Psyche und Fahreigung

Urteil 1C_405/2022: Vorsorglicher Entzug bei psychischen Erkrankungen

Die Beschwerdeführerin leidet an einer bipolaren affektiven Störung, welche von einer manischen Episode mit psychotischen Symptomen zu einer leichten bis mittelgradigen depressiven Episode wechselte. Die IV-Stelle des Kt. AG erstattete deshalb gemäss Art. 66c IVG eine Meldung an das Strassenverkehrsamt des Kt. AG, dass man an der Fahreignung der Beschwerdeführerin zweifelt. Der Führerausweis wurde daraufhin vorsorglich entzogen und eine verkehrsmedizinische Untersuchung angeordnet. Die kantonalen Instanzen wiesen die erhobenen Rechtsmittel ab, wobei das Verwaltungsgericht es dem Bundesgericht überliess, ob der vorsorgliche Entzug noch gerechtfertigt sei. Grund dafür war ein neu eingereichter ärztlicher Bericht.

Der neu eingereichte ärztliche Bericht war allerdings ein unzulässiges echtes Novum, weil er erst nach dem angefochtenen Urteil erging. Damit ist das Beweismittel für das Verfahren nicht massgeblich (E. 2).

Die Beschwerdeführerin rügt, dass sich das Strassenverkehrsamt auf die Akten stützte und keine weiteren Abklärungen traf (z.B. Auskunft einholen bei der behandelnden medizinischen Fachperson). Der vorsorgliche Führerausweisentzug gemäss Art. 30 VZV ist eine vorsorgliche Massnahme i.S.v. Art. 98 BGG. Vorsorgliche Massnahmen werden in dringlichen Fällen angeordnet. Sie basieren grundsätzlich auf einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage. Der Entscheid ergeht i.d.R. aufgrund der vorhandenen Akten ohne weitere Beweiserhebungen. Erst im Hauptverfahren wird dann anhand einer umfassenden Prüfung sämtlicher fallrelevanten Gesichtspuntke entschieden, ob ein Sicherungsentzug angeordnet werden muss, namentlich nach Abschluss der verkehrsmedizinischen Untersuchung. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das Strassenverkehrsamt keine weiteren Abklärungen traf.

Eine Fahreignungsabklärung wird angeordnet, wenn gemäss Art. 15d SVG Zweifel an der Fahreignung bestehen. In den in Art. 15d Abs. 1 lit. a-e SVG genannten Fällen bestehen immer Zweifel an der Fahreignung. Macht eine IV-Stelle gemäss Art. 66c IVG eine Meldung, ist die Anordnung einer Fahreignungsabklärung obligatorisch (E. 5.1). Wird eine Fahreignungsabklärung angeordnet, muss der Führerausweis prinzipiell auch vorsorglich, zugunsten der Verkehrssicherheit, entzogen werden, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 30 VZV strenger sind, als jene von Art. 15d SVG. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann von dieser Regel abgewichen werden (E. 5.2).

Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, dass die kantonalen Instanzen die ärztlichen Berichte völlig falsch interpretiert haben und es nie konkrete Anzeichen dafür gab, dass sie eine konkrete Gefahr für die Verkehrssicherheit darstelle. Gemäss den medizinischen Unterlagen wirke sich allerdings die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin negativ auf ihre Fahreignung aus. So sei ihre Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt und es bestehe eine leichte Suizidalität. Zudem gäbe einen umstrittenen Cannabiskonsum. Das Bundesgericht stützt die Ansicht der Vorinstanz, dass insbesondere die mangelnde Konzentrationsfähigkeit sich sehr wohl negativ auf die Fahreignung auswirken kann. Auch können den von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen keine Gründe entnommen werden, welche für eine Ausnahme vom vorsorglichen Entzug sprechen. Dass sich die Beschwerdeführerin in fahrunfähigem Zustand nie ans Steuer setzte und sie noch nie eine Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz begangen hat, ändert an diesem Ergebnis nichts.