Urteil 1C_683/2023: Verfolgungsjagd mit Drohne
Drohnen sind schon lange in der Gesellschaft angekommen. Sie werden für „Dronies“, also Selfies mit Drohne, eingesetzt, stören Badegäste am Traumstrand oder schwirren den Touristen auf der Ski-Piste nach. Neuerdings werden sie auch von der Polizei zur Verfolgung von SVG-Delikten eingesetzt. Und genau daran stört sich der Beschwerdeführer. Ihm wurde wegen einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung von 57.6 bzw. 95.6 km/h ausserorts der Führerausweis vorsorglicherweise entzogen. Seine Fahrt wurde von der Polizei mit einer Drohne aufgenommen. Die Geschwindigkeit wurde anhand des Videos mit einer Weg-Zeit-Berechnung eruiert. Die Strecke mass die Polizei ganz altmodisch mit einem Messrad. Die Dauer der Fahrt errechnete die Polizei anhand der Videoaufnahmen (zur Berechnung E. 3.2). Aus Sicht des Beschwerdeführers wurde der Sachverhalt willkürlich festgestellt. Er bringt vor, dass die Quarzuhr der Drohne für die Zeitberechnung, sowie die Satelliten, mit welchen die Quarzuhr eingestellt wird, nicht vom METAS geprüft und geeicht sind. So verlangt es grundsätzlich Art. 5 der Geschwindigkeitsmessmittel-Verordnung. Auch die Messung einer Wegstrecke mittels Messrad sei nirgends gesetzlich geregelt. Da allerdings bei vorsorglichen Massnahmen nur die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden kann (Art. 98 BGG), wird auf die Rügen zur Verletzung von Bundesrecht nicht eingegangen.
Zulässig ist allerdings die Rüge der Willkür. Mit seinen Vorbringen alleine gelingt es dem Beschwerdeführer aber nicht, eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung darzulegen, denn allfälligen Messungenauigkeiten wurden mit Sicherheitsmargen Rechnung getragen. Auch dass das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist, hindert die zuständige Behörde nicht daran, Sicherungsmassnahmen anzuordnen, denn bei diesen greift die Unschuldsvermutung bekanntlich nicht (E. 3.4).
Fazit: Ein Drohnenvideo der Polizei kann also anlass dazu geben, dass ernsthafte Zweifel an der charakterlichen Fahreignung einer Person bestehen.
Urteil 6B_178/2024: Die mündliche Berufungsverhandlung (gutgh. Beschwerde)
In diesem Urteil geht es um eine strafprozessuale Thematik, die die Berufungsinstanzen immer wieder vor Probleme stellt (siehe auch den Beitrag vom 3. Januar 2021). Da dieses Thema hier auch schon gefeatured wurde, machen wirs kurz. Das Berufungsverfahren ist grundsätzlich mündlich und kann gemäss Art. 406 StPO nur in eng begrenzten Fällen schriftlich durchgeführt werden, nämlich grundsätzlich dann, wenn der Sachverhalt nicht umstritten ist. Ist dieser umstritten, müssen für die schriftliche Durchführung eines Berufungsverfahrens folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein (Art. 406 Abs. 2 StPO):
1. Schriftliches Einverständnis der Parteien.
2. Anwesenheit der beschuldigten Person nicht nötig.
3. Urteil eines Einzelgerichts ist Gegenstand der Berufung.
4. Keine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK.
Im vorliegenden Fall teilte die Berufungsinstanz mit, dass das Verfahren mündlich durchgeführt und der Beschwerdeführer vorgeladen werde. Entgegen dieser Ankündigung wechselte die Berufungsinstanz später aber ohne Orientierung der Parteien in das schriftliche Verfahren und fällte ihr Urteil. Damit verletzte es den Gehörsanspruch des Beschwerdeführers sowie den Grundsatz von Treu und Glauben und das Gebot der Verfahrensfairness. Die Beschwerde wird gutgeheissen.