Mit etwas Verspätung widmen wir uns diesem Urteil, welches v.a. für die Gilde der Fahrlehrer/innen spannend ist. Es äussert sich zu den charakterlichen Anforderungen, die die Fahrlehrerverordnung für die Ausübung des Berufes voraussetzt.
Urteil 2C_373/2023: Ein Fahrlehrer auf Abwegen
Der Beschwerdeführer ist Fahrlehrer mit einem reichhaltigen SVG-Lebenslauf. Im Januar 2005 wurden ihm der Führerausweis und die Fahrlehrerbewilligung wegen charakterlichen Mängeln entzogen. Im September 2011 folgte die nächste Sicherungsmassnahme wegen verkehrspsychologischen und -medizinischen Zweifeln an der Fahreigung. Nach der Wiedererteilung seiner Fahrerlaubnis wurde diese erneut wegen der Missachtung einer Alkoholabstinenzauflage im März 2017 entzogen, die Fahrlehrerbewilligung im September 2017. Nachdem der Beschwerdeführer wieder fahrberechtigt war, wurde ihm im Juli 2018 die Anordnung einer verkehrspsychologischen Abklärung in Aussicht gestellt und die Fahrlehrerbewilligung wieder vorsorglich entzogen. Dieser Entzug wurde im Urteil 2C_171/2020 bestätigt.
Im September 2020 unterzog sich der Beschwerdeführer der verkehrspsychologischen Untersuchung, welche ein für ihn negatives Ergebnis ergab. Im Februar 2021 entzog das Strassenverkehrsamt dem Beschwerdeführer den Führerausweis, die Bewilligung für den berufsmässigen Personentransport und die Fahrlehrerbewilligung auf unbestimmte Zeit.
Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass das verkehrspsychologische Gutachten auf Grundlage von Art. 27 lit. b FV angeordnet wurde, also zur Prüfung, ob ihm die Fahrlehrerbewilligung dauerhaft entzogen werden muss. Das Gutachten äusserte sich aber auch generell zur Fahreignung i.S.v. Art. 15d SVG, weshalb schliesslich ein Sicherungsentzug nach Art. 16d SVG angeordnet wurde. Darin erblickt der Beschwerdeführer aber eine Verletzung von Bundesrecht, wenn es zunächst nur um seine Fahrlehrerbewilligung ging, aber schliesslich ihm die Fahreignung generell abgesprochen wurde.
Fahrlehrer benötigen eine Bewilligung (Art. 15 Abs. 3 SVG). Die Voraussetzungen dafür sind in Art. 5 FV festgehalten. Die Bewilligung wird in den Fällen von Art. 27 FV unbefristet entzogen, u.a. wenn der Fahrlehrer oder die Fahrlehrerin seine oder ihre Stellung schwer missbraucht hat oder wenn aus charakterlichen Gründen seine oder ihre Lehrtätigkeit den Schülern und Schülerinnen nicht mehr zugemutet werden kann. Dieser Entzugsgrund steht in engem Zusammenhang mit der charakterlichen Fahreignung, die generell für das Autofahren vorausgesetzt ist (Art. 14 Abs. 2 SVG). Fahrlehrer/innen haben gegenüber den lernenden Personen eine Vorbildfunktion und sie sind auf Lernfahrten an der Fahrzeugbedienung beteiligt. Die zuständige Behörde kann für eine Abklärung nach Art. 27 FV im Rahmen der Untersuchungspflicht ohne weiteres ein verkehrspsychologisches Gutachten anordnen (E. 3.4). Es müssen für die Anordnung aber ebenfalls gewissen Zweifel bestehen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Fahrlehrerbewilligung strengere gesetzliche Voraussetzungen zu beachten und höhere Anforderungen an die Fahreignung zu stellen sind, als dies bei normalen Automobilistinnen und Automobilisten der Fall ist (E. 3.5). Daraus folgt, dass die Schwelle für die Annahme von Zweifeln an der Fahreignung bei Fahrlehrer/innen aufgrund ihrer Vorbildfunktion tiefer liegt, als bei übrigen Verkehrsteilnehmern.
Es überrascht nicht, dass das Bundesgericht den Sicherungsentzug bestätigt. Die Anordnung stütz sich auf ein schlüssiges Gutachten und die Vorgeschichte des Beschwerdeführers macht deutlich, dass seine Fahreignung immer wieder zur Debatte stand. Die zuständige Behörde musste sich auch nicht explizit auf einen Grund in Art. 15d Abs. 1 lit. a – e SVG stützen. Die Liste ist nicht abschliessend.
Die Wirtschaftsfreiheit gemäss Art. 27 BV des Beschwerdeführers ist vorliegend ebenfalls nicht verletzt. Auch wenn ein Führerausweis-Entzug auf unbestimmte Zeit ein schwerwiegender Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit darstellt, so geht das erhebliche öffentliche Interesse an einem sicheren Strassenverkehr den privaten Interessen des Beschwerdeführers vor.
Bonus: Urteil 1C_157/2023: Lange Verfahrensdauer
Der Beschwerdeführer fuhr im Juli 2013 ausserorts 30 km/h zu schnell und beging damit eine grobe Verkehrsregelverletzung. Im Januar 2022 (vgl. Urteil 6B_884/2021) bestätigte das Bundesgericht die Verurteilung wegen Art. 90 Abs. 2 SVG, wobei im Strafverfahren festgestellt wurde, dass das Beschleunigungsgebot verletzt wurde. Dies wurde im Strafmass berücksicht.
Im Administrativmassnahmen-Verfahren wurde der Führerausweis für drei Monate entzogen. Der Beschwerdeführer stellt sich u.a. auf den Standpunkt, dass bei einer derart langen Verfahrensdauer von mehr als 10 Jahren auf eine Massnahme verzichtet werden muss, weil diese keine erzieherische Wirkung mehr habe.
Gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG darf die Mindestentzugsdauer von Warnmassnahmen nicht unterschritten werden. Vor der SVG-Revision vom 1. Januar 2005 war dies noch möglich (vgl. BGE 120 IB 504 E. 4). Grundsätzlich darf also die Mindestentzugsdauer nicht unterschritten werden, auch wenn das Beschleunigungsgebot verletzt wurde. Offen ist aber nach wie vor, ob bei krassen Verletzungen des Beschleunigungsgebots auf eine Massnahme verzichtet werden kann. In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts wurde noch kein solcher Fall angenommen (vgl. dazu ausführlich E. 4.1).
Der vorliegende Fall dauerte von der Widerhandlung bis zur Massnahme 10 Jahre und 7 Monate, was gemäss Bundesgericht bedenklich und klar zu lang ist. Allerdings schöpfte der Beschwerdeführer sowohl im Straf-, als auch im Administrativverfahren den gesamten Instanzenzug aus. Die Verfahrensverzögerung im Strafverfahren wurde im Strafmass berücksichtigt, das Administrativmassnahmen-Verfahren ging dann relativ zügig über die Bühne. Daraus schliesst das Bundesgericht, dass vorliegend die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Massnahme nicht erfüllt sind, insb. weil der Beschwerdeführer ein vermindertes Interesse an einem raschen Entscheid hatte, da er sein Fahrzeug weiterhin lenken durfte (E. 4.2-5).
Daraus folgt, dass wohl ein Verzicht auf eine Massnahme nur möglich ist, wenn auch das Administrativmassnahmen-Verfahren eklatant verzögert wird.