Landesverweis wegen Raserdelikt, Zuständigkeits-Streit und der Führerausweis-Entzug des Geschäftsführers

Hallo liebe SVG-Nerds und Geeks
Seit dem letzten Post sind schon wieder einige Wochen ins Land gegangen. Der erste Schnee ist da und wohl auch die ersten Verkehrsunfälle mit Sommerreifen. In dieser besinnlichen FiaZ- bzw. Weihnachts-Zeit wollen wir auf die Rechtsprechung mit SVG-Touch der letzten Wochen zurückblicken. Bieten die Urteile spannende Neuigkeiten oder Ausführungen zu einer interessanten Detailproblematik, gehen wir näher darauf ein. Dient ein Urteil eher dazu, bereits Bekanntes zu repetieren oder zur Aktualisierung von Fallsammlungen, folgt es am Ende des Beitrages als Bonus.


Urteil 6B_1164/2023: Landesverweis und Ausschreibung im Schengener Informationssystem nach Raserdelikt

Dieses Urteil befasst sich ausführlich mit der Frage, wann nach Raserdelikten ein fakultativer Landesverweis sowie die Ausschreibung desselben im Schengener Informationssystem möglich ist.

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Der Beschwerdeführer aus dem Kosovo wurde wegen qualifiziert grober Verkehrsregelverletzung verurteilt. Er wurde für sechs Jahre des Landes verwiesen und der Landesverweis im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschrieben.

Der Beschwerdeführer stellt sich zunächst auf den Standpunkt, dass „nur“ eine grobe Verkehrsregelverletzung vorläge. Sein Überholmanöver sei nicht krass gewesen. Bei diesem überholte er innerorts ein anderes Fahrzeug vor einem Bahnübergang mit mindestens 100 km/h. Beim anschliessenden Spurwechsel verlor der Beschwerdeführer die Kontrolle über sein Fahrzeug und kollidierte mit einer Mauer bei der Gegenfahrbahn. Das Fahrmanöver habe gemäss der Vorinstanz den Charakter eines Wettstreits gehabt. Damit ein Überholen waghalsig im Sinne von Art. 90 Abs. 3 SVG ist, muss es nicht nur gewagt, sondern unsinnig sein. Da der Beschwerdeführer sein Überholmanöver mit stark überhöhter Geschwindigkeit in einer Rechtskurve, bei einem Spurenabbau, bei beidseitigen Trottoirs sowie einer Busspur auf der Gegenfahrbahn durchführte und kein vernünftiges Motiv für diese Fahrweise erkennbar war, war das Überholmanöver unsinnig (E. 4.3).

Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen den Landesverweis. Zu Unrecht sei man von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an seiner Landesverweisung ausgegangen. Das Raserdelikt führt nicht zu einem obligatorischen Landesverweis. Begeht ein Ausländer ein Verbrechen kann er für 3-15 Jahre des Landes verwiesen werden (Art. 66abis StGB). Ein Landesverweis muss verhältnismässig sein. Dabei muss eine Interessensabwägung erfolgen zwischen den privaten Interessen der betroffenen Person am Verbleib in der Schweiz und dem öffentlichen Interesse an der Fernhaltung von Personen, die gegen die hiesige Gesetze verstossen. Ein Landesverweis muss den Voraussetzungen von Art. 8 Abs. 2 EMRK standhalten. Dabei sind die Art sowie Schwere der Straftat, die Dauer des Aufenthalts im Aufnahmestaat, die seit der Tat verstrichene Zeit sowie das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit und der Umfang der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen im Aufnahme- sowie im Heimatstaat zu berücksichtigen. Insb. mit der familiären Situation muss sich das urteilende Gericht vertieft auseinandersetzen. Ob ein Härtefall vorliegt ist anhand der Einzelfallumstände zu prüfen. Ein Härtefall liegt in der Regel vor, wenn eine Ausländerin hier geboren wurde und die Schule besucht hat. Grds. schützt Art. 8 EMRK die „Kernfamilie“, also Ehegatten mit minderjährigen Kindern (zum Ganzen ausführlich E. 7.2).

Der Beschwerdeführer kam mit vier Jahren in die Schweiz und ist gut integriert. Allerdings, obwohl er mit seiner Freundin verlobt ist, besteht keine „Kernfamilie“. Sie wohnen nicht gemeinsam und unterstützen sich auch nicht finanziell. Die politische Situation zwischen dem Kosovo und Serbien spricht nicht gegen den Landesverweis. Das Bundesgericht erblickt beim Beschwerdeführer zwar ein erhebliches Interesse an einem Verbleib in der Schweiz. Als unverheirateter, kinderloser und junger Mann ohne jegliche relevanten gesundheitlichen Einschränkungen befindet sich der Beschwerdeführer jedoch in einer Lebensphase, die mit einer hohen Anpassungsfähigkeit einhergeht. Da der Beschwerdeführer aber bereits mit einer Katalogtat gemäss Art. 66a StGB vorbestraft ist, überwiegt nach dem Raserdelikt das öffentliche Interesse am Landesverweis (E. 7.4). Die Dauer von sechs Jahren ist ebenfalls verhältnismässig (E. 8).

Der Beschwerdeführer bemängelt schliesslich, dass die Vorinstanz ausführe, er könne sich auch in einem anderen Land, als dem Kosovo um einen Aufenthaltstitel bemühen, aber gleichzeitig den Landesverweis im SIS ausschreibe. Damit werde ihm verunmöglicht, sich in einem Schengen-Staat niederzulassen. Die Voraussetzungen für die Ausschreibung richten sich nach Art. 24 der SIS-II-Verordung. Sie ist dann gerechtfertigt, wenn ein Drittstaatangehöriger eine Gefahr für den Schengen-Raum sein könnte. Das ist  insb. bei einem Drittstaatsangehörigen der Fall, der in einem Mitgliedstaat wegen einer Straftat verurteilt worden ist, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist. Da der Kosovo als Drittstaat gilt und es kein Freizügigkeitsabkommen zwischen dem Kosovo und der EU gibt, gilt der Beschwerdeführer als Angehöriger eines Drittstaates. Die Voraussetzungen für die Ausschreibung sind erfüllt.


Urteil 1C_691/2023: Die Einzelfallumstände nach Art. 16 Abs. 3 SVG

Dieses Urteil beantwortet u.a. die Frage, ob ein Geschäftsleitungsmitglied und Einzelunternehmer, der Kundenbesuche machen muss, beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.

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Der Beschwerdeführer überschritt ausserorts die Höchstgeschwindigkeit um 35km/h, wofür er wegen einfacher Verkehrsregelverletzung mit Busse bestraft wurde. Da die einfache Verkehrsregelverletzung, sowohl die leichte, als auch die mittelschwere Widerhandlung umfasst (E. 3.1.1), wurde der Beschwerdeführer mit einem Führerscheinentzug von zwei Monaten sanktioniert. Wegen der hohen Gefährdung erfolgte die Annahme einer mittelschweren Widerhandlung zu Recht (E. 3).

Der Beschwerdeführer moniert sodann, dass die Vorinstanz über das gesetzliche Minimum von einem Monat hinausgegangen ist und eine Massnahme von zwei Monaten anordnete. Das Bundesgericht bestätigt die Verhälntismässigkeit der Massnahme. So durfte die geschaffene Gefährdung massnahmeerhöhend berücksichtigt werden (E. 4.2.2). Der reine Leumund (seit 1973) wurde wiederum mildernd berücksicht (E. 4.2.3). Schliesslich äussert sich das Bundesgericht zur geltend gemachten beruflichen Massnahmeempfindlichkeit. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass er als Verwaltungsratspräsident und Geschäftsleitungsmitglied Kunden besuchen muss. Dabei sei er in der ganzen Schweiz mit Laptop, Beamer und Akten unterwegs. Mit der Vorinstanz verneint das Bundesgericht allerdings die berufliche Massnahmeempfindlichkeit. Der Beschwerdeführer könne sich auch dem guten ÖV in der Schweiz bedienen. Auch Taxifahrten oder betriebsinterne Fahrgemeinschaften könnten eine Lösung sein. Grundsätzlich ist es ja auch Sinn einer erzieherischen Massnahme, dass sie das Leben etwas mühseliger macht (E. 4.2.4).

Die Beschwerde wird abgewiesen.


Urteil 1C_223/2024: Zuständigkeit im Administrativverfahren

Kann man mit einem Wohnsitzwechsel einen Wechsel der Zuständigkeit im Administrativmassnahmen-Verfahren erzwingen und die Massnahme allenfalls sogar hinauszögern? Das perpetuierende Forum verhindert das!

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Wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung bzw. einer schweren Widerhandlung wurde gegen den Beschwerdeführer ein Administrativmassnahmen-Verfahren eröffnet. Da er zu diesem Zeitpunkt offiziell im Kt. GR wohnhaft war, erfolgte ein erster Schriftenverkehr über die Entzugsbehörde im Kt. GR. Das Administrativmassnahmenverfahren wurde sistiert. Nach Vorliegen des Strafentscheides überwies das StVA Kt. GR die Akten an das StVA ZH zur weiteren Bearbeitung. Es wurde eine Warnmassnahme von drei Monaten angeordnet. Der Beschwerdeführer rügt, dass das StVA ZH für die Massnahme nicht zuständig war.

Die Zuständigkeit im Administrativ-Verfahren ergibt sich aus Art. 22 SVG. Für den Entzug von Führerausweisen ist grds. die Entzugsbehörde des Wohnsitzkantons zuständig. Es gilt der zivilrechtliche Wohnsitzbegriff (E. 3.1). Der Wohnsitz einer Person befindet sich gemäss Art. 23 Abs. 1 ZGB an dem Ort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Für die Begründung des Wohnsitzes müssen nach der Rechtsprechung zwei Merkmale erfüllt sein: Ein objektives äusseres, der Aufenthalt, sowie ein subjektives inneres, die Absicht dauernden Verbleibens. Dabei kommt es nicht auf den inneren Willen, sondern darauf an, auf welche Absicht die erkennbaren Umstände objektiv schliessen lassen (E. 3.1). Wenn die betroffene Person während einem Administrativ-Verfahren ihren Wohnsitz wechselt, bleibt die Zuständigkeit bei der Behörde, die das Verfahren einleitete (sog. perpetuatio fori). Im Administrativmassnahmen-Verfahren erfolgt die Einleitung eines Verfahrens i.d.R. mit der Gewährung des rechtlichen Gehörs oder der Zustellung einer Verfügung. Auch eine Sistierung ändert an der Zuständigkeit nichts.

Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass er bei der Einleitung des Administrativmassnahmen-Verfahrens seinen offiziellen Wohnsitz im Kt. GR hatte und deshalb das StVA Zürich nie zuständig war. Bereits im Strafverfahren allerdings liess sich der Beschwerdeführer verfahrensbezogene Post an seine Adresse im Kanton Zürich schicken. Dies kann ein Indiz für die Wohnsitznahme im Kanton Zürich sein, zumal für den Zeitpunkt des Erwerbs eines neuen Wohnsitzes nicht allein auf die An- und Abmeldung im Einwohnerregister einer Gemeinde abzustellen ist. Es bestanden genügend objektive Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer bereits bei Einleitung des Administrativ-Verfahrens seinen zivilrechtlichen Wohnsitz im Kt. Zürich hatte. Deshalb war der Kt. GR gar nie zuständig und der Kt. ZH durfte verfügen. Die Beschwerde wird abgewiesen.


Bonus-Urteil 7B_275/2022: Fussgänger beim Rückwärtsfahren touchiert

Wer bei einem Parkplatz rückwärts fährt und dabei einen Fussgänger touchiert und verletzt, verstösst gegen Art. 36 Abs. 4 SVG und Art. 17 Abs. 1 VRV. Rückwärtsfahrende trifft eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers gelten diese Regeln nicht nur zwischen Autofahrern, sondern zwischen allen „Strassenbenützern“, also auch gegenüber Fussgängern.

Zuständigkeitsprobleme

BGE 6B_1304/2018: Wenn die falsche Staatsanwältin arbeitet (gutgh. Beschwerde)

Der Beschwerdeführer wurde im Kt. AG von einer Assistenzstaatsanwältin wegen Telefonieren am Steuer (Übertretung) und Fahren ohne Berechtigung (Vergehen) mit Strafbefehl bestraft. Der Beschwerdeführer rügt, dass der Strafbefehl nichtig sei.

E. 1.4ff. zur Zuständigkeit: Die Strafrechtspflege steht einzig den vom Gesetz bestimmten Behörden zu. Zudem sind Strafverfahren an die gesetzlichen Formen gebunden (Art. 2 StPO). Zu den Strafverfolgungsbehörden gehören Polizei, Staatsanwaltschaft und die Übertretungsstrafbehörden (Art. 12 StPO). In der Organisation sind Bund und Kantone frei (Art. 14 StPO).

Gemäss §8 Abs. 2 EG StPO führen Assistenzstaatsanwälte Übertretungsstrafverfahren durch, nicht aber Vergehensstrafverfahren. Beim Fahren ohne Berechtigung handelt es sich aber um einen Vergehenstatbestand. Der Strafbefehl war ungültig und konnte auch nicht durch eine von einem Staatsanwalt unterzeichnete Überweisungsverfügung geheilt werden. Die erste Gerichtsinstanz hätte gemäss Art. 356 Abs. 5 StPO die Sache an die STA zurückweisen müssen (E. 1.5.).

Zuständigkeitsvorschriften schützen den Bürger vor dem Übergriff unzuständiger Behörden. Sie sind deshalb zwingend. Eine Strafbehörde prüft ihre Zuständigkeit vor Eintreten auch von Amtes wegen. Es stellt sich i.c. die Frage, ob der Strafbefehl nichtig war. Angesichts des Grundsatzes der Gültigkeit von Verfahrenshandlungen gelten nur krass fehlerhafte Verfahrenshandlungen als nichtig. Nichtigkeit nach der Evidenztheorie wird in der zu beurteilenden Konstellation nicht anzunehmen sein. Nach Ansicht des Bundesgerichts war der Strafbefehl also nicht nichtig, sondern „nur“ (teil-)ungültig (vgl. Art. 356 Abs. 5 StPO; E. 1.6.-7.).

Scheint so, als quälten den Staat die gleichen Probleme wie die Privatwirtschaft. Immer fragt man sich, wer für was zuständig ist. Der Kt. AG ist hier nicht der einzige. Auch im Kt. SG hatten sich die Strafbehörden schon mit Zuständigkeitsfragen herumzuschlagen (vgl. KGE SG vom 29.11.2017).

Anordnung Blutprobe, Mitteilungen zw. Behörden

BGE 6B_942/2016: Zuständigkeit Anordnung Blutprobe (Bestätigung Rechtsprechung, teilw. Gutgeheissene Beschwerde)

Der Beschwerdeführer wurde bei einer Polizeikontrolle einem Drogenschnelltest unterzogen, welcher ein positives Ergebnis auf Cannabiskonsum ergab. Die Blutprobe ergab aber keinen THC-Wert, sondern nur Stoffwechsel-Abbauprodukte. Bzgl. Vorwurf des FuD gab es eine Einstellung, der Cannabiskonsum wurde mit Strafbefehl gesühnt. Gegen die Kostenfolge der Einstellungsverfügung wehrt sich der Beschwerdeführer bzgl. Entschädigungen, Beweismittelverwertbarkeit und die Mitteilung der Einstellung an das Strassenverkehrsamt und die Polizei.

E. 3.2. zum Schadenersatz wegen der vorläufigen Abnahme: „Das Bundesgericht hat bereits festgehalten, dass die Regelung von Art. 54 Abs. 3 SVG zum Polizeirecht gehört, weshalb die Bestimmungen der Strafprozessordnung keine Anwendung finden. Allfällige Entschädigungsansprüche (einschliesslich Anwaltskosten), die im Zusammenhang mit der Abnahme des Führerausweises stehen, sind daher im kantonalen Verwaltungsverfahren geltend zu machen (Urteil 6B_178/2015 vom 26. August 2015 E. 2 und 3.3 mit Hinweisen).“

E. 5.2. zur Rechtmässigkeit der Blutprobe: „Bei der Blutentnahme handelt es sich um eine Zwangsmassnahme, welche selbst dann von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden muss, wenn der Betroffene in diese einwilligt. Für eine kantonale Bestimmung, welche die Zuständigkeit für die Anordnung einer Blutprobe unter bestimmten Bedingungen der Polizei überträgt, besteht kein Raum (Urteil 6B_1000/2016 vom 4. April 2017 E. 2.3.1 und 2.3.2 mit Hinweisen).“ „Die Blutprobe wurde ohne Zutun der Staatsanwaltschaft von der Polizei angeordnet (Akten Staatsanwaltschaft, act. A4). Es handelt sich somit um eine rechtswidrige Zwangsmassnahme im Sinne von Art. 431 Abs. 1 StPO. Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet…“

E. 6.2. zur Übermittlung der Einstellungsverfügung u.a. an das StVA: „Nach Art. 73 Abs. 1 StPO sind die Mitglieder von Strafbehörden verpflichtet, Stillschweigen hinsichtlich Tatsachen zu bewahren, die ihnen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit zur Kenntnis gelangt sind. Art. 75 Abs. 4 StPO bestimmt, dass Bund und Kantone die Strafbehörden zu Mitteilungen an Behörden verpflichten oder berechtigen können.“ „Nach Art. 104 Abs. 1 SVG müssen die Polizei- und Strafbehörden der zuständigen Behörde alle Widerhandlungen melden, die eine im Strassenverkehrsgesetz vorgesehene Massnahme nach sich ziehen könnten.“ „Die Einstellungsverfügung wurde erlassen, weil der Beschwerdeführer 1 nicht im fahrunfähigen Zustand gefahren war. Somit liegt gerade keine Widerhandlung vor, welche dem Strassenverkehrsamt zu melden wäre. Auch ist nicht erkennbar, inwiefern die zur Diskussion stehende Einstellungsverfügung eine Administrativmassnahme nach sich ziehen könnte. Für die Mitteilung an das Strassenverkehrsamt besteht somit keine gesetzliche Grundlage.“

Zuständigkeit zur Anordnung einer Blutprobe

BGE 6B_996/2016: Anordnung der Alkoholblutprobe (teilw. Gutgeheissene Beschwerde)

Der Beschwerdeführer beschädigt beim Verlassen des Parkfeldes ein anderes Auto, fährt „wegen Harndrang“ nach Hause, trinkt dort zwei Gläser Wein und begibt sich nach einem Telefonat durch die Polizei wieder zur Unfallstelle. Diese stellt Alkoholgeruch fest und ordnet eine Blutprobe an.

Das BGer bestätigt den Schuldspruch wegen Nichtbeherrschen (SVG 31 I i.V.m. 90 I), wegen pflichtwidrigem Verhalten (SVG 51 III i.V.m. 92 I) und Vereitelung (SVG 91a I). Die Beschwerde wird allerdings in Bezug auf das FiaZ-Delikt gutgeheissen, da die nicht die Polizei, sondern die Staatsanwaltschaft die Blutprobe hätte anordnen müssen:

E. 3.4: „NIKLAUS SCHMID führt dazu aus, zur im Prinzip schriftlichen (Art. 241 Abs. 1 StPO) Anordnung von Blutproben sei im SVG-Bereich nicht die Polizei, sondern nur die Staatsanwaltschaft oder allenfalls das Gericht zuständig (Urteil 6B_532/2016 vom 15. Dezember 2016 E. 1.4.1). Mit der ersatzlosen Streichung von Art. 55 Abs. 5 SVG könnten die Kantone die Anordnungskompetenz nicht mehr der Polizei zuweisen.“

E. 3.5: „In casu liegt eine schriftliche Anordnung der Polizei in den Akten. Ob die Luzerner Polizei die Blutentnahme rechtmässig anordnete, ist durchaus zweifelhaft (vgl. Art. 198 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 241 Abs. 1 StPO), lässt sich aber weder aufgrund der erst- und vorinstanzlichen Urteile noch der Akten mit Sicherheit entscheiden. Insbesondere scheint keine nachträgliche schriftliche Bestätigung der Staatsanwaltschaft vorzuliegen (Art. 241 Abs. 1 Satz 2 StPO). Von einer Anordnungskompetenz bei „Gefahr im Verzug“ (im Sinne des in casu nicht anwendbaren Art. 241 Abs. 3 StPO) wird ohnehin nicht ausgegangen werden können.“