Zwischen- oder Endentscheid?

BGE 1C_42/2020: Vorsorglicher Entzug nach Cannabis-FuD, Änderung der Rechtsprechung (zur amtl. Publ. vorgesehen)

Mit etwas Verspätung wird dieses Urteil gefeatured. Nicht nur enthält es wichtige Einzelheiten für die Behörden für die Beschwerdeführung vor Bundesgericht. Auch die Gedanken der Vorinstanz zum Kiffen und der Fahreignung sind spannend.

Bei einer Verkehrskontrolle fiel der beim Beschwerdeführer durchgeführte Drogenschnelltest positiv auf Cannabis aus. Der Fahrausweis wurde zwar durch die Polizei vorläufig abgenommen, von der MFK SO aber wieder ausgehändigt. Nachdem die Auswertung der Blutprobe einen THC-Wert von mind. 1.54 Mikrogramm pro Liter Blut ergab, wurde der Fahrausweis von der Behörde vorsorglich entzogen und eine Fahreignungsabklärung angeordnet. Das Verwaltungsgericht hob die entsprechende Verfügung aber auf, woraufhin die MFK den Fahrauweis wiedererteilte. Die Behörde gelangen mit Beschwerde an das Bundesgericht und verlangen den vorsorglichen Entzug der Fahrerlaubnis des Beschwerdeführers. Das BGer weist die Beschwerde ab.

Normalerweise wenden sich Bürgerinnen und Bürger gegen eine Sicherungsmassnahme bzw. gegen die Fahreignungsabklärung und den vorsorglichen Entzug. I.c. ist es aber das Amt, dass sich gegen den vorinstanzlichen Entscheid wenden möchte, wozu es auch gemäss Art. 24 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG legitimiert ist.

Mit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis und dem Verzicht auf die Fahreignungsabklärung wurde nach Ansicht des Bundesgerichts das Administrativmassnahmeverfahren endgültig abgeschlossen. Entgegen der früheren Rechtsprechung liegt insofern ein End– und nicht ein Zwischenentscheid vor.

Das Verfahren betrifft vorsorgliche Massnahmen des Strassenverkehrsrecht. Diesbzgl. kann vor Bundesgericht gemäss Art. 98 BGG nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geprüft werden. Die Behörden rügen allerdings eine Verletzung von Art. 15d SVG und damit nicht die verletzung verfassungsmässiger Rechte. Aus diesem Grund wird auf die Beschwerde nicht eingetreten.

Interessant ist aber auch der diesem Urteil zugrundeliegende Entscheid des Verwaltungsgerichtes Solothurn vom 20. Dezember 2019 (VWBES.2019.408). Ganz kurz zusammengefasst, stützte das Verwaltungsgerichts die Ansicht des Beschwerdeführers, dass keine Gründe für Zweifel an dessen Fahreignung vorliegen. Zwar überschritt er den Grenzwert der ASTRA-VO bzgl. THC, was eine Fahrunfähigkeit belegt. Allerdings war der THC-COOH-Wert im Blut der Beschwerdeführers mit 14 Mikrogramm pro Liter Blut deutlich unter dem Wert von 49 Mikrogramm pro Liter Blut, ab welchem nach Ansicht des Bundesgerichts (BGE 1C_618/2015) noch kein chronischer Cannabiskonsum vorliegt, der eine Fahreignungsabklärung rechtfertige. Das Verwaltungsgericht erachtete lediglich eine Warnmassnahme wegen FuD als gerechtfertigt.

Vorsorglicher Entzug der Fahrlehrerbewilligung

Ein neuer Entscheid aus der Kategorie „Detailproblematik“.

BGE 2C_1130/2018: Entzug der Fahrlehrerbewilligung, URP im Verwaltungsverfahren (gutgh. Beschwerde)

Das Strassenverkehrsamt des Kt. SG entzog dem Beschwerdeführer die Fahrlehrerbewilligung gestützt auf Art. 30 VZV und ordnete eine verkehrspsychologische Abklärung an. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Zugleich ersuchte er um URP im Verwaltungsverfahren. Das Gesuch um URP wurde mit Zwischenverfügung abgelehnt. Gegen diese Zwischenverfügung gelangt der Beschwerdeführer an das BGer.

E. 2.1. zur URP im Verwaltungsverfahren: Art. 29 Abs. 3 BV garantiert die unentgeltliche Prozessführung, sofern ein Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Ein Begehren gilt als nicht aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind.

E. 2.2. zu den Meinungen der Parteien: Der Fahrlehrerberuf ist in der Fahrlehrerverordnung reguliert. Die Fahrlehrerbewilligung wird entzogen, wenn die Voraussetzungen von Art. 27 FV erfüllt sind. Die Vorinstanz erachtete die litterae a und b des vorgenannten Artikels wegen charakterlichen Mängeln als erfüllt an und entzog die Fahrlehrerbewilligung vorsorglich gestützt auf Art. 30 VZV (E. 2.2.1.). Der Beschwerdeführer ist allerdings der Meinung, dass es für den vorsorglichen Entzug der Fahrlehrerbewilligung keine gesetzliche Grundlage gäbe (E. 2.2.2.).

E. 2.3. zur summarischen Prüfung der Prozessaussichten: Der Entzug eines Berufsausübungsbewilligung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit. Vorsorgliche Massnahmen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Das BGer stimmt dem Beschwerdeführer zu, dass Art. 30 VZV nur den Entzug des Lernfahr- oder Führerausweises regelt, nicht aber ein Entzug der Fahrlehrerbewilligung. Art. 27 FV regelt den Entzug der Fahrlehrerbewilligung. Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, hat die Behörde im Rahmen der Untersuchungsmaxime abzuklären, wobei Art. 8 ZGB im Verwaltungsrecht analog angewendet wird. Die Vorinstanz äussert sich nicht über die Dringlichkeit und Verhältnismässigkeit einer vorsorglichen Massnahme. Nur weil Zweifel an der Eignung des Beschwerdeführers als Fahrlehrer bestehen, ist noch kein schwerer Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit gerechtfertigt.

Das Begehren ist insofern nicht aussichtslos. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die kantonalen Behörden versuchten Kosten zu sparen und haben nun Mehraufwand.