Urteil 1C_739/2021: Charakterliche Probleme
Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen einen Führerausweis-Entzug für immer gemäss Art. 16d Abs. 3 lit. a SVG, wobei ihm die zuständige Behörde Unverbesserlichkeit vorwirft. Der Beschwerdeführer kann dabei auf eine bewegte SVG-Geschichte zurückblicken. Bereits im September 2010 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer ein Entzug für immer angeordnet gemäss Art. 16b Abs. 2 lif. f SVG. Diese Massnahme wurde im Oktober 2016 aufgrund eines positiven verkehrspsychologischen Gutachtens aufgehoben, wobei sich dieses dahingehend äusserte, dass bei einer neuen schweren Widerhandlung von einem Rückfall auszugehen und damit die charakterliche Fahreignung wieder negativ zu bewerten sei.
Neben einer leichten Widerhandlung überschritt der Beschwerdeführer im September 2020 – also rund vier Jahre nach der Wiederzulassung zum Strassenverkehr – die Geschwindigkeit innerorts um 33 km/h und beging damit eine schwere Widerhandlung. Bezugnehmend auf das Gutachten schloss die zuständige Behörde auf eine Unverbesserlichkeit des Beschwerdeführers und entzog ihm die Fahrerlaubnis (nach einem vorsorglichen Entzug) für immer gemäss Art. 16d Abs. 3 lit. a SVG.
Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass er nicht einfach so als unverbesserlich taxiert werden darf. Dazu sei mindestens ein aktuelles verkehrspsychologisches Gutachten nötig. Die zuständige Behörde habe ihr Ermessen unterschritten, indem sie ein solches nicht einholte. Die Vorinstanz begründete den Entzug nach Art. 16d Abs. 3 lit. a SVG damit, dass dieser als ultima ratio angeordnet werden muss, wenn eine Person bereits die letzte Stufe des Kaskadensystems erreicht hat. Für die Anordnung sei auch kein zusätzliches Gutachten notwendig. Nur wenn zwischen dem letzten Entzug für immer und der neuen Widerhandlung mehr als fünf Jahre vergangen wären, hätte ein neues Gutachten angeordnet werden müssen (E. 4.1. f.)
Gemäss Art. 16d Abs. 3 lit. a SVG wird unverbesserlichen Personen der Führerausweis für immer entzogen. Das bedeutet allerdings keinen Entzug auf Lebenszeit, sondern dass die Fahrerlaubnis wiedererteilt werden kann, wenn nach fünf Jahren der Wegfall des Fahreignungsmangels bewiesen wird (Art. 23 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 17 Abs. 4 SVG). Der Sicherungsentzug für immer ist eine der einschneidensten Massnahmen im SVG, greift tief in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person ein und dient offensichtlich dazu, übrige Verkehrsteilnehmer von unverbesserlichen Personen zu schützen. Es handelt sich um eine qualifizierte Version des Sicherungsentzuges nach Art. 16d Abs. 1 lit. c SVG und darf nur in ganz offensichtlichen Fällen ohne Gutachten angeordnet werden, z.B. wenn eine Person sagt, dass sie auch in Zukunft gegen das SVG verstossen will oder aufgrund ihres Verhaltens über einen längeren Zeitraum hinweg ihren Willen zur Verletzung der Verkehrsregeln manifestiert hat. Die Massnahme knüpft an die fehlende charakterliche Fahreignung und nicht an etwaige Vortaten. Ihr kommt insofern im systematischen Gefüge der Sicherungsmassnahmen als Auffangstatbestand eigenständige Bedeutung zu und sie ist demnach auch nicht von Art. 16b Abs. 2 lit. f oder Art. 16c Abs. 2 lit. e SVG abhängig (E. 4.3).
Da der Beschwerdeführer dreieinhalb Jahre nach der Wiederzulassung zum Strassenverkehr zunächst eine Verwarnung erhielt, sich aber durch diese nicht beeindrucken liess und wenige Monate später sogleich wieder eine schwere Widerhandlung beging, durfte ohne weiteres von einer Unverbesserlichkeit ausgegangen werden, denn auch nach dem Kaskadensystem hätte der Beschwerdeführer mit seiner schweren Widerhandlung die letzte Stufe gemäss Art. 16c Abs. 2 lit. e SVG erreicht. Letztlich ist die Anordnung dieser Massnahme auch nicht unverhältnismässig. Auch wenn der Beschwerdeführer seine Arbeitsstelle verlieren könnte, der Kontakt zu seiner Tochter und seinem Bruder eingeschränkt wird, ist die Massnahme doch erforderlich, d.h. geeignet und zumutbar, um übrige Verkehrsteilnehmer zu schützen.
Die Beschwerde wird abgewiesen.