Von der Sonne geblendet

BGE 6B_1318/2019: Fussgänger anfahren ist grds. rücksichtslos

Der Beschwerdeführer wurde ca. 14 Meter vor einem Fussgängerstreifen dermassen von der Sonne geblendet, dass er trotz heruntergeklappter Sonnenblende kaum mehr etwas gesehen hat. Aus diesem Grund hat er einen Fussgänger auf dem Streifen zu spät wahrgenommen. Trotz Vollbremsung hat der Beschwerdeführer den Fussgänger noch touchiert, wodurch dieser umgefallen ist und sich Prellungen zugezogen hat.

Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen die Verurteilung wegen grober Verkehrsregelverletzung. Er habe nicht rücksichtslos gehandelt und möchte wegen einer einfachen Verkehrsregelverletzung verurteilt werden.

Zunächst äussert sich das BGer zu den Voraussetzungen der groben Verkehrsregelverletzung (E. 2.3.2) und zur Aufmerksamkeit (E. 2.3.3). Sodann äussert es sich zu den Pflichten, die Autofahrer gegenüber Fussgängern haben. Art. 33 SVG stipuliert, dass vor Fussgängerstreifen besonders vorsichtig zu fahren ist und den Fussgängern der Vortritt zu lassen ist. Dazu muss die Geschwindigkeit gemässigt und nötigenfalls angehalten werden, wobei die Geschwindigkeit stets den Umständen anzupassen ist. Der Fahrzeugführer muss insoweit Sicht auf die gesamte Strasse und den Gehsteig in der Nähe des Fussgängerstreifens haben und hat – sofern dies nicht der Fall ist – die Geschwindigkeit so zu verlangsamen, dass er bei überraschend auftauchenden Fussgängern jederzeit anhalten kann (E. 2.3.3).

Die Missachtung des Fussgängervortritts ist i.d.R. sowohl objektiv als auch subjektiv eine schwere Verletzung von Verkehrsregeln. Schon bei geringer Kollisionsgeschwinigkeit können Fussgänger schwer verletzt werden (E. 2.4.2). Der Beschwerdeführer war ortskundig und bremste trotz der blendenden Sonne erst kurz vor dem Fussgängerstreifen. Dass er schon nur ca. 20-30 km/h gefahren sei, nützt ihm nichts, denn innerorts darf die Höchstgeschwindigkeit nur bei günstigen Verhältnissen ausgefahren werden. Wer trotz tiefstehender Sonne seine Geschwindigkeit nicht anpasst bzw. nicht anhält und auf einen Fussgängerstreifen zufährt, der gefährdert Dritte in hohem Masse und erfüllt den obj. Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG (E: 2.4.3). Indem der Beschwerdeführer „nur“ Bremsbereitschaft erstellte und sein Tempo nicht anpasste, handelte er bewusst grobfahrlässig, zumal er als Ortskundiger den Fussgängerstreifen kannte. Damit handelte er rücksichtslos. Der subj. Tatbestand von Art. 90 Abs. 2 SVG ist damit erfüllt.

Die Beschwerde wird abgewiesen. Die einzigen Fälle, in welchen wohl von einer Rücksichtslosigkeit abgesehen werden kann, sind jene, wo die Fussgänger selber überraschend die Fahrbahn betreten und damit wiederum die Regeln für Fussgänger nicht einhalten.

Der unaufmerksame Fussgänger (gutgh. Beschwerde)

BGE 6B_1294/2017

Im Dezember 2014 überfuhr der Beschwerdeführer bei schlechten Wetter- und Sichtverhältnissen einen Fussgänger, wofür er von den kantonalen Instanzen wegen einfacher Verkehrsregelverletzung verurteilt wurde. Das BGer hingegen heisst seine Beschwerde gut.

E. 1.1./2. zu den Meinungen der Parteien: Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Vertrauensgrundsatz und rügt, dass er nicht damit habe rechnen müssen, dass ein Fussgänger unvermittelt auf die Fahrbahn tritt, wo es keinen Fussgängerstreifen hat. Konkrete Anzeichen für ein Fehlverhalten des Fussgängers habe es nicht gegeben. Die Vorinstanz hingegen geht davon aus, dass der Beschwerdeführer den Fussgänger hätte bemerken und schon früher bremsen müssen.

E. 1.3.-5. zum Rechtlichen: Der Autofahrer muss sein Fahrzeug gemäss Art. 31 SVG stets so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Nach dem Vertrauensgrundsatz in Art. 26 SVG darf er aber davon ausgehen, dass sich sämtliche Verkehrsteilnehmer korrekt verhalten. Wo es keine Fussgängerstreifen hat, ist der Autofahrer gegenüber dem Fussgänger grds. vortrittsberechtigt (vgl. Art. 47 Abs. 5 VRV). „Das Mass der Sorgfalt, die vom Fahrzeuglenker verlangt wird, richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen.“

E. 1.6./7. Zur Subsumption: Der Fussgänger überquerte die Fahrbahn 6.5m vor dem Fussgängerstreifen. Er hörte Musik und war unaufmerksam. Die Witterungs- und Sichtverhältnisse waren schlecht, der Fussgänger war dunkel gekleidet. Der Beschwerdeführer hingegen machte trotz Ortskundigkeit keine Kontrollblicke nach links und rechts. Er sah den Fussgänger erst, als dieser auf der Fahrbahn war. Allerdings gab es keine Anzeichen dafür, dass der Fussgänger unvermittelt auf die Fahrbahn treten würde. Insofern liegt i.c. keine Sorgfaltspflichtsverletzung vor. Zwischen dem Betreten der Fahrbahn und der Kollision liegen lediglich 0.8 Sekunden, was nicht einmal der durchschnittlichen Reaktionszeit von einer Sekunde entspricht. Es gab keine Kommunikation zwischen den beiden Verkehrsteilnehmern, da der Fussgänger mit dem Rücken zum Beschwerdeführer lief. Das blosse Vorhandensein von erwachsenen Fussgängern auf dem Trottoir erfordert kein Bremsmanöver. Kausale Ursache für den Unfall war das unvorhersehbare Beschreiten der Fahrbahn durch den Fussgänger, womit der Unfall für den Beschwerdeführer nicht vermeidbar war. Der Autofahrer wird freigesprochen.

Verfahrensdauer, Kollision mit Nichthalter

BGE 1C_542/2016: Selbstverschuldete lange Verfahrensdauer

Im August 2011 fuhr der Beschwerdeführer innerorts 30 km/h zu schnell. Gegen die Verurteilung wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln wehrt er sich bis vor Bundesgericht. Dieses weist seine Beschwerde im September 2014 ab. Aufgrund der Kaskade ordnet das StVA AG einen sechsmonatigen Ausweisentzug an. Das vorliegende Urteil folgt fünfeihalb Jahre später. Der Beschwerdeführer rügt die Beurteilung innert angemessener Frist. Das BGer weist die Beschwerde ab.

E. 2.4: Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV). Ein solches Recht ergibt sich auch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK.

E. 2.6: Die besonderen Umstände des Einzelfalls, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, sollen neu nur bis zur gesetzlich vorgeschriebenen Mindestentzugsdauer berücksichtigt werden können (vgl. Art. 16 Abs. 3 Satz 1 SVG). Zu den bei der Festsetzung des Führerausweisentzugs zu berücksichtigenden Umständen zählt wie unter dem früheren Recht auch die Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK).

E. 2.7: Im zu beurteilenden Fall erscheint zweifelhaft, ob das Beschleunigungsgebot überhaupt verletzt worden ist bei einer Gesamtbearbeitungsdauer von rund fünfeinhalb Jahren und insgesamt sieben Instanzen (vgl. E. 2.3 hiervor).

Die Frage braucht jedoch nicht vertieft zu werden. Im Wesentlichen hat der Beschwerdeführer selber durch Ausschöpfen aller zur Verfügung stehenden Rechtsmittel (inklusive Bestreitung der Verlässlichkeit des Geschwindigkeitsmessgeräts, seiner Installation und des Betriebs sowie diverser Fristverlängerungen) für die lange Verfahrensdauer gesorgt.

 

BGE 1C_490.2016: Der übersehene Fussgänger

In Zürich befährt der Beschwerdeführer eine Kreuzung gerade als die Ampel von grün auf gelb wechselt. Da er mit langsamer Geschwindigkeit (ca. 20km/h) unterwegs war und nicht aufmerksam war, tütscht er eine Fussgängerin, die grün hatte und bereits auf dem Fussgängerstreifen ging. Im Strafverfahren wird er wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Das BGer bestätigt in der Folge den einmonatigen Ausweisentzug.

E. 3.4: Nach Art. 33 Abs. 2 SVG hat der Fahrzeugführer vor Fussgängerstreifen besonders vorsichtig zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, um den Fussgängern den Vortritt zu lassen, die sich schon auf dem Streifen befinden oder im Begriffe sind, ihn zu betreten (vgl. auch Art. 6 VRV [SR 741.11]). Der Fahrzeugführer hat zudem allgemein sein Fahrzeug ständig so zu beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten genügt (Art. 31 Abs. 1 SVG), was unter anderem voraussetzt, dass er seine Aufmerksamkeit dem Verkehr zuwendet (vgl. Art. 3 Abs. 1 VRV).

E. 3.5: Die Missachtung dieser Regeln bei der Anfahrt zu einem Fussgängerstreifen ruft eine ernstliche Gefahr für die Fussgänger hervor, da diese bei einer Kollision mit einem Auto selbst bei relativ geringer Fahrgeschwindigkeit schwere und schwerste Verletzungen davontragen können.

Nichts Neues, aber als Repetitorium auch nicht schlecht.