Trunksucht

Urteil 1C_131/2022: Alkoholproblematik ausserhalb des Strassenverkehrs

Aufgrund einer Meldung der Polizei wurde gegenüber dem Beschwerdeführer eine verkehrsmedizinische Untersuchung angeordnet. Grund für die Meldung war, dass die Polizei wiederholt wegen häuslicher Gewalt ausrücken mussten, wobei der Beschwerdeführer und seine Gattin stets stark alkoholisiert angetroffen wurden. Die Untersuchung kam zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer eine Alkoholproblematik vorliegt und deshalb die Fahreignung verneint werden muss. Sein Führerausweis wurde auf unbestimmte Zeit entzogen.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG und stellt sich auf den Standpunkt, dass er zwischen Alkoholkonsum und Autofahren trennen können. Zudem stellt er sich auf den Standpunkt, dass die bei der Untersuchung durchgeführte Haaranalyse (EtG-Wert von über 100pg/mg) ungenau sei, weil er sich aus „ökologischer Überzeugung“ äusserst selten die Haare wasche.

Wenn jemand an einer Sucht leidet, ist diese Person nicht fahrgeeignet und die Fahrerlaubnis muss entzogen werden (Art. 14 i.V.m. Art. 16d SVG). Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Trunksucht vor, wenn jemand soviel Alkohol trinkt, dass er oder sie nicht mehr zwischen Trinkgenuss und Teilnahme am Strassenverkehr trennen kann bzw. dass die naheliegende Gefahr besteht, dass die Person sich in fahrunfähigem Zustand ans Steuer setzt. Eine eigentliche Fahrt unter Alkoholeinfluss ist für einen Führerausweis-Entzug nicht vorausgesetzt. Da ein Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit ein schwerwiegender Eingriff in den Persönlichkeitsbereich darstellt, muss jeder Einzelfall sorgfältig abgeklärt werden, wobei nur eine Haaranalyse noch nicht ausreicht für die Annahme fehlender Fahreignung. Für die Abklärung drängen sich auf (E. 4.3):

– Haaranalyse
– Prüfung der persönlichen Verhältnisse
– Aufarbeitung allfälliger Trunkenheitsfahrten
– Alkoholanamnese
– umfassende medizinische körperliche Untersuchung.

Im vorliegenden Fall ergab die Haaranalyse des Beschwerdeführers einen Wert von über 100pg/mg, was für einen starken und chronischen Alkoholkonsum spricht. Zudem zeugen die aktenkundigen Vorfälle (häusliche Gewalt etc.) von einen Kontrollverlust. Der Beschwerdeführer gab auch an, dass er sich mit zwei Promille nicht betrunken fühle, was für eine hohe Giftfestigkeit spricht. Auch physisch zeigte der Alkoholkonsum Wirkung (erhöhte MCV-Werte) und es gab bereits Warnmassnahmen wegen Fahren in angetrunkenem Zustand.

Alles in allem wurde dieser Fall sorgfältig abgeklärt und das Gutachten ist deshalb auch nicht widersprüchlich. Insofern durften die Behörden davon ausgehen, dass eine deutlich erhöhte Gefahr besteht, dass sich der Beschwerdeführer in fahrunfähigem Zustand an ein Steuer setzen könnte.

Ein Gedanke zu „Trunksucht“

  1. Danke für dieses interessante Urteil. Mich stört das Wort „könnte“ am Ende des Artikels. So ist es eine Vermutung (Glaube), die durch das Gericht zur vermeintlichen Realität (Tatsache) erklärt wird. Das darf in einem Rechtstaat einfach nicht sein.

    Eine Vermutung ist (fast) nie real und ein Glaube, keine Tatsache.

    Ansonsten dürfte, nein müsste man eine halbjährlich Haarprobe von allen Verkehrsteilnehmern und insbesondere von allen in Legislative, Exekutive und Judikative Entscheidenden fordern.

    Die Kosten hätte der Staat zu tragen im Sinne der Gleichbehandlung und Sorge um die Vehrkehrssicherheit.

    Ich bin mir unschlüssig, ob eine solche Initiative insbesondere in Betracht einer Teillegalisierung von Cannabis, nicht durchaus erfolgreich sein könnte.

    Die Beweisslast wird umgekehrt und die Hebel ungleich verlängert. Insbesondere ist auch die Nichtharmonisierung europaweit zu bemängeln. Niemand weiss mehr was wo, warum, für wen gilt oder eben nicht.

    Eine Volksinitiative, welche zumindest alle von der Eiggenossenschaft, den Kantonen und Gemeinden angestellten ArbeitnehmerInnen und deren Vorgesetzen bis auf Bundesebene zu einer halb- oder jährlichen Kontrolle (per Haaranalyse) verpflichtet, ist tatsächlich in Arbeit und wird noch 2023/2024 aufgelegt.

    Getreu dem Motto „Wer nichts bla bla, hat auch nichts zu befürchten.“

    Herzlichen Dank für den Blog!

Schreibe einen Kommentar zu Abstinent Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert