Urteil 6B_677/2021: Tragischer Todesfall auf dem Parkplatz (gutgh. Beschwerde)
Im September 2013 ereignete sich ein tragischer Unfall. Der Beschwerdegegner überfuhr auf einem Parkplatz seinen Stiefvater, der zwei Stunden später an den Folgen des Unfalles verstarb. Die kantonalen Instanzen sprachen den Beschwerdegegner vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Dagegen wehren sich die Angehörigen des Opfers und verlangen, dass der Beschwerdegegner wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen sei. Es geht vorliegend um die Frage, ob der Beschwerdegegner den Tod seines Stiefvaters bei genügender Sorgfalt hätte vermeiden können.
Der Unfall passierte, als sich der Beschwerdegegner mit dem Opfer und weiteren Personen verabredete. Das Tatfahrzeug schien einen technischen Mangel zu haben, machte komische Geräusche und man wollte diese gemeinsam erörtern. Währenddem sich der Beschwerdegegner kurz vom Auto entfernte, legte sich das Opfer darunter, um den Geräuschen nachzugehen. Als der Beschwerdegegner das Fahrzeug parkieren wollte, stieg er ein und überrollte das Opfer. Die Vorinstanz war der Meinung, dass man in einer solchen Situation nicht damit rechnen müsse, dass sich jemand bereits unter dem Fahrzeug befindet, ohne den Lenker vorzuwarnen. Es sei lebensfremd in solchen Situationen ein Kontrollgang um ein Fahrzeug zu verlangen. Der Beschwerdegegner konnte das Opfer von der Fahrerposition nicht sehen.
Die fahrlässige Tötung nach Art. 117 StGB setzt die Verletzung einer Sorgfaltspflicht voraus. Der Erfolg, der Tod eines Menschen, muss für den Täter vorherseh- und vermeidbar gewesen sein (ausführlich zur Fahrlässigkeit E. 3.2). Im Strassenverkehr richten sich die Sorgfaltspflichten nach dem SVG und seinen Verordnungen. Wer sich in den Verkehr einfügt, darf andere Strassenbenützer nicht gefährden (Art. 36 Abs. 4 SVG). Wer z.B. von einem unübersichtlichen Parkplatz losfährt, muss nötigenfalls eine Hilfsperson herbeiziehen, die das Fahrmanöver überwacht (Art. 15 Abs. 3 VRV). Nach der Rechtsprechung muss sich ein Fahrer, der im toten Winkel aufgrund der Umstände mit Personen rechnen muss, seine Körperposition ändern, um eben diese toten Winkel einzusehen (vgl. BGE 107 IV 55 E. 2c). Die Aufmerksamkeit hat der Lenker nach den Umständen dorthin zu richten, wo am ehesten Gefahrenquellen drohen. Hat der Lenker aber seine Pflichten erfüllt, darf er sein Fahrmanöver ohne weitere Überwachung des sichttoten Bereichs ausführen (E. 3.3).
Die Beschwerdeführer bringen – kurz gesagt – vor, dass die Vorinstanzen den Sachverhalt willkürlich festgestellt haben, indem sie nicht mit der nötigen Tiefe der Frage nachgegangen sind, ob der Beschwerdegegner beim Einsteigen in das Fahrzeug seinen davorliegenden Stiefvater hätte sehen können. Das Bundesgericht stimmt dem zu, denn die Vorinstanzen hatten sich zuwenig mit den damals herrschenden Lichtverhältnissen und dem zeitlichen Ablauf des Unglücks auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass keine Sorgfaltspflichtsverletzung vorliegt, war damit rechtsfehlerhaft (dazu ausführlich E. 3.5).