Unsachgemäss gekoppelter Anhänger gibt Führerausweis-Entzug

Urteil 1C_610/2022: Die Krux mit dem Sicherungsseil

Dieses Urteil befasst sich mit der Gefahr, die von einem unsachgemäss montierten Anhänger-Sicherungsseil ausgeht und welche Massnahme in diesem Fall droht.

Der Beschwerdeführer wehrt sich in diesem Fall gegen die Annahme einer mittelschweren Widerhandlung bzw. einen viermonatigen Entzug des Führerausweises. Er fuhr mit einem Personenwagen mit einem Anhänger an eine Kreuzung, an welcher er verkehrsbedingt anhalten musste. Als er wieder losfuhr, riss die ganze Kupplungsvorrichtung vom Zugfahrzeug. Der Anhänger rollte danach über ein Trottoir und kam in einer Hauswand zum Stillstand. Im Strafverfahren wurde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer den Anhänger korrekt angekuppelt hatte, weshalb ihm diesbzgl. kein Vorwurf gemacht wurde. Vorgeworfen wurde ihm aber, dass er das Sicherungsseil des Anhängers nur um die Kupplung legte und nicht vorschriftsgemäss am Zugfahrzeug befestigte. Der Beschwerdeführer war aber der Meinung, dass er gar kein Sicherungsseil benötigte, weil sein Anhänger über eine Auflaufbremse verfügte und der Anhänger über 1.5 Tonnen wog. Der Streit dreht sich also darum, ob das Sicherungsseil des Anhängers korrekt angebracht bzw. überhaupt nötig war.

In den Verkehr gebrachte Fahrzeuge müssen betriebssicher sein (Art. 29 SVG). Anhänger dürfen nur verwendet werden, wenn u.a. die Anhängevorrichtung betriebssicher ist (Art. 30 Abs. 3 SVG). Vor der Wegfahrt muss man prüfen, ob ein Anhänger zuverlässig angekuppelt ist (Art. 70 Abs. 1 VRV). In der VTS wiederum ist in Art. 189 geregelt, welche Anforderungen an Anhänger gestellt werden. Löst sich ein Anhänger unbeabsichtigt vom Zugfahrzeug, muss die Bremse selbstständig wirken. Davon ausgenommen sind Anhänger unter 1.5 Tonnen (Abs. 4). Solche Anhänger müssen aber mit einer Sicherheitsverbindung zum Zugfahrzeug gesichert werden (Abs. 5).

Der Anhänger des Beschwerdeführers war zwar über 1.5 Tonnen schwer, hatte aber nur eine Auflaufbremse. Diese wirkt nur im Zusammenhang mit einem Bremsmanöver des Zugfahrzeuges. Abgekoppelt wirkt sie nicht. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz sowie einem Merkblatt des TCS zum korrekten Kuppeln von Anhängern stellt das Bundesgericht fest, dass ein Anhänger mit Auflaufbremse stets mit einem Sicherungsseil direkt mit dem Zugfahrzeug verbunden werden muss. Nur so kann verhindert werden, dass ein während der Fahrt abgekoppelter Anhänger unkontrolliert weiterrollt (E. 4.).

Der Beschwerdeführer war sodann der Ansicht, dass das falsche Anbringen des Sicherungsseils eine besonders leichte eventualiter eine leichte Widerhandlung sei. Er begründet dies damit, dass er höchstens im Schritttempo gefahren sei, dass sich das falsche Anbringen des Sicherungsseils in keinster Weise auf den Unfall auswirkte und dass seine ganze Anhängerkupplung schon nach einigen Metern nach dem Verlassen des Privatgrundstücks komplett weggebrochen sei. Dem widerspricht das Bundesgericht. Das unkorrekte Anbringen eines Sicherungsseils birgt in sich bereits eine erhöht abstrakte Gefährdung z.B. für Fussgänger oder Velofahrer. Das Mass der geschaffenen Gefährdung hängt dabei nicht von der Länge der Fahrtstrecke ab, auch wenn die Gefährdung tendenziell zunimmt, je länger man mit unkorrekt angebrachten Sicherungsseil fährt. Vorliegend ging die Vorinstanz zu Recht von einer erhöhten Gefahr gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG aus.

Fazit: Lieber einmal mehr bücken und das Sicherungsseil korrekt am Zugfahrzeug befestigen.

Kontrolle des LKW vor der Fahrt

Urteil 6B_225/2022: Kaputte Bremsscheiben

Dieser Entscheid ist v.a. interessant für Berufsfahrer, denn er befasst sich mit der Frage, wie genau ein LKW bzw. die Bremsen vor der Fahrt auf allfällige Mängel geprüft werden müssen.

Der Beschwerdegegner geriet mit einem Sattelmotorfahrzeug in eine Verkehrskontrolle, in welcher festgestellt wurde, dass die Bremsscheiben der zweiten und dritten Hinterachse des Sattelanhängers eingerissen waren, dass Teile des Reibrings ausgebrochen waren und dass Stossdämpfer mangelhaft befestigt gewesen sind. Zudem gab es Rostspuren. Im Berufungsverfahren wurde der Beschwerdegegner freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft Kt. UR gelangt mit Beschwerde an das Bundesgericht.

Fahrzeuge dürfen gemäss Art. 29 SVG nur in betriebssicherem Zustand in den Verkehr gebracht werden (E. 2.1). Art. 57 Abs. 1 VRV verpflichtet die die fahrzeugführenden Personen, dass sich diese vor der Fahrt zu vergewissern haben, dass Fahrzeug und Ladung in vorschriftsgemässem Zustand befinden. Art. 70 Abs. 1 VRV konkretisiert diese Prüfungspflicht für Anhänger. So muss vor dem Wegfahren u.a. geprüft werden, ob ein Anhänger zuverlässig angekuppelt ist, Bremsen und Beleuchtung einwandfrei wirken (E. 3.1).

Die Staatsanwaltschaft war der Meinung, dass diese Mängel dem Beschwerdegegner bei pflichtgemässer Prüfung des Sattelanhängers hätten auffallen müssen. Die Vorinstanz und auch das Bundesgericht teilen diese Meinung allerdings nicht. Nach einem Teil der Lehre müssen Bremsen v.a. nach einer Reparatur oder einem Waschgang aktiv geprüft werden, also nach einem besonderen Anlass. Die Vorinstanz stützt sich bei ihrer Begründung auf ein Urteil des OLG Düsseldorf. Die Kontrollpflichten werden überspannt, wenn von LKW-Fahrern erwartet wird, dass diese vor jeder Fahrt sämtliche Bremsscheiben mittels Sichtkontrolle durch die Felgen prüfen, sofern nicht ausnahmsweise ein besonderer Anlass dafür besteht. Das sieht auch das Bundesgericht so. Die Funktionsfähigkeit der Bremsen ist für die Verkehrssicherheit enorm wichtig. Dennoch reicht für die Funktionskontrolle eine kurze Bremsprobe vor Abfahrt. Ohne besonderen Anlass muss keine Sichtkontrolle durchgeführt werden. Es fehlt dazu auch eine Norm, die LKW-Fahrer explizit dazu verpflichten würde.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird abgewiesen.