So einfach wird das Grobe zum Einfachen

BGE 6B_1324/2017, das Elefantenrennen (gutgh. Beschwerde)

Beschwerdeführer ist LKW-Fahrer und hat einen anderen Brummi auf der Autobahn überholt. Für sein Ausschwenken auf die Überholspur, wodurch ein PKW abbremsen musste, wurde er mit am Ende des kantonalen Instanzenzugs mit grober Verkehrsregelverletzung bestraft. Vor BGer verlangt er eine einfache Verkehrsregelverletzung und erhält Recht.

E. 1. Zur Sistierung des Administrativverfahrens: Der Beschwerdeführer verlangt die Sistierung des Administrativverfahrens, was natürlich im Strafverfahren nicht geht. Allerdings merkt das BGer an, „dass die Verwaltungsbehörde – sofern ein Strafverfahren eingeleitet worden ist – mit dem Erlass einer administrativen Massnahme grundsätzlich zuwarten muss, bis ein rechtskräftiges Strafurteil vorliegt, soweit der Sachverhalt oder die rechtliche Qualifikation des in Frage stehenden Verhaltens für das Verwaltungsverfahren von Bedeutung ist.“

E. 2.1. zur den Voraussetzungen der groben Verkehrsregelverletzung, insb. dass die Rücksichtslosigkeit verneint werden kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten subjektiv in einem milderen Licht erscheinen lassen.

E. 2.2 zu den Pflichten des Überholenden

E. 2.4. zur Meinung der Vorinstanz: Diese war der Ansicht, dass der Beschwerdeführer auf den Spurwechsel hätte verzichten müssen, da er den nachfolgenden PKW im Seitenspiegel gesehen habe und als erfahrener Berufschauffeur um die Geschwindigkeitsdifferenzen von LKW und PKW wissen müsse. Dass er trotzdem überholte und auch den Blinker zu spät setzte, sei als rücksichtslos zu qualifizieren.

E. 2.5. Meinung des BGer: Nach dessen Ansicht handelte der Beschwerdeführer nicht rücksichtslos. Da der PKW relativ nah am LKW fuhr und fast gleichzeitig zum Überholen ausscherte, ist es durchaus denkbar, dass der Beschwerdeführer diesen beim kurzen Sicherheitsblick übersehen hat. Da der PKW auch schon eine gewisse Zeit hinter dem LKW fuhr, musste der Beschwerdeführer nicht damit rechnen, dass der PKW just im gleichen Moment überholen würde.

Fazit: Man muss stets versuchen, die besonderen Umstände zu finden, welche auf das Fehlen von Rücksichtslosigkeit hindeuten.

Strafantrag des Entlehner

BGE 6B_428/2017: Wenn man mit Muttis Auto fährt (gutgh. Beschwerde)

Ein kleiner aber feiner BGE: Die Strafantragstellerin hatte das Auto ihrer Mutter ausgeliehen für eine Spritzfahrt. Aus unbekannten Gründen geriet sie auf der Strasse mit dem Beschwerdeführer aneinander. Als sie sich nicht auf ein Streitgespräch mit diesem einlassen wollte, schlug der Beschwerdeführer mit der Faust auf die Motorhaube, wodurch eine Delle entstand. Die Tochter und Lenkerin stellt Strafantrag wegen Sachbeschädigung, wogegen sich der Beschwerdeführer erfolgreich wehrt.

E. 1.2. zur Strafantragsberechtigung: „Die Antragsberechtigung gemäss Art. 30 Abs. 1 StGB richtet sich nach dem Träger des angegriffenen Rechtsgutes. Handelt es sich nicht um höchstpersönliche Rechtsgüter, kann auch derjenige im Sinne von Art. 30 Abs. 1 StGB verletzt sein, in dessen Rechtskreis die Tat unmittelbar eingreift, sowie derjenige, dem eine besondere Verantwortung für die Erhaltung des Gegenstandes obliegt. Hinsichtlich der Sachbeschädigung hat das Bundesgericht die Antragsberechtigung in diesem Sinne auch auf den Mieter bzw. jeden Berechtigten, der die Sache nicht mehr gebrauchen kann, ausgedehnt. Ebenso hat es angenommen, das Strafantragsrecht stehe bei einem Aneignungsdelikt, sofern dieses nur auf Antrag verfolgt wird, auch anderen Berechtigten zu, deren Interessen am Gebrauch der Sache durch die Wegnahme derselben unmittelbar beeinträchtigt wurden (BGE 118 IV 209 E. 3b; BGE 121 IV 258 E. 2b; je mit Hinweisen; zum Strafantragsrecht des Mieters eines Autos TRECHSEL/JEAN-RICHARD, in: Trechsel/Pieth, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 2 zu Art. 30 StGB, mit Hinweis auf SJZ 57/1961 S. 176).“

E. 1.3. zur Antragsberechtigung des Entlehners: Die Antragstellerin konnte trotz Delle weiterfahren. Für den Zufall haftet sie als Entlehnerin nur bei nicht bestimmungsgemässen Gebrauch (Art. 306 Abs. 3 OR), weshalb ihr auch keine besondere Verantwortung für die Erhaltung der Sache zukommt. Sie ist demnach nicht berechtigt, Strafantrag zu stellen.

Im Zweifelsfalle sollte immer der Eigentümer selber Strafantrag stellen.

Das Ausweichmanöver

BGE 6B_351/2017: Das bestrafte Ausweichmanöver (gutgh. Beschwerde)

Endlich wieder einmal ein BGE mit so richtig saftigem SVG-Fleisch am Knochen. Der Beschwerdeführer war mit seinem Lieferwagen auf einer vortrittsberechtigten Strasse mit ca. 50km/h unterwegs. Plötzlich nahm er ein Auto wahr, das etwa 10m vor ihm von einem Parkplatz auf seine Fahrbahn hinausfuhr. Intuitiv leitete er bremsend ein Ausweichmanöver auf die Gegenfahrbahn ein, wobei es zu einer Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kam, dessen Lenker ein Schleudertrauma erlitt. Wegen dem Unfall wurde der Beschwerdeführer von den kantonalen Instanzen TG wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Das BGer heisst die Beschwerde gut.

E. 1.1./2. zu den Meinungen der Parteien: Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass in einer Gefahrsituation, in welcher man sich blitzartig für eine Reaktion entscheiden muss, rückblickend dem Reagierenden das Wählen einer objektiv schlechteren Reaktion nicht vorgeworfen werden kann. Die Vorinstanzen hingegen beziehen sich auf ein Gutachten, nach welchem mit einer Vollbremsung die Kollision mit dem vortrittsbelastenden Auto „beinahe“ hätte vermieden werden können. Insofern habe der Beschwerdeführer sein Fahrzeug durch das Vornehmen des Ausweichmanövers nicht beherrscht und gegen Art. 31 SVG verstossen.

E. 1.3. zur Sorgfaltspflichtsverletzung des Fahrlässigkeitsdeliktes im SVG: „Sorgfaltswidrig ist die Handlungsweise, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat.“ “ Die Zurechenbarkeit des Erfolgs bedingt die Vorhersehbarkeit nach dem Massstab der Adäquanz. Weitere Voraussetzung ist, dass der Erfolg vermeidbar war.“ Im Strassenverkehr ergeben sich die Sorgfaltspflichten aus dem SVG. Das Beherrschen des Fahrzeuges setzt voraus, dass der Lenker seine Aufmerksamkeit der Strasse zuwendet (SVG 31 i.V.m. VRV 3). Ebenso muss er seine Geschwindigkeit stets den Umständen anpassen (SVG 32).“ Dies gilt auch beim Befahren von Hauptstrassen, weil auch der Vortrittsberechtigte der allgemeinen Sorgfaltspflicht untersteht und sich nicht blindlings auf sein Vortrittsrecht verlassen darf (BGE 89 IV 140 E. 3c S. 145 mit Hinweisen).“

In gewissen Situationen wird die Sicht des Vortrittsbelastenden in die vortrittsberechtigte Verkehrsfläche dermassen behindert, „dass er zwangsläufig mit dem Vorderteil seines Wagens in die vortrittsberechtigte Verkehrsfläche gelangt, bevor er von seinem Fahrersitz aus überhaupt Einblick in diese erhält. In solchen Situationen ist daher gemäss der Praxis des Bundesgerichts ein sehr vorsichtiges Hineintasten zulässig, wenn der Vortrittsberechtigte das ohne Sicht langsam einmündende Fahrzeug rechtzeitig genug sehen kann, um entweder selbst auszuweichen oder den Wartepflichtigen durch ein Signal zu warnen (BGE 143 IV 500 E. 1.2.2; 127 IV 34 E. 3c/bb S. 43 f.; 122 IV 133 E. 2a S. 136; BGE 105 IV 339 E. 3; je mit Hinweisen). Dabei darf grundsätzlich darauf vertraut werden, dass vortrittsberechtigte Fahrzeuge abbremsen oder sogar anhalten, wenn das einbiegende Fahrzeug aus genügend grosser Entfernung gesehen werden kann (BGE 89 IV 140 E. 3c; Urteil 6B_1185/2014 vom 24. Februar 2015 E. 2.5).

E. 1.4. zur Meinung des BGer: Entgegen den Vorinstanzen erkennt das BGer im Verhalten des Beschwerdeführers keine Sorgfaltspflichtsverletzung und insofern kein schuldhaftes Verhalten. „Vom Fahrzeuglenker wird grundsätzlich eine richtige, situationsadäquate Reaktion verlangt. Doch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Fahrzeuglenker im Strassenverkehr überraschend in eine kritische Situation kommen kann, in der Fehlentscheide möglich und verständlich sind. Unvermutet auftretende Gefahren stellen oft hohe und höchste Ansprüche an die Reaktionsfähigkeit der Betroffenen, weshalb dem Fahrzeugführer nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn sich seine Reaktion im Nachhinein, nach ruhigem Überlegen und Abwägen, allenfalls nach Durchführung einer technischen Expertise, als nicht die beste aller denkbaren Reaktionsweisen erweist, jedenfalls so lange nicht, als die getroffene Reaktion verständlich und nicht als abwegig oder gar kopflos erscheint (Urteil 1C_361/2014 vom 26. Januar 2015 E. 3.1 mit Hinweisen).“ „Das Bundesgericht verlangt, dass die ergriffene Massnahme und diejenige, welche ex post als die zweckmässigere erscheint, annähernd gleichwertig sein müssen und dass der Fahrzeugführer deren unterschiedliche Wirksamkeit nur deshalb nicht erkannte, weil die plötzlich eingetretene Situation eine augenblickliche Entscheidung erforderte. Wo eine Vorkehr im Vergleich zu andern sich aber derart aufdrängt, dass sie auch im Falle der Notwendigkeit sehr rascher Reaktion als die näherliegende und angemessenere erkannt werden kann, ist es als Fehler anzurechnen, wenn trotzdem eine weniger geeignete getroffen wird.“

Das Ausweichmanöver war nach der Ansicht des BGer im Vergleich zu einer Vollbremsung eine mehr oder weniger gleichwertige Reaktion, weshalb die Kollision nicht schuldhaft verursacht wurde. Erneut erscheint das Bundesgericht als Vertreter des gesunden Menschenverstandes und bewegt sich nach dem zu strengen BGE 6B_1006/2016 in die richtige Richtung.

A-Post Plus im Strafverfahren

BGE 6B_773/2017: A-Post Plus und Zustellfiktion im Strafverfahren (gutg. Beschwerde)

In diesem Entscheid geht es um die Frage, ab wann ein Dokument, i.c. eine Einstellungsverfügung, im Strafverfahren als zugestellt gilt, wenn dieses mit A-Post Plus verschickt wird, was natürlich Auswirkungen auf den Fristenlauf hat. Die Einstellungsverfügung wurde im vorliegenden Fall an einem Samstag ins Postfach des Rechtsvertreters gelegt. Die kantonalen Instanzen gingen davon aus, dass die Beschwerdefrist bereits am folgenden Sonntag zu laufen begann und erachteten die Beschwerde des Rechtsvertreters als verspätet. Dieser nahm von der Verfügung am Montag Kenntnis und ging davon aus, dass die Beschwerdefrist am Dienstag zu laufen begann.

E. 2.1./2. Meinungen der Parteien: Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass mit Zustellung eines Dokumentes per A-Post-Plus keine Empfangsbestätigung eingeholt werde, weshalb Art. 85 Abs. 2 StPO verletzt sei. Die Vorinstanz geht davon aus, dass mit der registrierten Zustellung A-Post Plus ein Schreiben in den Machtbereich des Empfängers gelangt sei und deshalb auch den Fristenlauf für allfällige Rechtsmittel auslöst.

E. 2.3ff. Meinung es Bundesgerichts: Es äussert sich zunächst zu den gesetzlichen Grundlagen und hält zu Art. 85 StPO fest, dass die „gesetzlich vorgeschriebenen Zustellformen dem Umstand Rechnung tragen, dass Verfügungen oder Entscheide, die der betroffenen Person nicht eröffnet worden sind, grundsätzlich keine Rechtswirkungen entfalten (BGE 122 I 97 E. 3a/bb; Urteil 6B_390/2013 vom 6. Februar 2014 E. 2.3.2; je mit Hinweisen). Der Beweis der ordnungsgemässen Eröffnung sowie deren Datums obliegt der Behörde, die hieraus rechtliche Konsequenzen ableiten will (BGE 142 IV 125 E. 4; 136 V 295 E. 5.9; 129 I 8 E. 2.2; je mit Hinweisen).“ Mangels Empfangsbestätigung genügt die Zustellung mit A-Post Plus den gesetzlichen Anforderungen von Art. 85 Abs. 2 StPO nicht (E. 2.3.1.).

„Eine Zustellung ist gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ungeachtet der Verletzung von Art. 85 Abs. 2 StPO auch dann gültig erfolgt, wenn die Kenntnisnahme des Empfängers auf andere Weise bewiesen werden kann und die zu schützenden Interessen des Empfängers (Informationsrecht) gewahrt werden (vgl. BGE 142 IV 125 E. 4.3; Urteile 1B_41/2016 vom 24. Februar 2016 E. 2.2; 6B_390/2013 vom 6. Februar 2014 E. 2.3.2; je mit Hinweisen). Entscheidend ist, ab welchem Zeitpunkt von einer Kenntnisnahme ausgegangen werden kann.“ Das BGer lehnt die Meinung der Vorinstanz ab, welches mit der Zustellung einer Sendung vom Beginn des Fristenlaufes ausgeht. In diesem Fall wäre es möglich, dass jemand ohne jemals Kenntnis von einer Verfügung zu haben, eine Rechtsmittelfrist verpasst. „Es ist daher zentral, dass der Betroffene seine Rechte effektiv wahren kann und ihm das Ergreifen eines Rechtsmittels nicht unnötig erschwert oder verunmöglicht wird. Die Rechtsmittelfrist kann erst dann zu laufen beginnen, wenn die betroffene Person im Besitz aller für die erfolgreiche Wahrung ihrer Rechte wesentlichen Elemente ist (BGE 102 Ib 91 E. 3). Bestehen besondere Formvorschriften, darf an den blossen Zugang in den Machtbereich des Empfängers keine fristauslösende Wirkung geknüpft werden. Massgebend ist vielmehr die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Adressaten.“

Das BGer heisst die Beschwerde gut. Der Zustellnachweis der A-Post Plus reicht also nicht dafür aus, dass die teils kurzen Fristen im Strafverfahren zu laufen beginnen. Vielmehr benötigt es dafür grds. die Kenntnisnahme des Empfängers.

Ausstand im Strafverfahren der Staatsanwaltschaft

BGE 1B_375/379/2017: Ausstand im Strafverfahren (gutgh. Beschwerde)

Die Strafbehörden führen eine Untersuchung gegen die beschwerdeführenden Ehegatten wegen Menschenhandel. Letztere sollen mehrere Frauen illegal und in ausbeuterischer Weise v.a. aus Malaysia in die Schweiz geschlossen haben. Die Ehegatten wehren sich gegen den Vorwurf des Menschenhandels und verlangen aufgrund div. Verfahrensmängeln, dass die untersuchende Staatsanwältin in den Ausstand tritt.

E. 2. Zum Ausstand: „Befangenheit einer staatsanwaltlichen Untersuchungsleiterin oder eines Untersuchungsleiters ist nach der Praxis des Bundesgerichtes namentlich anzunehmen, wenn nach objektiver Betrachtung besonders krasse oder ungewöhnlich häufige Fehlleistungen der Untersuchungsleitung vorliegen, welche bei gesamthafter Würdigung eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken.“

E. 4. Zu den Verfehlungen: Die Vorinstanz hat verschiedene Fehler der untersuchenden Staatsanwaltschaft festgestellt, u.a.:

– Ausübung von Druck auf die eingeschleusten Opfer bzgl. Aussagen.
– Versprechen von Privilegierungen, wenn Opfer belastende Aussagen machen.
– Verweigerung von Parteirechten bei Einvernahmen von Auskunftspersonen oder Zeugen.
– Kein Untersuchen von entlastenden Umständen.

E. 5. Zur Schlussfolgerung: Obwohl die Vorinstanz die Untersuchungsführung als „heikel, unglücklich und falsch“ bezeichnet, sieht sie keine Befangenheit der Staatsanwältin. Diese Schlussfolgerung bezeichnet das BGer als „schwer nachvollziehbar“. Die Verfehlungen der Untersuchungsbehörde können nicht geheilt werden. „Die von der Vorinstanz festgestellten diversen Verfahrensfehler, die sich allesamt zum Nachteil der Beschwerdeführer als beschuldigte Parteien ausgewirkt haben, erscheinen bei gesamthafter Betrachtung schwerwiegend. Bei objektiver Würdigung der von der Vorinstanz festgestellten Prozessgeschichte drängt sich der Eindruck auf, dass die Untersuchungsleiterin voreingenommen ist. Sie hat in geradezu systematisch anmutender Weise die Parteirechte der Beschwerdeführer missachtet und sich in unfairer Weise einseitig auf die Beschaffung von belastendem Beweismaterial konzentriert.“

Das BGer heisst das Ausstandsbegehren gut.

Die Ehefrau im Visier der Strafbehörden

BGE 6B_1025/2016: Rechtsbelehrung bei Einvernahmen (Leitentscheid, gutgh. Beschwerde)

Der Entscheid setzt sich lehrstückhaft mit den Verfahrensrollen der Auskunftsperson und des Zeugen im Strafverfahren auseinander und welche Mitwirkungs- und Aussageverweigerungsrechte die Beteiligten haben. Im vorliegenden Fall wurde die Ehegattin als Auskunftsperson zu mutmasslichen Straftaten ihres Ehemannes befragt.

E. 1.2.1./2. zu den gesetzlichen Regelungen der Auskunftsperson und des Zeugen:

Während der Zeuge grds. nichts mit der untersuchten Straftat zu tun hat, nimmt die Auskunftsperson eine Stellung zwischen Zeuge und beschuldigter Person ein. So kann als Auskunftsperson einvernommen werden, wer ohne beschuldigt zu sein, trotzdem etwas mit der untersuchten Straftat zu tun haben könnte (vgl. Art. 178 Lit. d StPO). Der Auskunftsperson kommt deshalb ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht zu, weil sie in erster Linie eigene Interessen schützt (vgl. Art. 180 StPO). Der Zeuge wiederum ist an der Straftat nicht beteiligt, weshalb er grds. zum wahrheitsgemässen Zeugnis verpflichtet ist (vgl. Art. 163 Abs. 2 StPO). Er hat ein beschränktes Zeugnisverweigerungsrecht, z.B. wenn er gegen eine nahestehende Person aussagen müsste und insofern in einem Interessenkonflikt stünde (vgl. Art. 168 StPO).

E.1.3.ff. zur Hinweispflicht bei der ersten Einvernahme:

Die Rechtsbelehrung zu Beginn einer Einvernahme hängt von der Stellung einer Person im Verfahren ab. Die unterschiedlichen Mitwirkungsverweigerungs-rechte der Auskunftsperson einerseits und der Zeugin oder des Zeugen andererseits beruhen auf anderen Prämissen und verfolgen andere Ziele. Während das Aussageverweigerungsrecht der Auskunftsperson deren eigene Interessen im Verfahren schützt, betrifft das Aussageverweigerungsrecht des Zeugen nicht den Schutz der befragten, sondern den Schutz der beschuldigten Person. Der Zeuge soll insofern davor geschützt werden, dass er sich zwischen einem strafbaren Falschzeugnis zugunsten der beschuldigten Person oder einem Zeugnis, dass schlimmstenfalls ein Familienmitglied belastet, entscheiden muss. Nun gibt es Konstellationen, in welchen eine Auskunftsperson aber sogleich auch Zeuge sein könnte. Gemäss BGer ist es deshalb unerlässlich, dass die zu befragende Person über beide Arten der Mitwirkungsverweigerungsrechte zu belehren ist, wenn ihr als Auskunftsperson zusätzlich zum allgemeinen Aussageverweigerungsrecht ein spezifisches Zeugnisverweigerungsrecht, z.B. als naher Angehöriger zukommt (E. 1.3.1.).

Die Lehre schliesst sich dem an und unterscheidet zwischen zwei Arten von Auskunftspersonen, einerseits der „normalen“ und andererseits dem sog. „Quasi-Zeugen“. Ist von Anfang an klar, dass der Auskunftsperson in materieller Hinsicht auch Zeugenstellung zukommt, so muss sie über die entsprechenden Zeugnisverweigerungsrechte belehrt werden (E. 1.3.2.).

Einvernahmen unterstehen einem strengen Beweisverwertungsverbot, wenn die entsprechende Rechtsbelehrung zu Beginn einer Einvernahme nicht erfolgte. Wird eine Auskunftsperson als „Quasi-Zeuge“ von der Polizei nicht über die Zeugnisverweigerungsrechte aufgeklärt, ist die Einvernahme unverwertbar (E. 1.3.3).

Vorliegend wurde die Ehegattin als Auskunftsperson einvernommen und entsprechend über ihre Rechte aufgeklärt. Ihr kommt aber als „Quasi-Zeugin“ ebenfalls das Zeugnisverweigerungsrecht zu, worüber sie nicht aufgeklärt wurde. Die Einvernahme ist unverwertbar.

Verhältnismässigkeit von Auflagen nach FiaZ

BGE 1C_320/2017: Verhältnismässigkeit von Auflagen nach der Fahreignungsabklärung (gutgh. Beschwerde)

Fast schon gebetsmühlenartig wiederholen die Strassenverkehrsämter die Notwendigkeit von Auflagen, wenn sie in einem medizinischen Gutachten empfohlen werden, ohne diese weiter zu hinterfragen. Nach der gängigen Rechtsprechung sind die Strassenverkehrsämter bzw. Behörden allgemein an Gutachten gebunden, d.h. die Beurteilung von verkehrsrechtlichen Fragen wurde de facto an Fachärzte ausgelagert. Nun hat sich das BGer zur Verhältnismässigkeit von Auflagen geäussert:

Aufgrund einer FiaZ-Fahrt mit mind. 1.7% musste die Beschwerdeführerin eine Fahreignungsabklärung machen. Das Gutachten fiel positiv aus, allerdings unter Einhaltung einer Fahrkarenz nach Alkoholkonsum während zwölf Monaten sowie der Durchführung von halbjährlichen Verlaufskontrollen zur Überprüfung eines sozialverträglichen Trinkverhaltens mittels Haaranalysen während desselben Zeitraums. Gegen diese Auflagen gelangt die Beschwerdeführerin an das BGer, welches die Beschwerde gutheisst:

E. 2.2 zur Definition der Trunksucht im verkehrsrechtlichen Sinne.

E. 2.3 zur Bindung an Gutachten:

„Ob ein Gericht die in einem Gutachten oder Fachbericht enthaltenen Erörterungen für überzeugend hält oder nicht und ob es dementsprechend den Schlussfolgerungen der Experten folgen soll, ist eine Frage der Beweiswürdigung, in die das Bundesgericht nur eingreift, sofern sie offensichtlich unrichtig ist (vgl. Art. 105 Abs. 1 und Art. 97 Abs. 1 BGG; Urteil 1C_179/2015 vom 11. Mai 2016 E. 5.2). Das Gericht darf in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe vom Gutachten abweichen (BGE 136 II 214 E. 5 S. 223 f.). Dies ist nur zulässig, wenn die Glaubwürdigkeit des Gutachtens durch die Umstände ernsthaft erschüttert ist (BGE 140 II 334 E. 3 S. 338). Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft, kann ein Abstellen darauf gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) verstossen (BGE 130 I 337 E. 5.4.2 S. 345 f.)“.

E. 2.4 zu den Gründen für die Trunkenheitsfahrt:

  • Grosse Arbeitsbelastung, 13-14h am Tag.
  • Beziehungskrise mit Freund.
  • Krebserkrankung der Mutter.
  • Beerdigung eines guten Schulfreundes.

Ferner gutachterlich festgestellt:

  • Beschwerdeführerin hinterfragt sich (Stichwort „intrinsische Motivation“).
  • Keine Bagatellisierungstendenzen.
  • Mühelose Abstinenz.
  • I.d.R. moderater Alkoholkonsum.
  • Ärztlich attestierte stabile psychische Konstitution.
  • Guter allgemeiner Gesundheitszustand.

E. 2.5 zur den Auflagen:

Das Gutachten fällt durchwegs positiv aus. Einzig die Trunkenheitsfahrt selber muss sich die Beschwerdeführerin anlasten lassen. Das BGer hält es für „nicht nachvollziehbar, weshalb die Gutachterin die Fahreignung der Beschwerdeführerin nur unter bestimmten Auflagen befürwortet.“ Die Haaranalyse ergab einen EtG-Wert von unter 7pg/mg, was auf keinen oder höchstens sozialverträglichen Alkoholkonsum hindeutet. Der automobilistische Leumund ist bisher ungetrübt. Der Vorfall erscheint als einmaliger Ausrutscher.

E. 2.6 Fazit: “ Insgesamt bestanden für die Vorinstanz somit triftige Gründe, um von den nicht näher begründeten und sich nicht ohne Weiteres aus den gutachterlichen Abklärungen ergebenden Schlussfolgerungen der Expertin bzw. den entsprechend verfügten Auflagen abzuweichen. Angesichts der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, ihres bisherigen Verhaltens im Strassenverkehr, ihrer Konsumgewohnheiten und ihrer Aufarbeitung des Vorfalls drängte sich vielmehr die Annahme auf, dass kein verkehrsrelevanter Eignungsmangel vorliegt und insofern ein Warnungsentzug ausreicht, um sie in Zukunft zuverlässig von weiteren Trunkenheitsfahrten abzuhalten. Unter diesen Umständen erweist sich die Wiedererteilung des Führerausweises nach Ablauf des Warnungsentzugs gegen Auflagen als nicht verhältnismässig und ist bundesrechtswidrig.“

Das BGer erachtet das Gutachten als offensichtlich unrichtig bzgl. Auflagen und erscheint in dieser ganzen Geschichte als letzte Bastion des gesunden Menschenverstandes bzw. als Wächter der Verhältnismässigkeit. Die „Mühle“ im Administrativverfahren ist unter via sicura gewaltig geworden. Der vorliegende Entscheid stösst in die richtige Richtung…

Vortrittsregel darf nicht aufgeweicht werden

BGE 6B_1300/2016: Spieglein, Spieglein an der Strasse…zum Vortritt (teilw. Gutgeheissene Beschwerde; zur Publikation vorgesehen)

Auf einer Strassenkreuzung im Val de Travers gab es eine heftige Kollision. X. fuhr aus einer nicht vortrittsberechtigten Strasse auf die Kreuzung und kollidierte mit dem Fahrzeug von A. Weil Ersterer keinen Sicherheitsgurt trug, wurde er durch den Unfall dauerhaft querschnittsgelähmt. A. fuhr auf der vortrittsberechtigten Strasse mit 87km/h, obwohl die Tempolimite 60km/h betrug. Zudem schnitt er die Sicherheitslinie. X. verlangt vor BGer einen Freispruch und eventualiter, dass er nur wegen einfacher, nicht aber grober Verkehrsregelverletzung verurteilt wird.

E. 1.2.1 zum Vortrittsrecht: Auf Kreuzungen gilt der Vortritt grds. auf der ganzen Verkehrsfläche unter dem Vorbehalt abweichender Signale oder Markierungen. Der Vortritt ist missachtet, wenn der Berechtigte seine Fahrweise brüsk ändern muss, z.B. durch plötzliches Bremsen oder Beschleunigen oder wenn er zu einem Ausweichmanöver gezwungen wird. Diese Definition soll aber das Vortrittsrecht nicht aufweichen, dass nach dem BGer als wichtige Verkehrsregel einer klaren und einfachen Anwendung bedarf.

E. 1.2.2 zur Vortrittsbelastung: Der Vortrittsbelastete kann seinen Pflichten nur nachkommen, wenn er die vortrittsberechtigte Strasse in beide Richtungen einsehen kann. Wenn dies nicht der Fall ist, muss sich der Vortrittsbelastete sehr langsam und vorsichtig in die vortrittsberechtigte Strasse hineintasten („très lentement et prudemment“), z.B. wenn die Sicht durch eine Mauer oder eine Hecke beeinträchtigt ist.

E. 1.2.3 zu Spiegeln: Spiegeln im Strassenverkehr dürfen lediglich als Notbehelfe („moyen de fortune“) betrachtet werden. Um eine grösseres Sichtfeld abzudecken, sind die Spiegel meistens konvex. Dies wiederum macht aber das Schätzen von Geschwindigkeit und Distanz von im Spiegel sichtbaren Fahrzeugen äusserst schwierig.

E. 1.2.4 zum Vertrauensgrundsatz: Auf diesen kann sich berufen, wer sich selber regelkonform verhält.

E. 1.3.: Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer das vortrittsberechtigte Fahrzeug im Spiegel sah. Er befand sich deshalb in einer unklaren Situation und hätte das vortrittsberechtige Auto vorbeifahren lassen müssen. Indem er in die vortrittsberechtigte Verkehrsfläche fuhr, hat er die Verkehrsregeln verletzt. Er kann sich auch nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen, denn er hatte via Spiegel Sicht auf das vortrittsberechtigte Fahrzeug, tastete sich aber dennoch in die Kantonsstrasse vor.

E. 2. zu SVG 90 II: Das BGer heisst die Beschwerde in diesem Punkt gut. Die objektiv vorausgesetzte ernsthafte Gefährdung liegt zwar vor, die subjektiven Voraussetzungen sind aber in diesem Einzelfall nicht erfüllt. Eine grobe Fahrlässigkeit kann dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden. Er war ortsunkundig und insb. der Spiegel trug massgeblich zur Falscheinschätzung der Distanz und Geschwindigkeit des Beschwerdeführers bei.

Wenn also an einer Strassen ein Spiegel steht, muss man diesen beachten und darf sich nicht in die vortrittsberechtigte Strasse hineintasten, ansonsten missachtet man den Vortritt. Auch wenn die Folgen einer Vortrittsmissachtung gravierend sein können, so ist ein konvexer Spiegel aber als Gegenindiz zu werten, aufgrund von welchem von einer groben Verkehrsregelverletzung abgesehen werden muss.

Beweisverwertungsverbot von Einvernahmen

BGE 6B_129/2017: Wenn das Gesagte nicht gilt (gutgh. Beschwerde)

Der Beschwerdeführer wurde von den kantonalen Instanzen wegen einer Vielzahl von Straftatbeständen wie einfacher Körperverletzung, Nötigung, qualifiziertem Raub und Widerhandlungen gegen das Waffengesetz verurteilt. Mit Beschwerde vor BGer verlangt er einen teilweisen Freispruch. Er rügt, dass er an diversen von der Staatsanwaltschaft an die Polizei delegierten Einvernahmen von Mitbeschuldigten, Auskunftspersonen und Zeugen nicht teilnehmen konnte, womit seine Teilnahmerechte gemäss Art. 147 StPO verletzt wurden. Das BGer heisst die Beschwerde gut.

E. 1.4. zum Verwertungsverbot: „Eine Verletzung von Art. 147 Abs. 1 StPO führt gemäss Art. 147 Abs. 4 StPO zu einem Beweisverwertungsverbot gegenüber der Partei, die an der Beweiserhebung nicht anwesend war (BGE 139 IV 25 E. 5.4.1 S. 34). Dies gilt für Einvernahmen im  gleichen Verfahren. Gemäss der Praxis des Bundesgerichtes (BGE 140 IV 172, bestätigt in BGE 141 IV 220 E. 4.5 S. 230) kommt den Beschuldigten hingegen in  getrennt geführten Verfahren im jeweils anderen Verfahren keine Parteistellung zu.“

E. 1.6.1: „Sämtliche Einvernahmen wurden somit im gleichen Verfahren ST.2011.4075 durchgeführt.“ „Werden Aussagen, welche die Befragten in Einvernahmen ohne Teilnahme des Beschwerdeführers machten, in späteren Konfrontationseinvernahmen den Befragten wörtlich vorgehalten, so werden diese Aussagen im Sinne von Art. 147 Abs. 4 StPO unzulässigerweise verwertet.“

E. 1.6.2. zu den Spielregeln für die Strafbehörden: „Art. 147 Abs. 4 StPO hält klar fest, dass Beweise, die unter Verletzung des Teilnahmerechts erhoben worden sind, nicht zulasten der Partei verwertet werden dürfen, die nicht anwesend war. Und ebenso deutlich sieht Art. 141 Abs. 1 StPO vor, dass Beweise in keinem Fall verwertbar sind, wenn die Strafprozessordnung einen Beweis als unverwertbar bezeichnet. Aufzeichnungen über unverwertbare Beweise sind denn auch nach Art. 141 Abs. 5 StPO aus den Strafakten zu entfernen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter separatem Verschluss zu halten und danach zu vernichten. Sind Beweise in keinem Fall verwertbar und aus den Strafakten zu entfernen, hat dies auch Konsequenzen für die weitere Untersuchungsführung. Die aus unverwertbaren Einvernahmen erlangten Erkenntnisse dürfen weder für die Vorbereitung noch für die Durchführung erneuter Beweiserhebungen verwendet werden.“

Nun muss die Vorinstanz sich damit herumschlagen, ob die rechtmässigen Beweise für eine Verurteilung ausreichen.

Gefährdung des Lebens, Halterhaftung im OBG

BGE 6B_303/2017: „Mich kontrolliert keiner!“ (teilw. Gutgh. Beschwerde)

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Fahrzeug eine Verkehrskontrolle durchbrochen, wofür er u.a. von den kantonalen Instanzen wegen Gefährdung des Lebens verurteilt wurde. Seine Beschwerde wird teilweise gutgeheissen.

E. 4. zur Gefährdung des Lebens: „Gemäss Art. 129 StGB macht sich der Gefährdung des Lebens schuldig, wer einen Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt. Vorausgesetzt ist dabei eine Gefahr für das Leben; eine Gefahr bloss für die Gesundheit genügt nicht.“ Durch das Verhalten des Täters muss für dritte Lebensgefahr bestehen, wobei subjektiv direkter Vorsatz gefordert ist. Damit für eine Person Lebensgefahr durch ein Fahrzeug besteht, muss dieses mit einer gewissen Geschwindigkeit fahren. Sofern „nur“ die Möglichkeit einer schweren Körperverletzung besteht, ist der Tatbestand nicht erfüllt. Weil die kantonalen Instanzen es versäumten, die vom Beschwerdeführer gefahrene Geschwindigkeit zu ermitteln, kann nicht gesagt werden, ob für die Polizisten tatsächlich Lebensgefahr bestand. Das BGer heisst die Beschwerde in diesem Punkt gut.

E. 6. Zur fahrlässigen Körperverletzung: Diese bedingt stets ein ordentlich gestellter Strafantrag. Aus der Konstituierung als Privatklägerschaft kann kein Strafantrag abgeleitet werden.

E. 7. Zur groben Verkehrsregelregelverletzung: Die Weisungen der Polizei gemäss SVG 27 sind stets wichtige Verkehrsregeln und wenn man diese missachtet bzw. wenn man eine Verkehrskontrolle durchbricht, verhält man sich rücksichtslos.

Die Gefährdung des Lebens ist also von der gefahrenen Geschwindigkeit abhängig. Als Beschuldigter ist es empfehlenswert, keine Angaben zur Geschwindigkeit zu machen, die Strafbehörden wiederum sollten diese unbedingt ermitteln.

 

BGE 6B_432/2017: Bussen bezahlen für andere… (Bestätigung Rechtsprechung)

Die Beschwerdeführerin hat als formelle Halterin eines Fahrzeuges mehrere Ordnungsbussen erhalten, obwohl sie mit diesem nicht mehr fährt. Das BGer verdonnert sie dazu, diese zu bezahlen.

E. 2.2: In der Botschaft vom 20. Oktober 2010 zu Via sicura, Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr (BBl 2010 8447 ff.) wird klargestellt, dass es nicht – wie im Haftpflichtrecht – auf die materielle Eigenschaft des Halters ankommt, sondern auf die formelle der im Fahrzeugausweis eingetragenen Person (BBl 2010 8517; Urteil 6B_1007/2016 vom 10. Mai 2017 E. 1.4). Bei den Angaben des Halters nach Art. 6 Abs. 4 OBG darf es sich nicht um eine wenig plausible Information handeln. Name und Adresse des Fahrzeugführers müssen vollständig sein. Es müssen genügend Angaben zur Identität des Fahrzeugführers gemacht werden, so dass dieser individualisierbar ist (BBl 2010 8487; Urteil 6B_1007/2016 vom 10. Mai 2017 E. 1.5).

Es zählt also, was im Fahrzeugausweis steht und nicht, wer konkret mit dem Auto unterwegs ist.