Präventive erkennungsdienstliche Erfassung

BGE 1B_171/2021: Wann darf man erfasst werden? (Gutgh. Beschwerde)

Gegen den Beschwerdeführer wird ein Strafverfahren wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Beschimpfung geführt. Er schlug den Arm eines Polizisten bei einer Kontrolle weg. Die Staatsanwaltschaft ordnete darauf die erkennungsdienstliche Erfassung an. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass die Erfassung seiner Körpermerkmale unverhältnismässig und eine Vorratsdatenspeicherung sei. Die Staatsanwaltschaft ist der Meinung, dass die Massnahme zur Klärung der beanzeigten Delikte nicht nötig, aber aufgrund der Vorstrafen des Beschwerdeführers und einer möglichen künftigen Delinquenz trotzdem gerechtfertigt sei.

Bei der erkennungsdienstlichen Erfassung gemäss Art. 260 StPO werden Körpermerkmale einer Person festgestellt, z.B. Fingerabdrücke. Zweck der Zwangsmassnahme ist die Feststellung der Identität einer Person. Die Massnahme ist auch bei Übertretungen möglich (E. 2). Grds. kann die Massnahme auch zulässig sein, wenn sie für die Aufklärung der Straftaten im hängigen Strafverfahren nicht nötig ist. In diesem Fall müssen aber erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beschuldigte Person in andere – auch künftige – Delikte von gewisser Schwere verwickelt sein könnte. Bei der Verhältnismässigkeitsprüfung ist auch zu prüfen, ob eine Person vorbestraft ist, wobei eine Vorbestrafung nicht zwingend vorausgesetzt ist (E. 4.1).

Vorliegend ist der Beschwerdeführer vorbestraft wegen:
– Gehilfenschaft zur Hinderung einer Amtshandlung;
– Hausfriedensbruch;
– Sachbeschädigung.
Hinzukommen die Straftaten des laufenden Strafverfahrens:
– Gewalt und Drohung gegen Beamte;
– Beschimpfung.

Die Frage ist also, ob diese Delikte die Schwere erreichen, damit die erkennungsdienstliche Erfassung angeordnet werden kann. Ob es sich bei den Delikten um Offizial- oder Antragsdelikte handelt, spielt gemäss der neueren Rechtsprechung keine Rolle. Zur Beurteilung der Schwere ist das betroffene Rechtsgut und der konkrete Kontext miteinzubeziehen. Eine präventive erkennungsdienstliche Erfassung erweist sich insbesondere dann als verhältnismässig, wenn die besonders schützenswerte körperliche bzw. sexuelle Integrität von Personen bzw. unter Umständen auch das Vermögen (Raubüberfälle, Einbruchdiebstähle) bedroht ist. Es müssen mithin ernsthafte Gefahren für wesentliche Rechtsgüter drohen (E. 4.3).

Gemäss dem Bundesgericht weisen sämtliche vergangenen sowie die angezeigten Delikte im hängigen Verfahren Bagatellcharakter auf und erreichen die geforderte Deliktsschwere nicht. Auch fehlen Anhaltspunkte für künftige schwere Delikte. Die erkennungsdienstliche Erfassung war damit unverhältnismässig. Die Beschwerde wird gutgeheissen.