Arbeitgeber aufgepasst! Die Pflichten beim Überlassen eines Fahrzeugs…

Urteil 6B_819/2023: Vorsicht bei ausländischen Fahrberechtigungen mit Ablaufdatum

Mit etwas Verspätung widmen wir uns diesem französischen und zur Publikation vorgesehenen Urteil, in welchem sich das Bundesgericht ausgiebig mit den Pflichten auseinandersetzt, die Arbeitgeber, Flottenverantwortliche, aber auch alle anderen treffen, wenn sie einer Person ein Auto überlassen. Es ist ein wichtiger Entscheid, weil er besonders für Arbeitgeber relativ streng ist.

Streng? Unser Bundesgericht? Nicht doch…

Der Beschwerdeführer wurde mit Geldstrafe von 10 Tagessätzen bestraft, weil er einem Arbeitnehmer ein Auto zur Verfügung stellte, obwohl dieser nicht fahrberechtigt war. Als er diesen im Juli 2019 anstellte, kontrollierte er in branchenüblicher Weise dessen spanische Fahrerlaubnis. Die neu angestellte Person äusserte sich nicht weiter dazu und der Beschwerdeführer übersah, dass spanische Führerausweise ein Ablaufdatum haben. Im Januar 2021 wurde der Arbeitnehmer von der Polizei kontrolliert. Diese stellte fest, dass der spanische Führerausweis im Dezember 2020 abgelaufen ist.

Die Bestrafung erfolgte gemäss Art. 95 Abs. 1 lit. e SVG. Strafbar macht sich, wer ein Motorfahrzeug einem Führer überlässt, von dem er weiss oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen kann, dass er den erforderlichen Ausweis nicht hat. Das Bundesgericht befasst sich zunächst mit dem Begriff des «Überlassens», weil dieser gemäss der Lehre nicht überall gleich verstanden wird.

Der Begriff des Überlassens (E. 3.1)

Überlassen enthält gemäss Bundesgericht ein «aktives Element». Meistens erfolgt das Überlassen durch das Übergeben eines Fahrzeugschlüssels, einem Badge oder ähnlichem. Das Überlassen setzt aber zusätzlich auch das Einverständnis des Überlassenden voraus, dass die fahrzeugführende Person dieses auch fahren darf bzw. berechtigterweise über das Fahrzeug verfügt. Meistens impliziert die Übergabe eines Fahrzeugschlüssels dieses Einverständnis. Es kann aber auch Konstellationen geben, wo man den Schlüssel nur gibt, um etwa die Einkäufe aus dem Auto zu holen. Schliesslich fällt die Übergabe eines Autos wegen Kauf oder Leasing nicht unter den Tatbestand. Ebenfalls eher nicht unter den Begriff des Überlassens fällt es, wenn ein Vater seinen Autoschlüssel zuhause nicht versteckt, obwohl er weiss, dass der Führerausweis des Sohnes entzogen ist. Im beruflichen Umfeld wäre das sowieso nicht umsetzbar, wenn z.B. alle Fahrzeugschlüssel des Fuhrparks an einem «Schlüsselbrett» hängen und nur ein Mitarbeiter nicht fahrberechtigt ist. Der Chef kann dann nicht alle Schlüssel verstecken.

Was gibt es für Konstellationen? (E. 3.2)

Festzustellen, ob eine Person fahrberechtigt ist, stellt in der Praxis in aller keine Schwierigkeit dar. Man lässt sich den Ausweis zeigen und gut ist. Vorbildlich beschäftigt sich das Bundesgericht mit einer Vielzahl an weiteren Fall-Konstellationen und eruiert, ob diese für das Überlassen massgeblich sind, oder nicht.

Nicht massgeblich ist, ob

  • die an sich fahrberechtigte Person den Führerausweis dabei hat. Das ist lediglich eine Ordnungsbusse von CHF 20 (Bussenliste Ziff. 1.100.1).
  • sich die fahrberechtigte Person an Beschränkungen gemäss Art. 34 VZV oder eine Brillenauflage hält.
  • der Führerausweis auf Probe abgelaufen ist (mit Verweis auf Art. 95 Abs. 2 SVG), da die Betroffene Person grds. fahren kann und die Erteilung des definitiven Ausweises von einer Formalität abhängt.

Massgeblich ist hingegen, ob

  • der Führerausweis entzogen wurde.
  • der Führerausweis auf Probe annulliert wurde, da dies mit einem Führerausweis-Entzug vergleichbar ist.

Offen bleibt, ob

  • Der Überlassende prüfen muss, ob die fahrberechtigte Person nur ein Auto mit spezieller Ausstattung fahren darf.

Berechtigung vs. Kontrolle der Berechtigung (E. 3.3)

Im Folgenden befasst sich das Bundesgericht eingehend damit, dass man unterscheiden muss zwischen der Berechtigung zum Autofahren und der Kontrolle, ob diese Berechtigung vorliegt oder entzogen ist. Um es kurz zu halten, die Polizei kann bei Schweizer Ausweisen sofort nachschauen, ob die Fahrberechtigung besteht (im sog. FABER). Beim Inhaber einer ausländischen Fahrberechtigung geht das wiederum nicht. Wenn eine Person aus dem Ausland keinen Führerausweis vorweisen kann, so ist das kein Fall von Nicht Mitführen des Führerausweises, sondern die Person gilt als nicht fahrberechtigt.

Was ist konkret zu tun? (E. 3.5)

Der Tatbestand kann auch fahrlässig erfüllt werden. Das Bundesgericht befasst sich folglich damit, wie weit die überlassende Person bzw. ein Arbeitgeber die Fahrberechtigung kontrollieren muss. Grundsätzlich muss sich die überlassende Person vergewissern, dass die berechtigte Person einen gültigen Ausweis hat.

Grundregel: Ausweis zeigen lassen!

Wie eingehend die Kontrolle sein muss, ist abhängig davon, in welcher Beziehung man zur betroffenen Person steht (Familie, Kollegen, Arbeitnehmer, Car-Sharing usw.). Im beruflichen Rahmen kann man das in etwa so zusammenfassen:

  • Bei einer Neuanstellung muss man sich das Ausweisdokument vorzeigen lassen.
  • Bei gelegentlichen Fahrten reicht nach längerer Anstellung auch ein mündliches Nachfragen aus.
  • Bei Berufsfahrern wiederum, muss der Flottenchef nicht jeden Tag neu nachfragen. Er darf darauf vertrauen, dass die Arbeitnehmer sich melden, wenn sie einen Führerausweis-Entzug haben.

Im vorliegenden Fall…

…geht es um ein KMU, bei welchem Berufsfahrer täglich unterwegs sind. Es herrscht ein Klima des Vertrauens im Geschäft. Grds. muss also nicht jeden Tag nachgefragt werden, ob jemand nicht mehr fahrberechtigt ist.

Nun kommt das grosse ABER: Vorliegend wurde dem Arbeitgeber eine ausländische Fahrberechtigung mit einem Ablaufdatum vorgelegt bei der Neuanstellung. Auch wenn sich der Beschwerdeführer darauf beruft, dass es in der Schweiz so etwas (zumindest beim definitiven Führerausweis) nicht gibt, hätte er erkennen müssen, dass er seinen Arbeitnehmer (oder allenfalls die ausländische Behörde) darauf hätte ansprechen müssen, ob die Fahrberechtigung rechtzeitig erneuert wurde.

Fazit nach langem Übersetzen: Arbeitnehmer müssen insb. bei ausländischen Führerausweisen auch das Ablaufdatum beachten und sich am besten einen Outlook-Termin machen, damit man das Nachhaken nicht vergisst.

Bonus-Urteile im Kurzformat

Urteil 1C_321/2025: Die verwirrte Prüfungsfahrt

Nach einer Fahrprüfung meldete sich der Verkehrsexperte bei der Entzugsbehörde, weil der Betroffene während der Prüfung Monologe führte, verwirrt wirkte, von sich in dritter Person sprach und sich nicht auf den Verkehr konzentrieren konnte. Nach Rücksprache mit dem IRM Zürich wurde vom Betroffenen zunächst ein Arztzeugnis eingefordert, welches sich zu seiner Fahreignung äussern sollte. Nachdem er dieses nicht einreichte, wurde eine verkehrsmedizinische Abklärung angeordnet. Das Bundesgericht schützt die Anordnung. Es stellt fest, dass zur Sachverhaltsabklärung mit dem Einfordern eines Arztzeugnis zunächst ein milderes Mittel gewählt wurde. Schliesslich durfte aber anhand der Einzelfallumstände generell an der Fahreignung des Betroffenen gezweifelt werden.

Urteil 7B_784/2023: Die Eisplatte auf dem LKW

Wer die Plane seines LKW oder eines Anhängers im Winter ungenügend von Schnee und Eis befreit, sodass auf der Autobahn eine Eisplatte auf nachfolgende Fahrzeuge fällt, macht sich des Führens eines nicht vorschriftsgemässen Fahrzeugs gemäss Art. 93 Abs. 2 lit. a SVG strafbar.

Urteil 6B_639/2025: Wer bremst, hat Angst

Und ebenfalls wegen Art. 93 Abs. 2 lit. a SVG macht sich strafbar, wer ein Auto lenkt, dessen Handbremse nicht richtig funktioniert und dessen Leistung ohne Nachprüfung gesteigert wurde. Art. 93 Abs. 2 lit. a SVG ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Es ist unerheblich, ob jemand tatsächlich gefährdet wurde oder nicht.

Unsachgemäss gekoppelter Anhänger gibt Führerausweis-Entzug

Urteil 1C_610/2022: Die Krux mit dem Sicherungsseil

Dieses Urteil befasst sich mit der Gefahr, die von einem unsachgemäss montierten Anhänger-Sicherungsseil ausgeht und welche Massnahme in diesem Fall droht.

Der Beschwerdeführer wehrt sich in diesem Fall gegen die Annahme einer mittelschweren Widerhandlung bzw. einen viermonatigen Entzug des Führerausweises. Er fuhr mit einem Personenwagen mit einem Anhänger an eine Kreuzung, an welcher er verkehrsbedingt anhalten musste. Als er wieder losfuhr, riss die ganze Kupplungsvorrichtung vom Zugfahrzeug. Der Anhänger rollte danach über ein Trottoir und kam in einer Hauswand zum Stillstand. Im Strafverfahren wurde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer den Anhänger korrekt angekuppelt hatte, weshalb ihm diesbzgl. kein Vorwurf gemacht wurde. Vorgeworfen wurde ihm aber, dass er das Sicherungsseil des Anhängers nur um die Kupplung legte und nicht vorschriftsgemäss am Zugfahrzeug befestigte. Der Beschwerdeführer war aber der Meinung, dass er gar kein Sicherungsseil benötigte, weil sein Anhänger über eine Auflaufbremse verfügte und der Anhänger über 1.5 Tonnen wog. Der Streit dreht sich also darum, ob das Sicherungsseil des Anhängers korrekt angebracht bzw. überhaupt nötig war.

In den Verkehr gebrachte Fahrzeuge müssen betriebssicher sein (Art. 29 SVG). Anhänger dürfen nur verwendet werden, wenn u.a. die Anhängevorrichtung betriebssicher ist (Art. 30 Abs. 3 SVG). Vor der Wegfahrt muss man prüfen, ob ein Anhänger zuverlässig angekuppelt ist (Art. 70 Abs. 1 VRV). In der VTS wiederum ist in Art. 189 geregelt, welche Anforderungen an Anhänger gestellt werden. Löst sich ein Anhänger unbeabsichtigt vom Zugfahrzeug, muss die Bremse selbstständig wirken. Davon ausgenommen sind Anhänger unter 1.5 Tonnen (Abs. 4). Solche Anhänger müssen aber mit einer Sicherheitsverbindung zum Zugfahrzeug gesichert werden (Abs. 5).

Der Anhänger des Beschwerdeführers war zwar über 1.5 Tonnen schwer, hatte aber nur eine Auflaufbremse. Diese wirkt nur im Zusammenhang mit einem Bremsmanöver des Zugfahrzeuges. Abgekoppelt wirkt sie nicht. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz sowie einem Merkblatt des TCS zum korrekten Kuppeln von Anhängern stellt das Bundesgericht fest, dass ein Anhänger mit Auflaufbremse stets mit einem Sicherungsseil direkt mit dem Zugfahrzeug verbunden werden muss. Nur so kann verhindert werden, dass ein während der Fahrt abgekoppelter Anhänger unkontrolliert weiterrollt (E. 4.).

Der Beschwerdeführer war sodann der Ansicht, dass das falsche Anbringen des Sicherungsseils eine besonders leichte eventualiter eine leichte Widerhandlung sei. Er begründet dies damit, dass er höchstens im Schritttempo gefahren sei, dass sich das falsche Anbringen des Sicherungsseils in keinster Weise auf den Unfall auswirkte und dass seine ganze Anhängerkupplung schon nach einigen Metern nach dem Verlassen des Privatgrundstücks komplett weggebrochen sei. Dem widerspricht das Bundesgericht. Das unkorrekte Anbringen eines Sicherungsseils birgt in sich bereits eine erhöht abstrakte Gefährdung z.B. für Fussgänger oder Velofahrer. Das Mass der geschaffenen Gefährdung hängt dabei nicht von der Länge der Fahrtstrecke ab, auch wenn die Gefährdung tendenziell zunimmt, je länger man mit unkorrekt angebrachten Sicherungsseil fährt. Vorliegend ging die Vorinstanz zu Recht von einer erhöhten Gefahr gemäss Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG aus.

Fazit: Lieber einmal mehr bücken und das Sicherungsseil korrekt am Zugfahrzeug befestigen.

Kontrolle des LKW vor der Fahrt

Urteil 6B_225/2022: Kaputte Bremsscheiben

Dieser Entscheid ist v.a. interessant für Berufsfahrer, denn er befasst sich mit der Frage, wie genau ein LKW bzw. die Bremsen vor der Fahrt auf allfällige Mängel geprüft werden müssen.

Der Beschwerdegegner geriet mit einem Sattelmotorfahrzeug in eine Verkehrskontrolle, in welcher festgestellt wurde, dass die Bremsscheiben der zweiten und dritten Hinterachse des Sattelanhängers eingerissen waren, dass Teile des Reibrings ausgebrochen waren und dass Stossdämpfer mangelhaft befestigt gewesen sind. Zudem gab es Rostspuren. Im Berufungsverfahren wurde der Beschwerdegegner freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft Kt. UR gelangt mit Beschwerde an das Bundesgericht.

Fahrzeuge dürfen gemäss Art. 29 SVG nur in betriebssicherem Zustand in den Verkehr gebracht werden (E. 2.1). Art. 57 Abs. 1 VRV verpflichtet die die fahrzeugführenden Personen, dass sich diese vor der Fahrt zu vergewissern haben, dass Fahrzeug und Ladung in vorschriftsgemässem Zustand befinden. Art. 70 Abs. 1 VRV konkretisiert diese Prüfungspflicht für Anhänger. So muss vor dem Wegfahren u.a. geprüft werden, ob ein Anhänger zuverlässig angekuppelt ist, Bremsen und Beleuchtung einwandfrei wirken (E. 3.1).

Die Staatsanwaltschaft war der Meinung, dass diese Mängel dem Beschwerdegegner bei pflichtgemässer Prüfung des Sattelanhängers hätten auffallen müssen. Die Vorinstanz und auch das Bundesgericht teilen diese Meinung allerdings nicht. Nach einem Teil der Lehre müssen Bremsen v.a. nach einer Reparatur oder einem Waschgang aktiv geprüft werden, also nach einem besonderen Anlass. Die Vorinstanz stützt sich bei ihrer Begründung auf ein Urteil des OLG Düsseldorf. Die Kontrollpflichten werden überspannt, wenn von LKW-Fahrern erwartet wird, dass diese vor jeder Fahrt sämtliche Bremsscheiben mittels Sichtkontrolle durch die Felgen prüfen, sofern nicht ausnahmsweise ein besonderer Anlass dafür besteht. Das sieht auch das Bundesgericht so. Die Funktionsfähigkeit der Bremsen ist für die Verkehrssicherheit enorm wichtig. Dennoch reicht für die Funktionskontrolle eine kurze Bremsprobe vor Abfahrt. Ohne besonderen Anlass muss keine Sichtkontrolle durchgeführt werden. Es fehlt dazu auch eine Norm, die LKW-Fahrer explizit dazu verpflichten würde.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird abgewiesen.