Annullierung Führerausweis auf Probe und Fahreignung wegen Alkohol

Es gibt sie noch, die genussvollen Momente im Leben. Nach hartem Arbeitstag die im richtigen Neigungswinkel bei fein justierter Raumtemperatur gelagerte Flasche Bordeaux aus dem Keller holen, mit dem Cabrio bei 25 Grad im Schatten der Amalfi-Küste entlang brettern oder am Strand in Hội An in einer Hängematte dem Rauschen des Meeres lauschen…

Wir SVG-Nerds brauchen nichts davon! Unsere grauen Zellen werden bereits durch die Lektüre eines guten Bundesgerichtsurteils so angenehm stimuliert, dass Strände, Cabrios und Weine im Rauschen der Hintergrundgeräusche verschwinden. Doch was macht ein solches Urteil aus? Es befasst sich konzise mit verschiedenen Themen und fasst dazu noch gratis die Rechtsprechung zusammen. Es stellt klar, was die Grundsätze sind und führt zugleich auch die Ausnahmen auf. Es muss nicht einmal eine Kehrtwendung der Rechtsprechung beinhalten, damit der Jurist oder die Juristin mit der Zunge schnalzt.

Dieses Urteil ist genau so eines. Es befasst sich mit der Frage, ab wann genau die Voraussetzungen für eine Annullierung des Führerausweises auf Probe erfüllt sind, welcher Wert bei einer Blutalkoholprobe für die Anordnung einer Fahreignungsabklärung relevant ist und wann die Entzugsbehörde ein Strafurteil nicht abwarten muss.

Hört sich spannend an…

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Führerausweises auf Probe. Nach einer Polizeikontrolle im März 2023 wurde anhand einer Blutprobe festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit einem Wert zwischen 1.49 und 2.37 Promille gefahren ist. Die Fahrberechtigung wurde vorläufig abgenommen und später wiedererteilt. Die Entzugsbehörde teilte der Beschwerdeführerin Ende März 2023 schriftlich mit, dass sie mit einem Führerausweis-Entzug rechnen muss.

Im April 2023 wurde die Beschwerdeführerin erneut bei einer Polizeikontrolle angehalten. Eine Atemalkoholprobe ergab einen Wert von 0.55 mg/L.

Nachdem zunächst ein vorsorglicher Entzug des Führerausweises auf Probe angeordnet wurde, verfügte die Entzugsbehörde schliesslich dessen Annullierung und machte die Wiederzulassung u.a. von einer die Fahreignung bejahenden verkehrspsychologischen und -medizinischen Abklärung abhängig. Die Beschwerdeführerin verlangt, dass von einer verkehrsmedizinischen Abklärung abgesehen wird und dass die Sache an die Entzugsbehörde zurückgewiesen wird, damit eine Massnahme mit Probezeitverlängerung ausgesprochen oder das Verfahren bis zum Abschluss des Strafverfahrens sistiert wird.

Die Beschwerdeführerin findet, dass die Unschuldsvermutung verletzt wurde und grundsätzlich das Ergebnis des Strafverfahrens abgewartet werden muss bzw. das Administrativverfahren hätte sistiert werden müssen.

Zur Sistierung (E. 3.1)

Grundsatz: Da die Entzugsbehörde an den im Strafverfahren festgestellten Sachverhalt gebunden ist, muss sie den Ausgang des Strafverfahrens grundsätzlich abwarten, also ihr Verfahren sistieren.

Ausnahmen:

Steht die Annullierung des Führerausweises auf Probe und wird der Sachverhalt bestritten, kann nicht sistiert werden. Es wird die Fahrberechtigung vorsorglich entzogen (dazu Urteil 1C_246/2024 E. 5 und Beitrag vom 22. Februar 2025).

Die Beschwerdeführerin anerkannte im ersten Fall, dass sie unter Alkoholeinfluss gefahren ist. Im zweiten Fall stellte sie sich auf den Standpunkt, dass sie im Strafverfahren eine Einsprache eingereicht habe, machte dazu aber keine weiteren Ausführungen und zeigte auch nicht auf, wie sich ihr Opponieren im Strafverfahren auf das Administrativmassnahmen-Verfahren auswirken könne. Deshalb musste nicht sistiert werden, sondern ihre Fahrerlaubnis vorsorglich entzogen.

Zur Unschuldsvermutung (E. 3.2)

Die Unschuldsvermutung wird bei der Anordnung von verschuldensunabhängigen Sicherungsmassnahmen nicht angewendet. Dazu zählt auch die Annullierung des Führerausweises auf Probe, denn mit dieser Massnahme geht die Legalvermutung einher, dass die betroffene Person charakterlich nicht fahrgeeignet ist. Weiter wird die Unschuldsvermutung nicht angewendet bei:

Zur Annullierung (E. 4)

Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, dass sie im Zeitpunkt des zweiten Vorfalles noch nicht wusste, dass die erste FiaZ-Fahrt ebenfalls die Voraussetzungen von (a)Art. 15a Abs. 4 SVG erfüllen werde, da sie das Resultat der Blutprobe noch nicht kannte. Damit die Voraussetzungen einer Annullierung erfüllt sind, ist es nicht nötig, dass die Massnahme zur ersten Widerhandlung vollzogen oder rechtskräftig ist. Ferner ist es auch nicht vorausgesetzt, dass überhaupt schon eine Massnahme i.S.v. Art. 15a Abs. 3 SVG angeordnet wurde (vgl. BGE 146 II 300 E. 4.3 oder Beitrag vom 4. Juni 2020).

Vorliegend gab es im Zeitpunkt der zweiten schweren Widerhandlung, noch keinen Entscheid zur ersten FiaZ-Fahrt. Die Beschwerdeführerin wurde aber von der Entzugsbehörde nach der ersten Widerhandlung schriftlich darauf hingewiesen, dass eine Massnahme in Betracht gezogen wird. Sie wusste deshalb, dass ein Administrativmassnahmen-Verfahren eröffnet wurde, weshalb es auch keine Rolle spielte, dass sie das Resultat der Blutprobe erst später kannte. Der Führerausweis auf Probe wurde rechtmässig annulliert.

Zur verkehrsmedizinischen Fahreignungsabklärung (E. 5)

Schliesslich stellt sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, dass die Anordnung der verkehrsmedizinischen Abklärung unverhältnismässig sei, weil aus ihrer Sicht die ermittelten Alkoholwerte keine Zweifel rechtfertigen. Lenkt man ein Auto mit einer Blutalkoholkonzentration von 1.6% oder mehr, muss zwingend eine verkehrsmedizinische Fahreignungsabklärung angeordnet werden (Art. 15d Abs. 1 lit. a SVG). Die Beschwerdeführerin führt aus, dass beim ersten FiaZ von einer Blutalkoholkonzentration von 1.49 Promille ausgegangen werden muss, in Anwendung der Unschuldsvermutung. Dem entgegnet das Bundesgericht, dass bei Blutproben, die ein Minimal- und ein Maximalergebnis haben, für die Annahme von Zweifeln gemäss Art. 15d Abs. 1 lit. a SVG der Mittelwert massgeblich ist (vgl. BGE 140 II 334 E. 6). Vorliegend liegt der Mittelwert bei 1.93 Promille. Die Anordnung der verkehrsmedizinischen Abklärung erfolgte damit zu Recht.

Edit vom 19. Mai 2025: Urteil 1C_464/2024 ergänzt.


Und noch ein paar weitere Urteile

Urteil 1C_648/2024: Haaranalysen und Haarpflegeprodukte

Der Beschwerdeführer fuhr im Februar 2023 ein Motorfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0.83 mg/L. Nach einer negativen Begutachtung ordnete die Entzugsbehörde den Sicherungsentzug nach Art. 16d SVG an.

Haaranalysen gelten als geeignetes Mittel um übermässigen Alkoholkonsum sowie die Einhaltung von Abstinenzauflagen nachzuweisen. Der Beschwerdeführer kritisiert, dass das Labor, welches die Haaranalyse durchführte, nicht unabhängig sei, da es ein Eigeninteresse an der Korrektheit seiner Analysen habe. Darin erblickt der Beschwerdeführer Willkür. Willkür liegt allerdings gemäss Bundesgericht nur vor, wenn auf ein Gutachten abgestütz wird, dass offensichtlich unrichtig ist. Hinzukommt, dass das Labor auf Begehren des Beschwerdeführers Stellung nahm zu den vom Beschwerdeführer verwendeten Haarpflegeprodukten. Schlüssig erörterte es, dass diese Produkte nicht zu fehlerhaften Messungen des EtG-Wertes in den Haaren führen können.


Urteil 1C_688/2023: Höhe der Parteientschädigung

Der Beschwerdeführer wehrte sich im kantonalen Verfahren erfolgreich gegen die Anordnung von Auflagen wegen Alkohol und Kokain. Ihm wurde deshalb eine Parteientschädigung von CHF 5’000.00 zugesprochen. Die Vorinstanz betrachtete die Komplexität der Sache als mittelhoch. Der Beschwerdeführer ist damit nicht einverstanden, erhebt Beschwerde beim Bundesgericht und legt eine Honorarnote von CHF 22’068.61 ins Recht.

Aus Art. 29 Abs. 2 BV wird das Recht der Parteien abgeleitet, innert einer 10-tägigen Frist eine Kostennote für die Rechtsvertretung einzureichen, sobald ohne weiteren Aufwand mit dem Abschluss des Verfahrens gerechnet werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass eine Rechtsvertretung ausdrücklich zum Einreichen einer Honorarnote aufgefordert werden muss. Die Frist von 10 Tagen läuft ab dem Zeitpunkt, ab welchem mit dem Abschluss des Verfahrens gerechnet werden kann (E. 2). Insgesamt war es nicht willkürlich, dass pauschal eine Parteientschädigung von CHF 5’000.00 gesprochen wurde. Solche Fälle, in welchen man sich gegen Auflagen wehrt, haben nach Ansicht des Bundesgerichts mittlere Schwierigkeit und rechtfertigen mittleren Aufwand. Ebenso bezeichnet es die Wichtigkeit der Sache sowie den Streitwert (allfällige Kosten für Haaranalysen) als eher gering.


Urteil 6B_52/2025: Atemalkoholprobe

Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen die Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand mit einer qualifizierten Atemalkoholkonzentration. Er betrachtet die Atemalkoholprobe mit Messgerät als nicht verwertbar, weil ihm nicht bewusst war, was der gemessene Wert von 0.4 mg/L bedeutet und er davon abgehalten worden sei, eine Blutprobe zu verlangen.

Die Modalitäten der Atemalkoholprobe mit einem Testgerät richten sich nach Art. 11 SKV, jene mit einem beweissicheren Messgerät nach Art. 11a SKV. Trotz Atemalkoholprobe wird eine Blutprobe angeordnet, wenn die betroffene Person dies möchte (Art. 12 Abs. 1 lit. d SKV). Darauf muss die Polizei ausdrücklich hinweisen (Art. 13 Abs. 1 SKV).

Es ist unbestritten, dass die Polizisten ihrer Informationspflicht nachgekommen sind. Der Beschwerdeführer verzichtete zunächst auf eine Blutprobe, verweigerte aber in der Folge auf Anraten seines Anwaltes die Mitwirkung. Die erst nachträglich eingenommene Verweigerungshaltung, führt aber nicht dazu, dass die rechtmässig erhobene Atemalkoholprobe unverwertbar wird. Ebenso kann sich der Beschwerdeführer nicht darauf berufen, dass er „unter Druck“ auf die Blutprobe verzichtete, nur weil ein Polizist sagte, dass der Wert der Blutprobe erfahrungsgemäss höher ausfalle. Schliesslich verwirft das Bundesgericht auch den Standpunkt des Beschwerdeführers, dass er nicht gewusst habe, was die Anerkennung der Atemalkoholprobe bzw. der Verzicht auf die Blutprobe bedeute. Jeder Person muss klar sein, dass die Sache ernst ist, wenn die Polizei sie auf den Polizeiposten mitnimmt und erklärt, dass man fahrunfähig ist und sofort nicht mehr Autofahren darf. Das gilt vorliegend umso mehr, weil der Beschwerdeführer Anwalt und Privatdozent ist.

Trunksucht

Urteil 1C_131/2022: Alkoholproblematik ausserhalb des Strassenverkehrs

Aufgrund einer Meldung der Polizei wurde gegenüber dem Beschwerdeführer eine verkehrsmedizinische Untersuchung angeordnet. Grund für die Meldung war, dass die Polizei wiederholt wegen häuslicher Gewalt ausrücken mussten, wobei der Beschwerdeführer und seine Gattin stets stark alkoholisiert angetroffen wurden. Die Untersuchung kam zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer eine Alkoholproblematik vorliegt und deshalb die Fahreignung verneint werden muss. Sein Führerausweis wurde auf unbestimmte Zeit entzogen.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG und stellt sich auf den Standpunkt, dass er zwischen Alkoholkonsum und Autofahren trennen können. Zudem stellt er sich auf den Standpunkt, dass die bei der Untersuchung durchgeführte Haaranalyse (EtG-Wert von über 100pg/mg) ungenau sei, weil er sich aus „ökologischer Überzeugung“ äusserst selten die Haare wasche.

Wenn jemand an einer Sucht leidet, ist diese Person nicht fahrgeeignet und die Fahrerlaubnis muss entzogen werden (Art. 14 i.V.m. Art. 16d SVG). Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Trunksucht vor, wenn jemand soviel Alkohol trinkt, dass er oder sie nicht mehr zwischen Trinkgenuss und Teilnahme am Strassenverkehr trennen kann bzw. dass die naheliegende Gefahr besteht, dass die Person sich in fahrunfähigem Zustand ans Steuer setzt. Eine eigentliche Fahrt unter Alkoholeinfluss ist für einen Führerausweis-Entzug nicht vorausgesetzt. Da ein Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit ein schwerwiegender Eingriff in den Persönlichkeitsbereich darstellt, muss jeder Einzelfall sorgfältig abgeklärt werden, wobei nur eine Haaranalyse noch nicht ausreicht für die Annahme fehlender Fahreignung. Für die Abklärung drängen sich auf (E. 4.3):

– Haaranalyse
– Prüfung der persönlichen Verhältnisse
– Aufarbeitung allfälliger Trunkenheitsfahrten
– Alkoholanamnese
– umfassende medizinische körperliche Untersuchung.

Im vorliegenden Fall ergab die Haaranalyse des Beschwerdeführers einen Wert von über 100pg/mg, was für einen starken und chronischen Alkoholkonsum spricht. Zudem zeugen die aktenkundigen Vorfälle (häusliche Gewalt etc.) von einen Kontrollverlust. Der Beschwerdeführer gab auch an, dass er sich mit zwei Promille nicht betrunken fühle, was für eine hohe Giftfestigkeit spricht. Auch physisch zeigte der Alkoholkonsum Wirkung (erhöhte MCV-Werte) und es gab bereits Warnmassnahmen wegen Fahren in angetrunkenem Zustand.

Alles in allem wurde dieser Fall sorgfältig abgeklärt und das Gutachten ist deshalb auch nicht widersprüchlich. Insofern durften die Behörden davon ausgehen, dass eine deutlich erhöhte Gefahr besteht, dass sich der Beschwerdeführer in fahrunfähigem Zustand an ein Steuer setzen könnte.

Verhältnismässigkeit von Auflagen

Urteil 1C_111/2021: Überwindung von Alkoholsucht dauert lange

Aufgrund einer Trunkenheitsfahrt wurde die Fahrerlaubnis des Beschwerdeführers auf unbestimmte Zeit und sicherheitshalber entzogen. Im November 2020 wurde der Sicherheitsentzug aufgehoben und die Fahrerlaubnis wurde mit Auflagen wiedererteilt. An die Wiedererteilung wurde die Auflage geknüpft, dass der Beschwerdeführer eine dreijährige Alkoholtotalabstinenz mittels halbjährlicher Haaranalysen nachzuweisen habe.

Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine willkürlich Feststellung des Sachverhalts sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Er ist der Ansicht, dass das Gutachten mangelhaft war, denn der Beschwerdeführer reichte verschiedene Haaranalysen ein, die allesamt unterschiedliche unterschiedliche Werte ergaben (einer z.B. ca. 250 pg/mg). Zudem stellte er sich auf den Standpunkt, dass er schon eine längere Abstinenz nachgewiesen habe, als dass es die Vorinstanz annahm. Die Vorinstanz dürfte aber willkürfrei davon ausgehen, dass ein übermässiger Alkoholkonsum vorlag, weil die Werte der meisten Haaranalysen über 30 pg/mg lagen. Auch die Vorgeschichte wurde vom Gutachten korrekt wiedergegeben und zuletzt wurde eine günstige Prognose eines Psychiaters insofern berücksichtigt, als dass dem Beschwerdeführer überhaupt die Fahrerlaubnis wiedererteilt wurde (zur ganzen sehr ausführlichen Auseinandersetzung mit den verschiedenen Haarproben E. 3).

Der Beschwerdeführer ist sodann der Ansicht, dass die gegen ihn verfügten Auflagen unverhältnismäßig seien. Eine auf unbestimmte Zeit, sicherheitshalber entzogene Fahrerlaubnis kann wiederteilt werden, wenn nachgewiesen wurde, dass der Mangel an der Fahreignung zumindest bedingt weggefallen ist. Die Wiedererteilung kann mit Auflagen verbunden werden (Art. 17 Abs. 3 SVG). Insb. wenn Suchtkrankheiten vorlagen, wird die Wiedererteilung in der Regel mit der Auflage einer längerfristigen Abstinenz verbunden. Damit ist es möglich, eine Fahrerlaubnis auch dann wiederzuerteilen, wenn noch nicht alle Zweifel an der Fahreignung ausgemerzt sind. Lag ein verkehrsrelevanter Alkoholmissbrauch vor, können Auflagen über mehrere Jahre angeordnet werden, da davon ausgegangen wird, dass die Überwindung einer Alkoholsucht bis zu fünf Jahren bedarf. Das Bundesgericht hat in Einzelfällen schon eine dreijährige Totalabstinenz gutgeheissen, auch wenn kürzere Fristen üblich sind (E. 4.1). Die Vorinstanz ging davon aus, dass vorliegend eine dreijährige Totalabstinenz zwar streng, aber dennoch rechtmässig ist. Der Beschwerdeführer war der Meinung, dass so lange Auflagen nur in Ausnahmefällen angeordnet werden dürfen. Dem widerspricht aber das Bundesgericht, denn in jedem Fall ist eine Einzelfallbeurteilung notwendig (E. 4.2).

Die Auflage wurde aufgrund des verkehrsmedizinischen Gutachtens angeordnet. Dieses war bereits bzgl. dem Sachverhalt schlüssig (s.o.). Auch die Dauer der Auflage wurde im Gutachten schlüssig und konzis begründet. Da der Beschwerdeführer eine lange Vorgeschichte bzgl. Alkohol hat und die Überwindung einer Sucht lange dauert, ist die Auflage verhältnismässig. In der Abwägung des öffentlichen Interesses der Verkehrssicherheit mit den Interessen des Beschwerdeführers erweist sich eine solche Auflage für den Beschwerdeführer bei objektiver Betrachtung ebenso als zumutbar.

Keine Fahreignungsabklärung bei 1.58%

Urteil 1C_500/2021: Knapp unter dem Grenzwert (gutgh. Beschwerde)

Bei der Beschwerdeführerin wurde bei einer Polizeikontrolle ein Atemalkoholwert von 0.79 mg/L bzw. 1.58 Promille festgestellt. Gegenüber den Beamten gab sie an, dass sie zwar nicht süchtig sei, aber ein Alkoholproblem „auf der Kippe zum Alkoholismus“ habe. Der vorläufig abgenommene Führerschein gab das Strassenverkehrsamt wieder zurück. Nach Abschluss des Strafverfahrens sanktionierte das Strassenverkehrsamt die Beschwerdeführerin mit einem Führerscheinentzug von vier Monaten. Kurz vor Ablauf des Vollzugs des Führerscheinentzugs ordnete das Strassenverkehrsamt eine verkehrsmedizinische Fahreignungsabklärung an, da ein Verdacht auf eine Alkoholproblematik bestand.

Führerscheine müssen entzogen werden, wenn die Voraussetzungen zur Erteilung nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 SVG). Leidet jemand an einer (Alkohol)Sucht, muss der Führerschein sicherheitshalber auf unbestimmte Zeit entzogen werden (Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG). Bestehen lediglich Zweifel an der Fahreignung, muss eine Fahreignungsuntersuchung angeordnet werden. Fährt jemand mit 0.8 mg/L bzw. 1.6 Promille oder mehr, besteht eine gesetzliche Vermutung, dass ebensolche Zweifel bestehen (Art. 15d Abs. 1 lit. a SVG). Mit der Fahreignungsabklärung wird i.d.R. auch ein vorsorglicher Entzug der Fahrerlaubnis nach Art. 30 VZV angeordnet. Da die Voraussetzungen der Fahreignungsabklärung und des vorsorglichen Entzugs aber nicht deckungsgleich sind, kann in Ausnahmefällen vom vorsorglichen Entzug abgesehen werden. Die Ausnahme muss von der Behörde nachvollziehbar begründet werden. Das automobilistische Verhalten der betroffenen Person während des Verfahrens muss bei der Sachverhaltsabklärung mitberücksichtigt werden (zum Ganzen E. 3).

Die Atemalkoholprobe der Beschwerdeführerin lag knapp unter dem magischen Wert von 0.8 mg/L bzw. 1.6%, womit eine Fahreignungsabklärung nicht zwingend, aber auch nicht unmöglich ist. Die Beschwerdeführerin wirft den Vorinstanzen vor, den „Leitfaden Fahreignung“ nicht eingehalten zu haben. Dieser stellt jedoch nur eine Orientierungshilfe für Behörden dar. Er ist kein verbindlicher Erlass. Dreh- und Angelpunkt in dieser Sache ist die „Selbstbelastung“ der Beschwerdeführerin, indem sie sich selber ein Alkoholproblem attestierte.

Die Vorinstanzen sahen in dieser Äusserung sowie dem Fiaz von 1.58% genug Zweifel für die Anordnung der Abklärung. Das Bundesgericht widerspricht aber den kantonalen Instanzen. Zunächst weist es darauf hin, dass die Gefahrenlage offenbar keinen vorsorglichen Entzug nötig machte. Zu Gunsten der Beschwerdeführerin wirken sich auch ihr unbescholtener Leumund aus und ebenso favorable Drittauskünfte (Arzt, Arbeitgeber). Während des Verfahrens hat sich die Beschwerdeführerin zudem bewährt. Schliesslich bringt das Bundesgericht vor, dass nicht nachvollziehbar begründet wurde, weshalb die Fahreignungsabklärung ohne vorsorglichen Entzug angeordnet wurde. Die Beschwerde wird gutgeheissen und das kantonale Urteil aufgehoben.

Vorsicht Meinung: Je länger ich darüber nachdenke, desto seltsamer finde ich den Entscheid. Zunächst sagt das Bundesgericht in E. 3.2., dass eine Fahreignungsabklärung nur angeordnet werden darf, wenn ernsthafte Zweifel an der Fahreignung der betroffenen Person bestehen. Das Gesetz fordert aber „nur“ Zweifel. Die ernsthaften Zweifel werden eigentlich für den vorsorglichen Entzug vorausgesetzt. Eine differenziertere Auseinandersetzung mit den beiden Sicherungsmassnahmen nahm das Bundesgericht z.B. in Urteil 1C_184/2019 E. 2.1. vor. Zudem kreiert das Bundesgericht vorliegend eine Art Meta-Voraussetzung für die zuständigen Behörden, nämlich dass sie begründen müssen, wieso kein vorsorglicher Entzug angeordnet wurde mit der Fahreignungsabklärung. Aus meiner Sicht aber müssen die Behörden einfach dartun, ob „normale“ Zweifel für die Fahreignungsabklärung oder eben ernsthafte Zweifel für den vorsorglichen Entzug bestehen. Der Entscheid liefert sicher eine gute Basis für den nächsten Stammtisch nach der SVG-Tagung…

Mangelnde Kooperation bei der Fahreignungsabklärung

Urteil 1C_780/2021: Vorsorglicher Führerscheinentzug ist keine Massnahme des Verwaltungszwangs zur Durchsetzung einer Fahreignungsabklärung (tlw. gutgh. Beschwerde)

Das Urteil befasst sich mit der Frage, wie die zuständigen Ämter vorgehen können, wenn eine betroffene Person der Anordnung einer Fahreignungsabklärung nicht Folge leistet. Der nicht vorbelastete Beschwerdeführer wehrt sich in vorliegender Sache gegen die Anordnung einer Fahreignungsabklärung sowie eines vorsorglichen Entzuges seiner Fahrerlaubnis. Da die Anordnung der Fahreignungsabklärung bereits in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. dazu E. 3), befasst sich das Bundesgericht hauptsächlich mit der Frage, ob die Anordnung des vorsorglichen Führerausweisentzugs rechtmässig war.

Aufgrund eines Vorfalles von mutmasslicher häuslicher Gewalt führte die Polizei in der Wohnung der ehemaligen Partnerin des Beschwerdeführers, wo auch er sich aufhielt, eine Kontrolle durch. Der Beschwerdeführer war alkoholisiert und gab gegenüber den Beamten an, dass er einmal wöchentlich deswegen in eine Therapie gehe. Die Polizei erstelle einen Bericht und leitete eine Kopie davon weiter an das Strassenverkehrsamt. Dieses ordnete zunächst eine Fahreignungsabklärung an wegen des Verdachts auf eine Trunksucht. Die eingeschriebene Verfügung holte der Beschwerdeführer nicht ab. Gut einen Monat später wurde vom Strassenverkehrsamt der vorsorgliche Führerscheinentzug angeordnet. Allerdings holte der Beschwerdeführer auch diese eingeschriebene Verfügung nicht ab. Erst wiederum etwa einen Monat später konnte dem Beschwerdeführer die Verfügung von der Polizei übergeben werden.

Der Beschwerdeführer erachtet den vorsorglichen Führerscheinentzug als rechtswidrig, weil der auslösende Vorfall – ein Ehestreit – keinerlei Bezug zum Strassenverkehr hatte. Die Polizei hätte auch keinen Atemalkoholtest anordnen dürfen (E. 4.1). Die kantonalen Instanzen stellten sich auf den Standpunkt, dass bei der Anordnung einer Fahreignungsabklärung grds. stets auch ein vorsorglicher Führerscheinentzug anzuordnen sei und dass andererseits die mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers die Zweifel an der Fahreignung verstärken würden. Zu den Mitwirkungspflichten gehöre nach Ansicht der kantonalen Behörden, dass die betroffene Person die Untersuchungskosten vorschiessen und an den Untersuchungshandlungen teilnehmen muss. Nach Ansicht der Vorinstanz sei der vorsorgliche Sicherungsentzug die einzige Massnahme, mit welcher eine Fahreignungsabklärung durchgesetzt werden könne, wenn die betroffene Person es versäumt, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen (E. 4.2).

Autofahrer*innen müssen fahrgeeignet sein. Fahreignung setzt voraus, dass man frei von Süchten ist, die das sichere Führer von Motorfahrzeugen beeinträchtigen (Art. 14 Abs. 1 lit. c SVG). Leidet jemand an einer Sucht im Sinne des SVG, muss die Fahrerlaubnis auf unbestimmte Zeit entzogen werden, um die übrigen Verkehrsteilnehmer zu schützen (Art. 16d Abs. 1 lit. b). Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, muss eine Fahreignungsabklärung angeordnet werden, um diese Zweifel zu besätigen oder auszumerzen (Art. 15d SVG). Sind die Zweifel ernsthafter Natur und muss der Verkehr sofort geschützt werden, wird die Fahrerlaubnis der betroffenen Person umgehend vorsorglich entzogen (Art. 30 VZV). Beim vorsorglichen Führerscheinentzug handelt es sich um eine Präventionsmassnahme zur Wahrung der Sicherheit im Strassenverkehr. Strafprozessuale Garantien nach Art. 6 EMRK finden deshalb in diesem Verwaltungsverfahren keine Anwendung (E. 4.3-5).

Auch wenn die Voraussetzungen für die Fahreignungsabklärung und den vorsorglichen Entzug sehr ähnlich sind, müssen die Massnahmen nicht in jedem Fall zusammen angeordnet werden (E. 4.6). Verweigert die betroffene Person bei der Fahreignungsabklärung die Mitwirkung, können durchaus negative Schlüsse auf ihre Fahreignung gezogen werden. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist der vorsorgliche Führerscheinentzug aber keine Massnahme des Verwaltungszwangs, welche automatisch angeordnet werden kann, wenn jemand die Mitwirkung bei der Fahreignungsabklärung verweigert. Nur wenn durch die mangelnde Mitwirkung in Rahmen einer Gesamtbetrachtung ernsthafte Zweifel gemäss Art. 30 VZV entstehen, kann der vorsorgliche Entzug angeordnet werden (E. 4.7). Eine Trunksucht liegt nach dem verkehrsrechtlichen Suchtbegriff dann vor, wenn jemand regelmässig so viel Alkohol konsumiert, dass seine Fahrfähigkeit vermindert wird und er keine Gewähr bietet, den Alkoholkonsum zu kontrollieren und ihn ausreichend vom Strassenverkehr zu trennen, oder wenn die Gefahr nahe liegt, dass er im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt. Ernsthafte Zweifel sind etwa dann angebracht, wenn jemand wiederholt Trunkenheitsfahrten unternommen hat (E. 4.8).

Vorliegend war ein Ehestreit Auslöser des Verwaltungsverfahrens. Ein Bezug zum Strassenverkehr ist nicht erkennbar. Die vagen Angaben des Beschwerdeführers, dass er in eine Therapie gehe, vermögen keine ernsthaften Zweifel an seiner Fahreignung zu begründen. Zudem hat der Beschwerdeführer einen ungetrübten Leumund. Auch wenn sich der Beschwerdeführer bzgl. der angeordneten Fahreignungsabklärung unkooperativ verhielt, kann dadurch nicht automatisch auf ernsthafte Zweifel geschlossen werden. In einer interessanten Klammerbemerkung vergleicht das Bundesgericht den vorliegenden Fall mit jenem von Urteil 1C_556/2012, nach welchem die Angabe, wöchentlich vier Joints zu rauchen, grds. mit der Fahreignung vereinbart werden kann.

Die Beschwerde wird bzgl. des vorsorglichen Führerscheinentzuges gutgeheissen. Das Bundesgericht macht es den zuständigen Strassenverkehrsämtern mit diesem Entscheid nicht einfach. Wenn sich der Sachverhalt nicht zu Lasten der betroffenen Person ändert bzw. sich diese vlt. sogar bessert und z.B. selbstständig auf den Konsum von Alkohol verzichtet, dann dürfte die Anordnung eines vorsorglichen Führerscheinentzugs nicht möglich sein und die Durchsetzung der Fahreignungsabklärung schwierig werden. Man könnte sich überlegen, solche seltenen Fälle mit einer Strafandrohung nach Art. 292 StGB zu verbinden.

Konkurrenz zwischen Art. 91 Abs. 2 lit. a und b SVG

BGE 6B_1429/2020: Besoffen und Müde

Der Beschwerdeführer wurde für Fahren in fahrunfähigem Zustand wegen Alkohol (Art. 91 Abs. 2 lit. a SVG) und weiteren Gründen, i.c. Müdigkeit (Art. 91 Abs. 2 lit. b SVG), mit einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen bestraft. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass die Annahme der Vorinstanz, es läge eine echte Konkurrenz vor und dass er nach beiden litterae zu bestrafen sei, falsch ist. Nach seiner systematischen Auslegung, stelle Art. 91 Abs. 2 SVG ein Straftatbestand dar, womit die Anwendung von Art. 49 StGB und das Fällen einer Gesamtstrafe i.c. falsch sei. Insofern sei auch seine Strafe (nach unten) anzupassen.

Das Bundesgericht musste diese Frage noch nicht beantworten. Es befasst sich in der Folge mit der Lehre, welche die Frage nach der Konkurrenz kontrovers diskutiert. Nach den einen Autoren stelle das Fahren in fahrunfähigem Zustand ein „einheitliches Konzept“ dar, wobei es keine Rolle spiele, ob nur einer oder mehrere Gründe für die Fahrunfähigkeit vorlägen. Andere Autoren sprechen sich dafür aus, dass eine echte Konkurrenz vorläge, u.a. weil sonst der Gesetzgeber die beiden Tatbestände nicht explizit geregelt hätte und die Annahme einer unechten Konkurrenz in gewissen Beispielen auch zu inkonsequenten Lösungen führt (zum Ganzen E. 1.6).

Das BGer befasst sich sodann mit der unechten Konkurrenz, u.a. mit der Spezialität und der Konsumtion. Bei Spezialität findet nur die spezielle Regel Anwendung, z.B. Mord vor vorsätzlicher Tötung. Bei der Konsumtion wird ein Tatbestand vom anderen konsumiert, z.B. die Körperverletzung von der vorsätzlichen Tötung. Nach der grammatischen Auslegung liegt aber bei der Fahrunfähigkeit wegen Alkohol und jener aus anderen Gründen keine unechte Konkurrenz vor. Im Gegenteil, schliessen sich die beiden Tatbestände gegenseitig aus. Auch in historischer Hinsicht wurden die Tatbestände immer separat behandelt. Denn wer unter Alkoholeinfluss autofährt und dann z.B. noch ein Betäubungsmittel oder ein Medikament konsumiert, handelt quasi mit doppelter Delinquenz, auch wenn das Resultat das gleiche ist, nämlich die Fahrunfähigkeit. Aus diesem Grund widerspricht es auch nicht dem Bundesrecht, wenn das Vorliegen mehrerer Gründe für Fahrunfähigkeit strenger bestraft wird, als wenn nur ein Grund vorliegt (E. 1.7).

Daraus folgt, dass zwischen Art. 91 Abs. 2 lit. a und b SVG echte Konkurrenz besteht und damit eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Die Beschwerde wird abgewiesen.

Fahreignungsabklärung bei Alkoholkonsum OHNE Bezug zum Strassenverkehr

BGE 1C_569/2018:

Der Entscheid liest sich recht gut, weil er die bisherige Rechtsprechung zu dieser Thematik zusammenfasst. Einige Urteile wurden auch schon hier gefeatured. Die Beschwerdeführerin wurde als Fussgängerin in einen Verkehrsunfall verwickelt. Sie ist Inhaberin der Fahrberechtigungen der 1. und 2. Gruppe. Ebenso ist ihr Leumund einwandfrei. Die Atemalkoholprobe betrug 1.23mg/L, die spätere Blutalkoholprobe ergab einen Wert für den Ereigniszeitpunkt von 2.65-3.38%. Deswegen ordnete das Strassenverkehrsamt eine Fahreignungsabklärung an, wobei auf einen vorsorglichen Führerscheinentzug verzichtet wurde.

E. 3. Zu den Zweifeln: Nach der Generalklausel von Art. 15d Abs. 1 SVG ist eine Fahreignungsabklärung anzuordnen, wenn Zweifel an der Fahreignung bestehen. Die Anordnung einer verkehrsmedizinischen Untersuchung setzt hingegen nicht zwingend voraus, dass der Fahrzeugführer tatsächlich unter dem Einfluss von Alkohol gefahren ist (vgl. Urteil 1C_285/2018 vom 12. Oktober 2018 E. 3.4 mit Hinweis). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können, sofern stichhaltige Gründe für ein tatsächlich verkehrsrelevantes Suchtverhalten vorliegen, auch bei Personen, die ausserhalb des motorisierten Strassenverkehrs auffällig geworden sind, Zweifel an der Fahreignung aufkommen, die eine verkehrsmedizinische Untersuchung rechtfertigen. Danach listet das BGer vorbildlich die bisherige Rechtsprechung zu dieser Thematik auf:

Zu Recht angeordnete Abklärungen nach Ereignis OHNE Bezug zum Verkehr:

BGE 1C_384/2017: Nervenzusammenbruch unter Alkoholeinfluss, psychische Störungen, späterer FiaZ
BGE 1C_13/2017: Zuhause mit hoher BAK angetroffen, nachdem beschädigtes Auto auf Trottoir vorgefunden, späterer Fiaz

Widerrechtlich angeordnete Fahreignungsabklärungen:

BGE 1C_256/2011: Häusliche Gewalt mit BAK 1.99%
BGE 1C_356/2011: Erregung öffentliches Ärgernis unter Alkoholeinfluss
BGE 1C_748/2013: Suizidandrohung per SMS mit 1.2%
BGE 1C_144/2017: Fussgänger mit 2.27%

E. 4. zum Fall: Die Beschwerdeführerin zeigte keine deutlichen Verhaltensauffälligen in Bezug auf den Alkohol, was bei dieser BAK auf eine hohe „Giftfestigkeit“ hindeutet. Nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit liegt nämlich die tödliche Dosis für Alkohol für ungewohnt Trinkende bei 3-4% (E. 4.1). Das BGer hat noch keine feste Promillegrenze für diese Fälle – Alkohol ohne Autofahren – festgelegt (E. 3.4). Nun scheint es sich eine Faustregel von 2.5% anzueignen (E. 4.2). Auf jeden Fall kann die Beschwerdeführerin mit Ihren Argumenten nicht durchdringen, weil Ihre Alkoholtoleranz schon auf einen regel-, wenn nicht übermässigen Alkoholkonsum schliessen lässt.

Von Rasern und Süchten

BGE 6B_567/2017: Raserurteil (Bestätigung Rechtsprechung)

Der Beschwerdeführer überholte ausserorts bei starkem Nebel und vor einer Rechtskurve zwei Autos mit mind. 133km/h. In der Folge kam es auf der Gegenfahrbahn zu einer Frontalkollision, wobei zwei Insassen des korrekt entgegenkommenden Autos getötet wurden. Zwei weitere sowie der Beschwerdeführer wurden schwer verletzt. In den kantonalen Instanzen wurde der Beschwerdeführer wegen eventualvorsätzlicher Tötung und schwerer Körperverletzung sowie dem Rasertatbestand zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt. Der Beschwerdeführer verlangt vor BGer die Verurteilung wegen fahrlässiger Tatbegehung.

E. 2.1.1. zu (Eventual)Vorsatz, (bewusster) Fahrlässigkeit

E. 2.1.2. von der bewussten Fahrlässigkeit zum Eventualvorsatz: „Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung im Sinne des Eventualvorsatzes in Kauf genommen hat, muss das Gericht bei Fehlen eines Geständnisses aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen. Das Gericht darf vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter der Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 mit Hinweis).“

„Ein Fahrzeuglenker droht durch sein gewagtes Fahrverhalten meistens selbst zum Opfer zu werden. Die Annahme, er habe sich gegen das geschützte Rechtsgut entschieden und nicht im Sinne der bewussten Fahrlässigkeit auf einen guten Ausgang vertraut, darf deshalb nicht leichthin angenommen werden (BGE 130 IV 58 E. 9.1 mit Hinweisen). Bei Unfällen im Strassenverkehr kann nicht ohne Weiteres aus der hohen Wahrscheinlichkeit des Eintritts des tatbestandsmässigen Erfolgs auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden. Erfahrungsgemäss neigen Fahrzeuglenker dazu, einerseits die Gefahren zu unterschätzen und andererseits ihre Fähigkeiten zu überschätzen, weshalb ihnen unter Umständen das Ausmass des Risikos der Tatbestandsverwirklichung nicht bewusst ist. Einen unbewussten Eventualdolus aber gibt es nicht. Eventualvorsatz in Bezug auf Verletzungs- und Todesfolgen ist bei Unfällen im Strassenverkehr nur mit Zurückhaltung und in krassen Fällen anzunehmen, in denen sich aus dem gesamten Geschehen ergibt, dass der Fahrzeuglenker sich gegen das geschützte Rechtsgut entschieden hat (BGE 133 IV 9 E. 4.4). “

E. 2.2. zum Sachverhalt: Das Überholmanöver des Beschwerdeführers war dermassen irrsinnig, dass weder er, noch der entgegenkommende Lenker den Unfall durch rechtzeitige Reaktion hätten vermeiden können. Als Junglenker, der seit erst vier Monaten den Führerausweis hatte, durfte der Beschwerdeführer auch nicht auf sein Fahrgeschick vertrauen. Nur der Zufall hätte den Unfall verhindern können. Der tatbestandsmässige Erfolg drängte sich derart auf, dass von einer Inkaufnahme seitens des Beschwerdeführers ausgegangen werden muss, umso mehr, weil er die Strecke kannte.

E. 3. Zum Rasertatbestand: Zwar wird die qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung von dem Tatbestand der vorsätzlichen Tötung konsumiert. Zur Erfüllung des Rasertatbestandes reicht aber bereits eine erhöht abstrakte Gefährdung, eine konkrete ist nicht vorausgesetzt. Der Tatbestand zählt beispielhaft „waghalsiges Überholen“ als Tathandlung auf und fordert ein hohes Risiko. Gegenüber den Überholten Fahrzeugen bestand eine erhöht abstrakte Gefährdung und ein hohes Risiko, dass sie in den Unfall hätten involviert werden können. Insofern ist auch der Rasertatbestand erfüllt.

E. 4. Zur Strafzumessung: Lediglich in diesem Punkt heisst das BGer die Beschwerde gut und weist die Sache an die Vorinstanz zurück. 8 Jahre Freiheitsentzug sind zuviel.

Der BGE schliesst nahtlos an BGE 6B_1050/2017 an, in welchem ebenfalls ein Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tötung durch Überholen im Nebel erfolgte.

 

BGE 1C_701/2017: Ne gute Repetition zum Alkoholgenuss (Bestätigung Rechtsprechung)

Der Entscheid fasst die Rechtsprechung zur Fahreignung bzgl. Alkohol gut zusammen. Der Beschwerdeführer wurde nach einer FiaZ-Fahrt zur Fahreignungsabklärung aufgeboten. Die Haaranalyse wies einen EtG-Wert von 57pg/mg auf, woraufhin die KAM vom Kt. FR einen Sicherungsentzug verfügte. Das BGer weist die Beschwerde gegen diese Verfügung ab.

E. 2. zum Sicherungsentzug:

Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen fürs Autofahren gemäss Art. 14 SVG nicht mehr bestehen, muss die Fahrerlaubnis entzogen werden. Werden im Administrativverfahren Sicherungsmassnahmen zugunsten der Verkehrssicherheit verfügt, gilt die Unschuldsvermutung nicht (E. 2.1.). Eine Trunksucht liegt grds. vor, wenn zwischen Konsum und Autofahren nicht mehr getrennt werden kann (E. 2.2). Ein EtG-Wert bei der Haaranalyse von mehr als 30 pg/mg gilt als nicht mehr sozialverträglich und damit übermässig (E. 2.3.1.). Von der Haaranalyse wird nur abgewichen, wenn das die Glaubwürdigkeit des Gutachten ernsthaft erschüttert ist (E. 2.3.2.).

E. 3. Zum Gutachten:

Die Haaranalyse ist mit einer Messunsicherheit von 30% behaftet (E. 3.1.). Ein Gutachten darf nicht ausschliesslich auf dem EtG-Wert abstellen, sondern muss auch die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen beachten (E. 3.2.).

Da im vorliegenden Fall das Gutachten die Voraussetzungen der Rechtsprechung erfüllte, war der Sicherungsentzug berechtigt.