BGE 6B_758/2017: Die Dashcam-Odyssee geht weiter
Der Beschwerdeführer wurde aufgrund von Indizienbeweisen wegen zu geringem Abstand und dem Überfahren einer doppelten Sicherheitslinie auf kantonaler Ebene Verurteilt. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Feststellung des Sachverhaltes. Zu seinen Ungunsten wirken sich hauptsächlich die Aussage des vorfahrenden Lenkers aus, dass er das Fahrzeug zu ca. 90% selber lenkt und Dashcam-Aufnahmen, die im erstinstanzlichen Verfahren noch berücksichtigt wurden, vor der Rechtsmittelinstanz jedoch nicht mehr. Das BGer weist die Beschwerde ab.
E. 1.2. zu den Ausführungen der Vorinstanz: Zunächst wird festgehalten, dass die Aussagen des anderen Fahrers glaubhaft seien und eine Verwechslung ausgeschlossen werden könne. Auch wenn theoretisch andere Personen mit dem Auto des Beschwerdeführers fahren können, so fahre er nach eigenen Angaben doch zu 90-95% das Auto selbst. Auch ein schlüssiges Alibi konnte der Beschwerdeführer nicht liefern. „Zu den Dashcamaufzeichnungen hält die Vorinstanz fest, es erscheine zumindest problematisch, das Geschehen auf der Strasse ständig zu filmen. Der Anzeigeerstatter sei aber berechtigt gewesen, die Dashcam in Betrieb zu nehmen bzw. laufen zu lassen, nachdem ihn der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug bedrängt habe. Mit anderen Worten habe die Aufzeichnung des Überfahrens der doppelten Sicherheitslinie durch den ersten deutlich gewichtigeren Verstoss einen Anlassbezug erhalten, sodass keine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung und damit auch kein Beweisverwertungsverbot für den zweiten Verstoss vorliege (vgl. angefochtenes Urteil, E. 4.5.4 S. 8 f.).“
E. 1.3. zum Willkürverbot
E. 1.4.1f. zur vorinstanzlichen Beweiswürdigung: “ Ausschlaggebend war, dass er der Hauptlenker des Tatfahrzeugs war, die Täterbeschreibung des Anzeigeerstatters auf ihn zutrifft, Ersterer ihn auch als Täter identifizierte und er nichts vorbrachte, was für seine Abwesenheit am Tatort zur Tatzeit sprechen könnte.“ „Kommt die Vorinstanz anhand von Indizien zum Schluss, der Beschwerdeführer sei der Lenker des Fahrzeugs gewesen, ist auch dessen Vorwurf unbegründet, der Grundsatz „in dubio pro reo“ sei verletzt.“
E. 1.4.3 zur Dashcam: „Die Dashcamaufzeichnungen des Anzeigeerstatters erachtet die Vorinstanz lediglich für den Zeitraum nach der groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Missachtung von Art. 34 Abs. 4 SVG bzw. für den Schuldspruch der im Nachhinein erfolgten einfachen Verletzung der Verkehrsregeln durch Überfahren der doppelten Sicherheitslinie als verwertbar. Die Frage der Verwertbarkeit der Aufzeichnungen für den Zeitraum vor dem Bedrängen durch den Beschwerdeführer lässt sie entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers offen und stellt im Sinne seiner vor den Vorinstanzen noch vertretenen Auffassung nicht darauf ab (vgl. angefochtenes Urteil, E. 4.5.4 S. 8 f.). Konsequenterweise würdigt die Vorinstanz die Aufzeichnungen für diesen Zeitraum nicht. Darin liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da die Vorinstanz begründet, weshalb sie auf die Aufzeichnungen insoweit nicht abstellt. Die Frage der Verwertbarkeit der Dashcamaufzeichnungen kann auch vor Bundesgericht offenbleiben. Entscheidend wäre von vornherein nicht die Reaktion bzw. Einschätzung der Situation durch den Anzeigeerstatter, sondern die durch den ungenügenden Abstand beim Hintereinanderfahren geschaffene erhöhte abstrakte Gefahr.“
Zwar lässt das Bundesgericht die Frage der Dashcamaufnahmen als Beweis offen, es scheint aber in die Richtung zu gehen, dass wenn die Aufnahme ab einem Anfangsverdacht beginnt, diese Verwertbar sein soll, zumindest nach der Meinung der Vorinstanz. Die Frage nach der Verhältnismässigkeit wird nicht beantwortet. Auch wenn dies im Rahmen der Beweisverwertung sinnvoll sein mag, besteht hier immer noch ein grosses Missbrauchspotential. Wer garantiert, dass die Aufnahme einer dauernd laufenden Dashcam nicht nachträglich am Computer zurecht geschnitten wird mit der nachträglichen Behauptung, dass mit der Videoaufnahme erst mit dem Anfangsverdacht begonnen wurde…