Keine Fahreignungsabklärung bei 1.58%

Urteil 1C_500/2021: Knapp unter dem Grenzwert (gutgh. Beschwerde)

Bei der Beschwerdeführerin wurde bei einer Polizeikontrolle ein Atemalkoholwert von 0.79 mg/L bzw. 1.58 Promille festgestellt. Gegenüber den Beamten gab sie an, dass sie zwar nicht süchtig sei, aber ein Alkoholproblem „auf der Kippe zum Alkoholismus“ habe. Der vorläufig abgenommene Führerschein gab das Strassenverkehrsamt wieder zurück. Nach Abschluss des Strafverfahrens sanktionierte das Strassenverkehrsamt die Beschwerdeführerin mit einem Führerscheinentzug von vier Monaten. Kurz vor Ablauf des Vollzugs des Führerscheinentzugs ordnete das Strassenverkehrsamt eine verkehrsmedizinische Fahreignungsabklärung an, da ein Verdacht auf eine Alkoholproblematik bestand.

Führerscheine müssen entzogen werden, wenn die Voraussetzungen zur Erteilung nicht mehr bestehen (Art. 16 Abs. 1 SVG). Leidet jemand an einer (Alkohol)Sucht, muss der Führerschein sicherheitshalber auf unbestimmte Zeit entzogen werden (Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG). Bestehen lediglich Zweifel an der Fahreignung, muss eine Fahreignungsuntersuchung angeordnet werden. Fährt jemand mit 0.8 mg/L bzw. 1.6 Promille oder mehr, besteht eine gesetzliche Vermutung, dass ebensolche Zweifel bestehen (Art. 15d Abs. 1 lit. a SVG). Mit der Fahreignungsabklärung wird i.d.R. auch ein vorsorglicher Entzug der Fahrerlaubnis nach Art. 30 VZV angeordnet. Da die Voraussetzungen der Fahreignungsabklärung und des vorsorglichen Entzugs aber nicht deckungsgleich sind, kann in Ausnahmefällen vom vorsorglichen Entzug abgesehen werden. Die Ausnahme muss von der Behörde nachvollziehbar begründet werden. Das automobilistische Verhalten der betroffenen Person während des Verfahrens muss bei der Sachverhaltsabklärung mitberücksichtigt werden (zum Ganzen E. 3).

Die Atemalkoholprobe der Beschwerdeführerin lag knapp unter dem magischen Wert von 0.8 mg/L bzw. 1.6%, womit eine Fahreignungsabklärung nicht zwingend, aber auch nicht unmöglich ist. Die Beschwerdeführerin wirft den Vorinstanzen vor, den „Leitfaden Fahreignung“ nicht eingehalten zu haben. Dieser stellt jedoch nur eine Orientierungshilfe für Behörden dar. Er ist kein verbindlicher Erlass. Dreh- und Angelpunkt in dieser Sache ist die „Selbstbelastung“ der Beschwerdeführerin, indem sie sich selber ein Alkoholproblem attestierte.

Die Vorinstanzen sahen in dieser Äusserung sowie dem Fiaz von 1.58% genug Zweifel für die Anordnung der Abklärung. Das Bundesgericht widerspricht aber den kantonalen Instanzen. Zunächst weist es darauf hin, dass die Gefahrenlage offenbar keinen vorsorglichen Entzug nötig machte. Zu Gunsten der Beschwerdeführerin wirken sich auch ihr unbescholtener Leumund aus und ebenso favorable Drittauskünfte (Arzt, Arbeitgeber). Während des Verfahrens hat sich die Beschwerdeführerin zudem bewährt. Schliesslich bringt das Bundesgericht vor, dass nicht nachvollziehbar begründet wurde, weshalb die Fahreignungsabklärung ohne vorsorglichen Entzug angeordnet wurde. Die Beschwerde wird gutgeheissen und das kantonale Urteil aufgehoben.

Vorsicht Meinung: Je länger ich darüber nachdenke, desto seltsamer finde ich den Entscheid. Zunächst sagt das Bundesgericht in E. 3.2., dass eine Fahreignungsabklärung nur angeordnet werden darf, wenn ernsthafte Zweifel an der Fahreignung der betroffenen Person bestehen. Das Gesetz fordert aber „nur“ Zweifel. Die ernsthaften Zweifel werden eigentlich für den vorsorglichen Entzug vorausgesetzt. Eine differenziertere Auseinandersetzung mit den beiden Sicherungsmassnahmen nahm das Bundesgericht z.B. in Urteil 1C_184/2019 E. 2.1. vor. Zudem kreiert das Bundesgericht vorliegend eine Art Meta-Voraussetzung für die zuständigen Behörden, nämlich dass sie begründen müssen, wieso kein vorsorglicher Entzug angeordnet wurde mit der Fahreignungsabklärung. Aus meiner Sicht aber müssen die Behörden einfach dartun, ob „normale“ Zweifel für die Fahreignungsabklärung oder eben ernsthafte Zweifel für den vorsorglichen Entzug bestehen. Der Entscheid liefert sicher eine gute Basis für den nächsten Stammtisch nach der SVG-Tagung…

Mangelnde Kooperation bei der Fahreignungsabklärung

Urteil 1C_780/2021: Vorsorglicher Führerscheinentzug ist keine Massnahme des Verwaltungszwangs zur Durchsetzung einer Fahreignungsabklärung (tlw. gutgh. Beschwerde)

Das Urteil befasst sich mit der Frage, wie die zuständigen Ämter vorgehen können, wenn eine betroffene Person der Anordnung einer Fahreignungsabklärung nicht Folge leistet. Der nicht vorbelastete Beschwerdeführer wehrt sich in vorliegender Sache gegen die Anordnung einer Fahreignungsabklärung sowie eines vorsorglichen Entzuges seiner Fahrerlaubnis. Da die Anordnung der Fahreignungsabklärung bereits in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. dazu E. 3), befasst sich das Bundesgericht hauptsächlich mit der Frage, ob die Anordnung des vorsorglichen Führerausweisentzugs rechtmässig war.

Aufgrund eines Vorfalles von mutmasslicher häuslicher Gewalt führte die Polizei in der Wohnung der ehemaligen Partnerin des Beschwerdeführers, wo auch er sich aufhielt, eine Kontrolle durch. Der Beschwerdeführer war alkoholisiert und gab gegenüber den Beamten an, dass er einmal wöchentlich deswegen in eine Therapie gehe. Die Polizei erstelle einen Bericht und leitete eine Kopie davon weiter an das Strassenverkehrsamt. Dieses ordnete zunächst eine Fahreignungsabklärung an wegen des Verdachts auf eine Trunksucht. Die eingeschriebene Verfügung holte der Beschwerdeführer nicht ab. Gut einen Monat später wurde vom Strassenverkehrsamt der vorsorgliche Führerscheinentzug angeordnet. Allerdings holte der Beschwerdeführer auch diese eingeschriebene Verfügung nicht ab. Erst wiederum etwa einen Monat später konnte dem Beschwerdeführer die Verfügung von der Polizei übergeben werden.

Der Beschwerdeführer erachtet den vorsorglichen Führerscheinentzug als rechtswidrig, weil der auslösende Vorfall – ein Ehestreit – keinerlei Bezug zum Strassenverkehr hatte. Die Polizei hätte auch keinen Atemalkoholtest anordnen dürfen (E. 4.1). Die kantonalen Instanzen stellten sich auf den Standpunkt, dass bei der Anordnung einer Fahreignungsabklärung grds. stets auch ein vorsorglicher Führerscheinentzug anzuordnen sei und dass andererseits die mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers die Zweifel an der Fahreignung verstärken würden. Zu den Mitwirkungspflichten gehöre nach Ansicht der kantonalen Behörden, dass die betroffene Person die Untersuchungskosten vorschiessen und an den Untersuchungshandlungen teilnehmen muss. Nach Ansicht der Vorinstanz sei der vorsorgliche Sicherungsentzug die einzige Massnahme, mit welcher eine Fahreignungsabklärung durchgesetzt werden könne, wenn die betroffene Person es versäumt, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen (E. 4.2).

Autofahrer*innen müssen fahrgeeignet sein. Fahreignung setzt voraus, dass man frei von Süchten ist, die das sichere Führer von Motorfahrzeugen beeinträchtigen (Art. 14 Abs. 1 lit. c SVG). Leidet jemand an einer Sucht im Sinne des SVG, muss die Fahrerlaubnis auf unbestimmte Zeit entzogen werden, um die übrigen Verkehrsteilnehmer zu schützen (Art. 16d Abs. 1 lit. b). Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, muss eine Fahreignungsabklärung angeordnet werden, um diese Zweifel zu besätigen oder auszumerzen (Art. 15d SVG). Sind die Zweifel ernsthafter Natur und muss der Verkehr sofort geschützt werden, wird die Fahrerlaubnis der betroffenen Person umgehend vorsorglich entzogen (Art. 30 VZV). Beim vorsorglichen Führerscheinentzug handelt es sich um eine Präventionsmassnahme zur Wahrung der Sicherheit im Strassenverkehr. Strafprozessuale Garantien nach Art. 6 EMRK finden deshalb in diesem Verwaltungsverfahren keine Anwendung (E. 4.3-5).

Auch wenn die Voraussetzungen für die Fahreignungsabklärung und den vorsorglichen Entzug sehr ähnlich sind, müssen die Massnahmen nicht in jedem Fall zusammen angeordnet werden (E. 4.6). Verweigert die betroffene Person bei der Fahreignungsabklärung die Mitwirkung, können durchaus negative Schlüsse auf ihre Fahreignung gezogen werden. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist der vorsorgliche Führerscheinentzug aber keine Massnahme des Verwaltungszwangs, welche automatisch angeordnet werden kann, wenn jemand die Mitwirkung bei der Fahreignungsabklärung verweigert. Nur wenn durch die mangelnde Mitwirkung in Rahmen einer Gesamtbetrachtung ernsthafte Zweifel gemäss Art. 30 VZV entstehen, kann der vorsorgliche Entzug angeordnet werden (E. 4.7). Eine Trunksucht liegt nach dem verkehrsrechtlichen Suchtbegriff dann vor, wenn jemand regelmässig so viel Alkohol konsumiert, dass seine Fahrfähigkeit vermindert wird und er keine Gewähr bietet, den Alkoholkonsum zu kontrollieren und ihn ausreichend vom Strassenverkehr zu trennen, oder wenn die Gefahr nahe liegt, dass er im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt. Ernsthafte Zweifel sind etwa dann angebracht, wenn jemand wiederholt Trunkenheitsfahrten unternommen hat (E. 4.8).

Vorliegend war ein Ehestreit Auslöser des Verwaltungsverfahrens. Ein Bezug zum Strassenverkehr ist nicht erkennbar. Die vagen Angaben des Beschwerdeführers, dass er in eine Therapie gehe, vermögen keine ernsthaften Zweifel an seiner Fahreignung zu begründen. Zudem hat der Beschwerdeführer einen ungetrübten Leumund. Auch wenn sich der Beschwerdeführer bzgl. der angeordneten Fahreignungsabklärung unkooperativ verhielt, kann dadurch nicht automatisch auf ernsthafte Zweifel geschlossen werden. In einer interessanten Klammerbemerkung vergleicht das Bundesgericht den vorliegenden Fall mit jenem von Urteil 1C_556/2012, nach welchem die Angabe, wöchentlich vier Joints zu rauchen, grds. mit der Fahreignung vereinbart werden kann.

Die Beschwerde wird bzgl. des vorsorglichen Führerscheinentzuges gutgeheissen. Das Bundesgericht macht es den zuständigen Strassenverkehrsämtern mit diesem Entscheid nicht einfach. Wenn sich der Sachverhalt nicht zu Lasten der betroffenen Person ändert bzw. sich diese vlt. sogar bessert und z.B. selbstständig auf den Konsum von Alkohol verzichtet, dann dürfte die Anordnung eines vorsorglichen Führerscheinentzugs nicht möglich sein und die Durchsetzung der Fahreignungsabklärung schwierig werden. Man könnte sich überlegen, solche seltenen Fälle mit einer Strafandrohung nach Art. 292 StGB zu verbinden.

Verify und Fahreignung

BGE 1C_151/2021: Veryfiably unable to drive

Der Beschwerdeführer, Jahrgang 1955, wurde von der Polizei beobachtet, wie er mit 45km/h anstatt der erlaubten 60km/h und beinahe liegend im Auto unterwegs war. Bei der anschliessenden Kontrolle stellten die Polizisten verschiedene Auffall- und Ausfallerscheinungen fest. Wegen dem Vorfall wurde eine Blut- und Urinentnahme angeordnet, bei welcher er aber laut den Ärzten nicht beeinträchtigt wirkte. Das pharmakologisch-toxikologische Gutachten ergab keine Hinweise auf die Fahrfähigkeit beeinträchtigende Fremdstoffe. Da die Blutprobe keine Erklärung für die von der Polizei beobachteten Ausfallerscheinungen ergab, empfahl das IRM Zürich eine Fahreignungsabklärung. Gegen deren Anordnung durch das StVA Zürich wehrt sich der Beschwerdeführer.

Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, dass beim Beschwerdeführer nach dem Verify-Verfahren durch speziell geschulte Polizisten neben der komischen Fahrweise verschiedene Ausfallerscheinungen festgestellt wurden, wie Unruhe, verzägerte Reaktion, verwaschene Aussprache, schläfriger Zustand, Gleichgewichtsstörungen, unsicherer Gang, provokatives und aggressives Verhalten, gerötete Augen u.v.m. Dass den Ärzten bei der Entnahme der Blutprobe nichts mehr auffiel, spiele keine Rolle, denn die Untersuchung fand erst zwei Stunden nach der Fahrt statt (E. 2.1).

Der Beschwerdeführer entgegnet, dass die Feststellungen der Polizei erst später und kataloghaft aufgelistet wurden und im direkten Widerspruch zu den ärztlichen Feststellungen stünden. Die Polizisten seien offensichtlich nicht besonders gut geschult (E. 2.2).

Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, muss diese gemäss Art. 15d Abs. 1 SVG abgeklärt werden. Das gilt insb. dann, wenn ein Fall der litterae a-e dieser Bestimmung vorliegt. In solchen Fällen liegt ein Anfangsverdacht vor, der zwingend zu einer Fahreignungsabklärung führen muss. Nach Ansicht der Behörden liegt in casu ein Fall von Art. 15d Abs. 1 lit. e SVG vor, weil die Meldung gemäss der vorgenannten Bestimmung nicht nur durch behandelnde Ärzte, sondern auch durch Gutachter erstattet werden kann. Vorliegend hat der Leiter der Abteilung forensische Pharmakologie und Toxikologie die Fahreignungsabklärung empfohlen, was für die Annahme von Zweifeln genügt, insb. in Kombination mit den polizeilichen Feststellungen. Dies gilt auch, wenn der Hausarzt des Beschwerdeführers, welcher ihn für einen Diabetes mellitus behandelt, attestiert, dass aus seiner Sicht keine Probleme mit der Fahreignung bestehen. Zudem könnten diese durchaus eine Folge des Diabetes mellitus sein, da Unterzuckerzustände bei behandelten Diabetikern eine der Hauptursachen für anfallsartig auftretende Bewusstseinsstörungen am Steuer seien (E. 3.2). Der Beschwerdeführer kontert zusammengefasst, dass ein gut eingestellter Diabetes mellitus kein Grund für eine Fahreignungsabklärung ist (E. 3.3).

Das Bundesgericht lässt offen, ob die Meldung des Leiters der Abteilung forensische Pharmakologie und Toxikologie des IRM ZH nun als eine Meldung i.S.v. Art. 15d Abs. 1 lit. e SVG zu verstehen sei. Die Aufzählung in den litterae a-e des vorgenannten Artikels ist nicht abschliessend. Eine Fahreignungsabklärung kann auch angeordnet werden, wenn andere Zweifel begründende Feststellungen gemacht werden. Die Feststellungen der Polizei, die teilweise mit den Symptomen einer Unterzuckerung übereinstimmten sowie die Tatsache, dass es keine andere Erklärung für die Ausfall- und Auffallerscheinungen gab, begründen vorliegend für sich alleine schon genügend Zweifel an der Fahreignung, womit nach der Generalklausel in Art. 15d Abs. 1 SVG zu Recht eine Fahreignungsabklärung angeordnet wurde.

Voraussetzungen der Kontrollfahrt

BGE 1C_424/2020: Das holprige Parkmanöver (gutgh. Beschwerde)

Die 74-jährige Beschwerdeführerin wurde von der Polizei dabei beobachtet, wie sie beim seitlichen Einparkieren sowohl das vordere, als auch das hintere Fahrzeug touchierte, sodass sich diese merklich bewegten. Gegenüber den Polizisten äusserte sie sich dahingehend, dass sie das SVG nicht im Detail kenne und ihr nicht bewisst war, dass man Autos beim Parkieren nicht touchieren darf. Weil die Polizisten die Fahreignung anzweifelten, ordnete die Kantonspolizei Basel-Stadt eine Kontrollfahrt an. Die kantonalen Instanzen wiesen die von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Rechtsmittel ab.

Neben einigen formalen (und abgewiesenen) Rügen bemängelt die Beschwerdeführerin, dass die Voraussetzungen für eine Kontrollfahrt nicht erfüllt seien. Die Anordnung einer Kontrollfahrt setze aus ihrer Sicht ernsthafte Zweifel an der Fahreignung voraus. Solche lägen erst aber erst bei gravierenden Fahrfehlern vor. Das Touchieren von zwei Fahrzeugen beim Einparkieren sei aber noch kein gravierender Fahrfehler. Auch dass sie gegenüber den Beamten sagte, dass sie das SVG nicht kenne, lasse keinen Rückschluss auf ihre Fahrkompetenz zu (E. 4.1). Die Vorinstanz hingegen war der Meinung, dass die Beschwerdeführerin eine grössere Parklücke hätte suchen müssen, um das Parkiermanöver ohne Touchieren anderer Fahrzeuge durchzuführen. Dass sie gleich zwei Autos berührte, sei als gravierender Fahrfehler zu werten, da sie ihr Fahrzeug nicht richtig beherrschte (E. 4.2).

Bestehen Zweifel an der Fahreignung oder Fahrkompetenz einer Person, kann eine begleitete Kontrollfahrt angeordnet werden (Art. 15d Abs. 5 SVG i.V.m. 29 Abs. 1 VZV). Wird die Kontrollfahrt nicht bestanden, wird die Fahrerlaubnis entzogen. Die Kontrollfahrt kann nicht wiederholt werden. Bei älteren, auffälligen Lenkern lässt sich mit der Kontrollfahrt abklären, ob ihre Fahrtechnik den Anforderungen des heutigen Verkehrs genügt. Es gibt aber keine Vermutung, dass ältere Personen per se nicht mehr fahrgeeignet sind. Eine Kontrollfahrt kann deshalb nicht ausschliesslich wegen des Alters angeordnet werden. Allerdings dient die Kontrollfahrt der Verkehrssicherheit und es ist kein massiver Grundrechtseingriff. Deshalb dürfen die Anforderungen an die Anordnung einer Kontrollfahrt auch nicht überspannt werden (E. 4.3).

Entscheidend ist vorliegend also, ob das Parkmanöver der Beschwerdeführerin zur Anordnung einer Kontrollfahrt berechtigte. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung setzt die Anordnung einer Kontrollfahrt ein auffälliges Fahrverhalten voraus. Erforderlich sind insoweit gravierende Fahrfehler, welche regelmässig auch strafrechtliche Konsequenzen, das heisst insbesondere Verurteilungen nach Art. 90 SVG, nach sich ziehen können (zum Ganzen E. 4.4.2 mit vielen Beispielen). Nach Ansicht des Bundesgerichtes mag das Parkmanöver der Beschwerdeführerin „holprig“ gewirkt haben, auch wenn sie an den anderen Fahrzeugen keinen Sachschaden verursachte. Allerdings bezeichnet das Bundesgericht das Manöver als unproblematisch, weil es keine strafrechtlichen Konsequenzen hatte, im ruhenden Verkehr passierte und die Verkehrssicherheit nicht gefährdet wurde. Der Vorfall erreicht deshalb keine derartige Intensität, dass man von einem gravierenden Fahrfehler ausgehen müsste. Auch die Äusserungen der Beschwerdeführerin, dass sie keine Regel kenne, die ihr verbietet, Autos beim Einparkieren zu touchieren, rechtfertigen keine Kontrollfahrt. Nur wer elementare Verkehrsregeln nicht kennt, besitzt nicht die nötige Fahrkompetenz und gefährdet die Verkehrssicherheit.

Die Beschwerde wird deshalb gutgeheissen.

Härtefallregelung bei Sicherungsmassnahmen?

BGE 1C_362/2020: Des Bauerns Sorgen mit der Kat. G (gutgh. Beschwerde)

Dem Beschwerdegegner wurde die Fahrerlaubnis sicherheitshalber entzogen, weil er viermal in alkoholisiertem Zustand Auto gefahren und bei der vierten Widerhandlung sogar einen Verkehrsunfall verursachte. Die Wiedererteilung wurde von einer Fahreignungsabklärung abhängig gemacht. Eine Beschwerde dagegen wurde insofern gutgeheissen, als dass die Kategorie für Traktoren wiedererteilt wurde, damit der Beschwerdegegner seinen landwirtschaftlichen Betrieb aufrecht erhalten konnte. Im Verlaufe des Administrativverfahrens wurde ihm die Fahrbewilligung unter der Auflage der Alkoholabstinenz wiedererteilt. In der folgenden Haaranalyse allerdings wurde Ethylclucoronid nachgewiesen, damit gegen die Auflagen verstossen und die Fahrbewilligung sicherheitshalber entzogen. Die Beschwerdeinstanz entschied danach, dass die Spezialkategorie G wiederum erteilt werden sollte. Das Verkehrsamt Kt. SZ erhebt dagegen Beschwerde beim Bundesgericht.

Die Vorinstanz war der Ansicht, dass trotz fehlender Fahreignung der Beschwerdegegner als Landwirt dringend auf die Spezialkategorie G angewiesen sei. Mit dem Trekker habe er sich auch nie etwas zu Schulde kommen lassen. Zudem gehe es auch darum, einen Sozialhilfefall zu vermeiden. Das Verkehrsamt hingegen rügt, dass es bundesrechtswidrig sei, die Spezialkategorie G zu belassen, obwohl die Fahreignung grds. verneint wurde (E. 2.1/2).

Führerausweise sind zu entziehen, wenn die in Art. 14 SVG stipulierten Voraussetzungen für die Teilnahme am Strassenverkehr nicht mehr erfüllt sind. Leidet jemand an einer Sucht, kann dies die Fahreignung ausschliessen und die Fahrbewilligung muss entzogen werden. Sicherungsentzüge dienen der Gewährleistung der Verkehrssicherheit; in den entsprechenden Verfahren gilt die Unschuldsvermutung nicht (E. 2.3).

Die Haaranalyse ergab einen Wert von 9.3pg/mg und belegte damit, dass der Beschwerdegegner Alkohol konsumiert und gegen die Auflage der Alkoholabstinenz verstossen hatte. Im verkehrsmedizinischen Bericht wurde deshalb von einer Rückfallsgefahr und damit auch von einer erhöhten Möglichkeit ausgegangen, dass der Beschwerdegegner wieder alkoholisiert am Strassenverkehr teilnehmen könnte. Explizit wurde die Fahreignung auch für die Spezialkategorie G verneint, weshalb gegen den Entzug über alle Kategorien nichts einzuwenden ist (E. 2.4).

Das Bundesgericht prüft deshalb nur noch, ob es i.S. einer Härtefallklausel möglich ist, dennoch die Spezialkategorie G zu belassen.

Die Vorinstanz stütze sich bei ihrem früheren Entscheid auf Art. 33 Abs. 5 VZV der besagt, dass in Härtefällen für verschiedene Kategorien unter Einhaltung der gesetzlichen Mindestdauern unterschiedlich lange Ausweisentzüge verfügt werden können, wenn
a. die Widerhandlung mit einem Fahrzeug erfolgte, welches die betroffene Person beruflich nicht benötigt und
b. die betroffene Person unbescholten ist bzgl. der (Spezial)Kategorie, für welche die Entzugsdauer verkürzt werden soll.

Für die Anwendung der Härtefallklausel besteht bei Sicherungsmassnahmen kein Raum. Der Sicherungsentzug gemäss Art. 17 Abs. 5 SVG dient der Verkehrssicherheit und wird verschuldensunabhängig angeordnet. Vorliegend steht fest, dass dem Beschwerdegegner die Fahreignung für die Spezialkategorie G fehlt. Ohne entsprechende Fahreignung fehlen die Voraussetzungen für die Erlangung der Fahrbewilligung gemäss Art. 14 SVG, womit die Fahrerlaubnis zu entziehen ist. Auch wenn der Entzug der Spezialkategorie G für die Berufsausübung des Beschwerdegegners einschneidend ist, so ist die Massnahme dennoch nicht unverhältnismässig. Der Beschwerdegegner hat es sich selber zuzuschreiben, dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen wird, zumal er schon einmal die Chance hatte, sich zu bessern.

Die Beschwerde des Verkehrsamts wird gutgeheissen.

Zweifelhaftes Kiffen

BGE 1C_330/2020: Kein vorsorglicher Entzug fürs Kiffen (teilw. gutgh. Beschwerde)

Mit diesem interessanten Entscheid präzisiert das Bundesgericht seine Rechtsprechung zum Kiffen und Autofahren. Wer unter Drogeneinfluss autofährt, muss sich einer Fahreignungsabklärung stellen (Art. 15d Abs. 1 lit. b SVG). Nach gefestigter Rechtsprechung wird mit der Fahreignungsabklärung in der Regel auch ein vorsorglicher Entzug des Fahrausweises gemäss Art. 30 VZV angeordnet (vgl. z.B. BGE 1C_41/2019). Allerdings ist die Kombination der Massnahmen kein Automatismus, denn die Voraussetzungen der Fahreignungsabklärung und des vorsorglichen Entzugs sind nicht die gleichen. Für die Fahreignungsabklärung werden Zweifel, für den vorsorglichen Entzug ernsthafte Zweifel vorausgesetzt (vgl. dazu die Ausführungen in BGE 1C_184/2019 E. 2.1). Dieser Entscheid befasst sich mit der Frage, wann bei Kiffer ein vorsroglicher Entzug berechtigt ist.

Bei einer Verkehrskontrolle wurde beim Beschwerdeführer Cannabis im Auto gefunden, woraufhin eine Blut- und Urinentnahme angeordnet wurden. Das pharmakologisch-toxikologische Gutachten ergab einen THC-Wert von 1.8-3.6µg/L sowie einen THC-COOH-Wert von 41µg/L. Daraufhin entzog die MFK SO den zwischenzeitlich wieder ausgehändigten Fahrausweis vorsorglich und ordnete eine Fahreignungsabklärung an. Der Beschwerdeführer verlangt eventualiter die Aufhebung des vorsorglichen Entzuges.

Der Beschwerdeführer war mit mind. 1.8µg/L THC im Blut fahrunfähig im Sinne des Gesetzes, da die gesetzliche Vermutung von Art. 34 ASTRA-VO i.V.m. Art. 2 Abs. 2 VRV griff (E. 2.1). Der gemessene THC-COOH-Wert von 41µg/L lasse zudem auf einen mehr als gelegentlichen Cannabiskonsum schliessen, auch wenn in der kantonalen Rechtsprechung erst ab einem Wert von 75µg/L von Zweifeln im Sinne von Art. 15d SVG ausgegangen werden kann (vgl. z.B. Entscheid Verwaltungsgericht GL vom 29.6.2017). Zudem hat der Beschwerdeführer Cannabis im Auto mitgeführt. All dies berechtigt zu Zweifeln i.S.v. Art. 15d SVG, auch wenn der Beschwerdeführer seit der Kontrolle abstinent gewesen sein soll (E.2.2-4).

Der Beschwerdeführer stellt sich sodann auf den Standpunkt, dass Cannabis keine Droge sei, die nach Art. 15d SVG die Fahrfähigkeit „stark beeinträchtige“. Gemäss den Materialien des Gesetzgebers ist aber klar, dass das „Fahren unter Drogeneinfluss“ stets zu einer Fahreignungsabklärung führen soll. Nur das Mitführen weicher Drogen (wie Cannabis) führt von sich aus noch nicht zu Zweifeln an der Fahreignung. Da der Beschwerdeführer nachweislich unter dem Einfluss von Cannabis autofuhr, ist die Abklärung der Fahreingung nötig (E. 3).

Schliesslich wendet sich der Beschwerdeführer gegen den vorsorglichen Entzug der Fahrerlaubnis. Aus seiner Sicht sei es willkürlich, wenn diese zunächst wieder ausgehändigt werde, nur um danach wieder vorsroglich entzogen zu werden (E. 4.2). Ein vorsorglicher Entzug setzt ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person voraus. Solche Zweifel sind berechtigt, wenn konkrete Anhaltspunkte eine Person als besonderes Risiko für die anderen Verkehrsteilnehmer erscheinen lassen und es daher unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit nicht zu verantworten wäre, ihr den Führerausweis bis zur Beseitigung der Zweifel zu belassen. In der Regel berechtigt die Anordnung einer Fahreignungsabklärung auch einen vorsorglichen Entzug der Fahrerlaubnis. Rechtsmitteln wird zugunsten der Verkehrssicherheit die aufschiebende Wirkung entzogen. Von diesem Grundsatz kann abgewichen werden, wenn anzunehmen ist, dass die betroffene Person kein besonderes Risiko für die Verkehrssicherheit darstellt. So bestanden keine ernsthaften Zweifel bei:

Die Vorinstanz nannte keine differenzierten Gründe für die Anordnung des vorsorglichen Entzuges. Solche sind nach dem BGer auch nicht erkennbar. Der THC-COOH-Wert von vorliegend 41µg/L sei als Grenzfall zu werten. Die von der SGRM empfohlene Grenze, das ab einem Wert von 40µg/L eine Fahreingungsabklärung anzuordnen sei, wurde in der Lehre und Rechtsprechung zum Teil als zu Tief qualifiziert. Im aktuellen Leitfaden Fahreignung wird zwar ab einem THC-COOH-Wert von 40µg/L im Blut i.d.R. die Abklärung der Fahreignung empfohlen, allerdings ohne vorsorglichen Entzug. Aus dem festgestellten THC-COOH-Wert und dem tiefen THC-Wert von mind. 1.8µg/L schliesst das BGer, dass beim Beschwerdeführer keine ernsthaften Zweifel an der Fahreignung bestehen, zumal in Bezug auf Cannabis kein gesicherter THC-Grenzwert für die tatsächliche Fahrfähigkeit besteht, weshalb nicht ohne weiteres vom Nachweis von THC im Körper des Betroffenen auf fehlende Fahrfähigkeit geschlossen werden kann.

Somit war die Anordnung eines vorsorglichen Führerscheinentzuges vorliegend nicht korrekt.

Oster-Rundschau neue BGE

Liebe Verkehrsrechtsenthusiast*innen

In letzter Zeit musste der Schreiberling den Blog aus familiären Gründen etwas vernachlässigen. Deshalb fassen wir die Entscheide der letzten Wochen in einer Art Rundschau kurz zusammen.

BGE 1C_298/2020: Verkehrspsychologische Abklärung
Die Teilnahme an einem illegalen Rennen in Deutschland berechtigt zur Anordnung einer psychologischen Fahreignungsabklärung. Interessant: Der vorsorgliche Entzug wurde von der Vorinstanz aufgehoben.

BGE 1C_415/2020: Dauer der Massnahme, Bindung an das Strafurteil
Das Strassenverkehrsamt ist an den Strafbefehl gebunden. Man kann nicht erst im Administrativverfahren die Beweisverwertung einer privaten Dashcamaufnahme anprangern. Das hätte im Strafverfahren gemacht werden müssen.
In der Einzelfallbeurteilung zur Dauer der Massnahme war es gerechtfertigt, wegen mehrern groben Verkehrsregelverletzungen den Führerschein für fünf Monate zu entziehen, auch wenn der Beschwerdeführer einen unbescholtenen Leumund hatte und beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist.

BGE 1C_319/2020: Fahreignung aus medizinischen Gründen
Der Verdacht auf ein Schlaf-Apnoe-Syndrom, eine Polyneuropathie (Erkrankung des Nervensystems) und erhöhter Alkoholkonsum berechtigen zur Anordnung einer Fahreignungsabklärung. Die Fahrerlaubnis war nicht vorsorglich entzogen.

BGE 6B_716/2020: Die abgeurteilte Sache in Europa
Dieses äusserst interessante und komplexe Urteil beschäftigt sich mit der Frage, wann nach dem Schengener Durchfühurngsübereinkommen in Europa eine abgeurteilte Sache vorliegt, also die Schweiz eine Person nicht mehr bestrafen kann, weil bereits ein ausländisches Urteil vorliegt. Grundlage ist ein Raserdelikt in der Schweiz. Zumindest über einen Teil des Sachverhalts (Fahren ohne Berechtigung) erliess die deutsche Staatsanwaltschaft ohne grössere Abklärungen eine Einstellung. Die Schweiz erklärte bei der Ratifikation des SDÜ gemäss Art. 55 SDÜ aber, nicht an Art. 54 SDÜ gebunden zu, wenn die Tat ganz in der Schweiz begangen wurde, was hier der Fall war. Die Schweizer Strafbehörden durften den Beschwerdeführer also wegen Rasens verurteilen.

BGE 6B_1125/2020: Tödliches Überholmanöver
Bei einem Überholmanöver übersieht der Beschwerdeführer ein entgegenkommendes Mofa. Dessen Lenker stirbt tragischerweise an den Unfallfolgen. Zu Recht wurde der Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Der Entscheid befasst sich exemplarisch mit den Voraussetzungen der Fahrlässigkeit und der Aufmerksamkeit nach Art. 31 SVG.

BGE 6B_1147/2019: Motorradunfall bei Nässe, angemessene Geschwindigkeit
Bei einem Überholmanöver auf regennasser Autobahn mit ca. 120km/h verlor der Beschwerdeführer die Kontrolle über sein Motorrad. Er stellt sich auf den Standpunkt wegen einer Asphaltfuge und nicht etwa wegen dem Regen gestürzt zu sein. Das sei nicht vermeidbar gewesen. Die Geschwindigkeit muss allerdings den Umständen angepasst werden. So verhielt sich der Beschwerdeführer pflichtwidrig, indem er die zulässige Geschwindigkeit bei nasser Fahrbahn und schlechter Sicht ausfuhr und just vor einer Kurve zu einem Überholmanöver ansetzte. Als erfahrener Motorradfahrer hätte er vorhersehen können, dass sein Motorrad bei nasser Fahrbahn wegrutschen kann. Mit einer Anpassung der Geschwindigkeit hätte der Unfall vermieden werden können.

Charakterliche Fahreigung

BGE 1C_405/2020: „Mensch, beherrsche Dich!“

Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen die Anordnung einer verkehrspsychologischen Fahreignungsuntersuchung. Ein vorsorglicher Entzug wurde aber nicht angeordnet. Grund für die Anordnung sind verschiedene verkehrsrechtliche Vorkommnisse, bei welchen der Beschwerdeführer ein fragwürdiges Verhalten an den Tag gelegt hat.

Im September 2018 lieferte sich der Beschwerdeführer mit einem Rollerfahrer ein Wortgefecht auf offener Strasse, nachdem dieser ihn überholt hat. Dabei sei er auch absichtlich in den abgestellten Roller gefahren und habe die Unfallstelle ohne Angaben seiner Personalien verlassen.

Schon am nächsten Tag überholte der Beschwerdeführer auf dem Mont Vully eine Joggerin und verursachte mutmasslich einen Verkehrsunfall. Im Anschluss verhielt er sich gegenüber der Joggerin und den anderen Beteiligten aggressiv und mit feindlichem Grundton.

Im Februar 2019 missachtete er den Vortritt eines Fussgängers, indem er zunächst vor dem Streifen anhielt, dann aber rückartig wiederholt auf den Streifen zufuhr. Der Fussgänger fühlte sich dadurch genötigt bzw. musste sich in Sicherheit bringen.

Gemäss Art. 14 SVG müssen Motorfahrzeugführer über Fahreignung und -kompetenz verfügen. Fahrgeeignet ist u.a. wer nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr biete, als Motorfahrzeugführer die Vorschriften zu beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht zu nehmen. Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, wird gemäss Art. 15d SVG eine Fahreignungsuntersuchung angeordnet. Zweifel bestehen gemäss Art. 15d Abs. 1 lit. c SVG namentlich, wenn sich eine Person rücksichtslos verhält. In den Beispielfällen von Art. 15d Abs. 1 SVG ist ohne Weiteres eine Fahreignungserklärung anzuordnen. Diese Tatbestände begründen einen Anfangsverdacht, wobei konkrete Beweise nicht vorliegen müssen. Ansonsten müsste wohl gleich ein Sicherungsentzug angeordnet werden. Bei Sicherungsmassnahmen spielt sodann die Unschuldsvermutung keine Rolle und ein Administrativmassnahmenverfahren muss auch nicht bis zum Abschluss des Strafverfahrens sistiert werden (E. 2.2).

Das Verhalten des Beschwerdeführers vermag zwar noch keine ernstlichen Zweifel i.S.v. Art 30 VZV und somit einen vorsoglichen Ausweisentzug begründen. Das mutmassliche Verhalten des Beschwerdeführers deute aber auf eine geringe Frustrationstoleranz. Es ist insofern zweifelhaft, ob der Beschwerdeführer über die für die Teilnahme am Strassenverkehr nötige Selbstbeherrschung verfügt. Ebenso fehle es dem Beschwerdeführer anlässlicher seiner Fehler an Selbstreflexion und Einsichtsfähigkeit. Generell stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer genug verantwortungsbewusst ist für die Teilnahme am Strassenverkehr (E. 2.5).

Die Einwände des Beschwerdeführers zu den nicht abgeschlossenen Strafverfahren bzw. der Unschuldsvermutung stehen der Anordnung von Sicherungsmassnahmen nicht entgegen. Die Beschwerde wird zu Recht abgewiesen.

Parkinson und Autofahren

BGE 1C_441/2020: Begutachtung der Fahreigung

Aufgrund einer ärztlichen Meldung ordnete das Strassenverkehrsamt Kt. ZH an, dass ein medizinischer Verlaufsbericht vom Beschwerdeführer zu seiner Erkraunkung einzureichen sei. Der Beschwerdeführer reichte darauf ein Attest ein, laut welchem die Krankheit gut eingestellt sei und keine weiteren Abklärungen nötig seien. Das Strassenverkehrsamt legte das Attest danach dem IRM ZH vor, welches das Attest als unvollständig und eine Fahreignungsabklärung als nötig erachtete. Die Abklärung fiel negativ aus. Die Fahrerlaubnis wurde sicherheitshalber entzogen.

Der Beschwerdeführer erachtet die Begutachtung als willkürlich. Einerseits äusserte sich das eingereichte Attest grds. positiv zu seiner Fahreignung, andererseits sei die Fahreignungsabklärung aus Sicht des Beschwerdeführers nicht vollständig gewesen. Er bemängelt insb., dass keine Kontrollfahrt angeordnet wurde, bei welcher er seine kognitiven Fähigkeiten hätte beweisen können (E. 2.1).

Gemäss Art. 16d Abs. 1 lit. a SVG wird der Lernfahr- oder Führerausweis einer Person auf unbestimmte Zeit entzogen, wenn ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nicht oder nicht mehr ausreicht, ein Motorfahrzeug sicher zu führen. Der Entzug des Führerausweises wegen fehlender Fahreignung ist ein Entzug zu Sicherungszwecken (sog. Sicherungsentzug). Dieser wird angeordnet, um die zu befürchtende Gefährdung der Verkehrssicherheit durch einen ungeeigneten Fahrzeugführer in der Zukunft zu verhindern, nicht um den Betroffenen wegen einer begangenen Verkehrsregelverletzung zu bestrafen. Er setzt keine schuldhafte Widerhandlung im Strassenverkehr voraus (E. 2.3).

Bei der Fahreingungsabklärung wurden erhebliche kognitive Beeinträchtigungen festgestellt. Diese betrafen Aufmerksamtkeit, Konzentration sowie das schnelle Erfassen und Verarbeiten von Sinneseindrücken. Der Beschwerdeführer schien von den entsprechenden Tests überfordert. Sicherheitshalber wurde daraufhin von der sachverständigen Person auf eine Kontrollfahrt verzichtet. Aus Sicht des Bundesgerichts ist es dabei nicht zu beanstanden, dass keine Kontrollfahrt mehr durchgeführt wurde. Für diese bzw. die Teilnahme am Strassenverkehr ist nämlich bereits eine uneingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit nötig (E. 2.4.1).

Das Urteil macht nach m.E. Sinn, denn man hat nicht in jedem Fall den Anspruch auf eine Kontrollfahrt. Diese wird gemäss Art. 5j VZV bei „nicht schlüssigen“ Untersuchungsergebnissen angeordnet. Vorliegend schien die Sache allerdings klar gewesen zu sein.

Zwischen- oder Endentscheid?

BGE 1C_42/2020: Vorsorglicher Entzug nach Cannabis-FuD, Änderung der Rechtsprechung (zur amtl. Publ. vorgesehen)

Mit etwas Verspätung wird dieses Urteil gefeatured. Nicht nur enthält es wichtige Einzelheiten für die Behörden für die Beschwerdeführung vor Bundesgericht. Auch die Gedanken der Vorinstanz zum Kiffen und der Fahreignung sind spannend.

Bei einer Verkehrskontrolle fiel der beim Beschwerdeführer durchgeführte Drogenschnelltest positiv auf Cannabis aus. Der Fahrausweis wurde zwar durch die Polizei vorläufig abgenommen, von der MFK SO aber wieder ausgehändigt. Nachdem die Auswertung der Blutprobe einen THC-Wert von mind. 1.54 Mikrogramm pro Liter Blut ergab, wurde der Fahrausweis von der Behörde vorsorglich entzogen und eine Fahreignungsabklärung angeordnet. Das Verwaltungsgericht hob die entsprechende Verfügung aber auf, woraufhin die MFK den Fahrauweis wiedererteilte. Die Behörde gelangen mit Beschwerde an das Bundesgericht und verlangen den vorsorglichen Entzug der Fahrerlaubnis des Beschwerdeführers. Das BGer weist die Beschwerde ab.

Normalerweise wenden sich Bürgerinnen und Bürger gegen eine Sicherungsmassnahme bzw. gegen die Fahreignungsabklärung und den vorsorglichen Entzug. I.c. ist es aber das Amt, dass sich gegen den vorinstanzlichen Entscheid wenden möchte, wozu es auch gemäss Art. 24 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG legitimiert ist.

Mit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis und dem Verzicht auf die Fahreignungsabklärung wurde nach Ansicht des Bundesgerichts das Administrativmassnahmeverfahren endgültig abgeschlossen. Entgegen der früheren Rechtsprechung liegt insofern ein End– und nicht ein Zwischenentscheid vor.

Das Verfahren betrifft vorsorgliche Massnahmen des Strassenverkehrsrecht. Diesbzgl. kann vor Bundesgericht gemäss Art. 98 BGG nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geprüft werden. Die Behörden rügen allerdings eine Verletzung von Art. 15d SVG und damit nicht die verletzung verfassungsmässiger Rechte. Aus diesem Grund wird auf die Beschwerde nicht eingetreten.

Interessant ist aber auch der diesem Urteil zugrundeliegende Entscheid des Verwaltungsgerichtes Solothurn vom 20. Dezember 2019 (VWBES.2019.408). Ganz kurz zusammengefasst, stützte das Verwaltungsgerichts die Ansicht des Beschwerdeführers, dass keine Gründe für Zweifel an dessen Fahreignung vorliegen. Zwar überschritt er den Grenzwert der ASTRA-VO bzgl. THC, was eine Fahrunfähigkeit belegt. Allerdings war der THC-COOH-Wert im Blut der Beschwerdeführers mit 14 Mikrogramm pro Liter Blut deutlich unter dem Wert von 49 Mikrogramm pro Liter Blut, ab welchem nach Ansicht des Bundesgerichts (BGE 1C_618/2015) noch kein chronischer Cannabiskonsum vorliegt, der eine Fahreignungsabklärung rechtfertige. Das Verwaltungsgericht erachtete lediglich eine Warnmassnahme wegen FuD als gerechtfertigt.