich (zu Unrecht) seine Meinung, wenn er ausführt, dass rücksichtsloses Verhalten nur vorliege bei Schikanestopps, illegalen Rennen und Geschwindigkeitsüberschreitungen im Raserbereich.

Es gelingt dem Beschwerdeführer zusammenfassend nicht aufzuzeigen, dass das Gutachten willkürlich gewesen sei bzw. er bestreitet dies auch gar nicht. Insofern wird seine Beschwerde abgewiesen.

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