Urteil 4A_314/2022: Wenn der Katalysator ein Brand verursacht
In diesem Fall macht ein Bauer bei einer Motorfahrzeughaftpflichtversicherung Ansprüche geltend, nachdem das abgestellte Fahrzeug eines Lieferanten durch einen heissen Katalysator einen Stallbrand verursachte. Das erstinstanzliche Gericht hiess die Klage gut, wobei es ausführte, dass der heisse und brandauslösende Katalysator als Folge des maschinellen Betriebs des Lieferwagens den Brand auslöste und damit die Haftpflichtversicherung aus Betriebsgefahr hafte. Das Kantonsgericht SZ wiederum hiess die gegen dieses Urteil erhobene Berufung gut mit der Begründung, dass der Katalysator sich zwar während dem Betrieb des Lieferwagens erhitzte, die Hitze selber dann aber nicht dem Betrieb des Fahrzeuges dient und damit auch keine dem Betrieb eigene Gefahr ist.
Umstritten ist in diesem Fall der Inhalt der Betriebsgefahr, denn gemäss Art. 58 Abs. 1 SVG haftet ein Motorfahrzeughalter (bzw. seine Haftpflichtversicherung), wenn durch den Betrieb seines Fahrzeuges ein Mensch getötet wird oder Sachschaden entsteht. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass die Vorinstanz den maschinentechnischen Betriebsbegriff falsch ausgelegt habe, indem sie die durch den Betrieb des Lieferwagens entstandene Hitze am Katalysator nicht der Betriebsgefahr des Lieferwagens zurechnete, denn zumindest bei einem Verbrennungsmotor ist auch Hitze für die Fortbewegung eines Autos nötig.
Die Kausalhaftung von Art. 58 Abs. 1 SVG wird ausgelöst, wenn ein Motorfahrzeug in Betrieb ist. Dabei wird vom maschinentechnischen Betriebsbegriff ausgegangen. Der Halter haftet nur, wenn der Unfall in seiner Gesamtheit betrachtet mit der besonderen Gefahr, die durch den Gebrauch der maschinellen Einrichtungen des Motorfahrzeugs geschaffen wird, zusammenhängt. Ob das Auto dabei fährt oder steht, spielt keine Rolle. Es stellt sich also die Frage, ob ein heisser Katalysator bei einem parkierten Auto unter den maschinentechnischen Betriebsbegriff subsumiert werden kann (E. 3.3).
Die genaue Grenze zwischen dem Betrieb eines Motorfahrzeugs und dessen Nichtbetrieb lässt sich nicht rein aufgrund technischer Kriterien und schon gar nicht abstrakt beantworten, sondern muss jeweils wertend anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Auch wenn der Katalysator durch den Betrieb des Lieferwagens erhitzt wurde und zugleich ursächlich für den Stallbrand war, so erscheint die Brandgefahr als solche nicht als eine Gefahr, die dem Betrieb eines Motorfahrzeuges inhärent ist. Vielmehr hätte jeder in der Scheune abgestellte heisse Gegenstand dieselbe Brandgefahr ausgelöst. Aus Sicht des Bundesgerichts verwirklichte sich vorliegend eine gewöhnliche (Brand)Gefahr, die beim Lagern von heissen Gegenständen an ungeeigneten Orten entsteht. Zufälligerweise war der heisse Gegenstand hier einfach ein Auto bzw. dessen Katalysator (E. 3.4.3). Die Annahme der Halterhaftung hätte aus Sicht des Bundesgerichts vorliegend auch dem Zweck von Art. 58 Abs. 1 SVG widersprochen. Die strenge Halterhaftung wurde eingeführt, weil durch die Inbewegungsetzung eines tonnenschweren Autos sehr spezifische Gefahren entstehen, wie z.B. Schwierigkeiten beim Anhalten und Ausweichen von Hindernissen, mangelnde Stabilität, Lärm oder Vibrationen. Die Halterhaftung wird letztlich durch das öffentliche Interesse begrenzt. Klare (negative) Folgen des Autofahrens wie Unfälle werden von der Halterhaftung umfasst, weil dies auch im öffentliche Interesse liegt. Nicht im öffentlichen Interesse jedoch ist nach Ansicht es Bundesgerichts, dass ein Halter haftet, wenn sein noch heisses Auto ein Brand verursacht (E. 3.4.4). Und letztlich verweist das Bundesgericht darauf, dass man mit der strengen Halterhaftung aus rechtspolitischer Sicht die Folgen der Fortbewegung mit einem Auto abfedern wollte und nicht jene eines stehenden Fahrzeuges. Der Brand hängt daher, in seiner Gesamtheit betrachtet, nicht mit der besonderen Gefahr zusammen, die durch den Gebrauch der maschinellen Einrichtungen des Motorfahrzeugs geschaffen wird (zum Ganzen E. 3.4.5).
Die Halterhaftung wurde vorliegend zu Recht abgelehnt.