Wo sind die Kontrollschilder?

Urteil 6B_1020/2023: Mittäterschaft beim Nichtabgeben von Kontrollschildern trotz behördlicher Aufforderung nach Art. 97 Abs. 1 lit. b SVG bei Geschäftsfahrzeugen durch GL-Mitglieder? (zur amtl. Publikation vorgesehen)

Der Beschwerdeführer ist Verwaltungsratsmitglied mit Einzelunterschrift einer Firma, auf welche ein Mercedes eingelöst war. Da die Verkehrsabgaben für dieses Fahrzeug nicht bezahlt wurden, setzte das Strassenverkehrsamt Kt. FR eine zehntägige Frist, um entweder die Steuern zu bezahlen oder die Kontrollschilder der Behörde zukommen zu lassen. Da der behördlichen Aufforderung keine Folge geleistet wurde, wurde der Beschwerdeführer mit einer bedingten Geldstrafe und einer Busse bestraft, wegen Mittäterschaft beim Missbrauch von Kontrollschildern. Der Beschwerdeführer ist aber der Ansicht, dass ihn keine Schuld träfe, weil nicht er, sondern ein Dritter materieller Halter des Fahrzeuges gewesen sei.

In objektiver Hinsicht setzt die Strafnorm von Art. 97 Abs. 1 lit. b SVG voraus, dass ein Kontrollschild ungültig ist und dass eine Behörde die Rückgabe des Kontrollschildes fordert. Die Strafnorm dient der Durchsetzung dieser Aufforderung. Damit betroffene Personen die Kontrollschilder schnellstmöglich zurückgeben und nicht etwa noch weiter herumfahren, handelt es sich bei der Straftat um ein Vergehen und nicht etwa um eine Übertretung (E. 2.1). Bevor Kontrollschilder polizeilich eingezogen werden, muss eine kurze Frist angesetzt werden (Art. 107 Abs. 3 VZV). Der Halter eines Fahrzeuges ergibt sich gemäss Art. 78 Abs. 1 VZV aus den tatsächlichen Verhältnissen. Der Gesetzgeber geht also vom materiellen Halterbegriff aus, und nicht etwa vom formellen. Halter ist grundsätzlich, wer das Fahrzeug benutzt und z.B. auch Reparatur- oder Benzinkosten übernimmt. Formeller Halter ist die Person, die im Fahrzeugausweis steht (vgl. dazu auch BGE 144 II 281 E. 4.3.1).

Der Beschwerdeführer stellt sich im Wesentlichen auf den Standpunkt, dass er nicht materieller Halter des Fahrzeuges war. Dieses war im Besitz einer Drittperson, welche dies auch schriftlich bestätigte. Die kantonalen Instanzen waren zwar ebenfalls der Meinung, dass der Beschwerdeführer nicht materieller Halter des Autos war, aber dass er dennoch an der Straftat mitwirkte. Denn trotz mehrer Schreiben seitens der kantonalen Behörde, blieb der Beschwerdeführer während ca. fünf Monate untätig und teilte z.B. auch die Koordinaten des materiellen Halters nicht mit. Durch seine Untätigkeit nahm der Beschwerdeführer in Kauf, dass die Kontrollschilder nicht rechtzeitig zurückgegeben würden. Zudem trifft ihn als Verwaltungsratsmitglied der Firma auch eine Mitwirkungspflicht bei der Feststellung des Halters eines Geschäftsfahrzeuges (Art. 78 Abs. 2 VZV). Und schliesslich hätte der Beschwerdeführer besonders aufmerksam sein müssen, denn es war nicht das erste Mal, dass er in eine solche Geschichte verstrickt war (E. 2.3).

Der Beschwerdeführer ist der Meinung, dass nur der materielle Halter eines Fahrzeuges den Straftatbestand von Art. 97 Abs. 1 lit. b SVG erfüllen kann. Dem widerspricht allerdings das Bundesgericht. Dem klaren Gesetzestext kann entnommen werden, dass die Strafnorm nicht nur von einem Halter erfüllt werden kann (wie z.B. Art. 93 Abs. 2 lit. b, 96 Abs. 3 oder 99 Abs. 2 SVG). Zudem würde die Rechtsansicht des Beschwerdeführers die kantonalen Behörden vor grosse Probleme stellen. Denn immer dort, wo die formelle und die materielle Halterschaft nicht übereinstimmen und die Behörde den materiellen Halter gar nicht kennt, würde dies eine Bestrafung nach Art. 97 Abs. 1 lit. b SVG verunmöglichen. Vorausgesetzt ist – wir erinnern uns – dass der Halter aufgefordert wurde, die Kontrollschilder zurückzugeben. Kennt die Behörde wie i.c. den materiellen Halter gar nicht, könnte sie diesen auch nie auffordern, die Schilder zurückzugeben, was der ratio legis der Strafnorm widersprechen würde. Aus Sicht des Bundesgerichts hätte der Beschwerdeführer der kantonalen Behörde gemäss Art. 74 Abs. 5 VZV mitteilen müssen, dass seine Firma nicht materielle Halterin des Mercedes war, als die Behörde die Rückgabe der Schilder forderte. Indem der Beschwerdeführer den Behörden über mehrere Monate nicht dabei half, die Schilder einzuziehen, machte er sich nicht nur der Mittäterschaft schuldig, sondern er erfüllte Art. 97 Abs. 1 lit. b SVG als unmittelbarer Täter.

Fazit: Juristische Personen, welche als formelle Halter in Fahrzeugausweisen von Geschäftsfahrzeugen eingetragen sind, müssen gut darüber Bescheid wissen bzw. den Behörden Auskunft darüber geben können, wer materieller Halter des Autos ist. Ansonsten macht sich die zuständige Person nach Art. 97 Abs. 1 lit. b SVG strafbar, wenn die Kontrollschilder mangels Kooperation nicht eingezogen werden können.

Bonus-Urteile

Urteil 1C_179/2023: Wer mit einem Motorrad mangels genügendem Abstandes mit dem Heck eines vorfahrenden Fahrzeuges kollidiert, begeht eine mittelschwere Widerhandlung. Mit entsprechenden Vorbelastungen führt das zu einem Führerausweis-Entzug für immer.


Urteil 1C_139/2023: Wenn eine Person mit Kokain beim Autofahren erwischt wird und der Konsum ebenfalls erwiesen ist, muss deren Fahreignung abgeklärt und der Führerausweis vorsorglich entzogen werden. Ergibt die Abklärung, dass die Fahreignung nicht gegeben ist, muss der Führerausweis sicherheitshalber entzogen werden, bis die Voraussetzungen für die Wiederzulassung erfüllt sind. Die Behörden sind an entsprechende Gutachten gebunden. Es verstösst auch nicht gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip, wenn für die Wiederzulassung zum Strassenverkehr gefordert wird:

– Haaranalysen zum Nachweis einer Alkoholtotal- und einer Betäubungsmittelabstinenz
– Sozialtherapie bzgl. Alkohol- und Drogenkonsum während mind. 6 Monate.

Dass die Beschwerdeführerein beruflich auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen ist, spielt bei Sicherungsmassnahmen keine Rolle.


Urteil 6B_1082/2022: Wer in einem Fahrzeug als Beifahrer die Handbremse zieht, weil betroffene Person der Meinung ist, der Lenker fahre zu schnell, wodurch es zu einem Unfall kommt, begeht eine grobe Verkehrsregelverletzung. Auch wenn der Lenker stark alkoholisiert war, handelt man weder in rechtfertigendem, noch in entschuldbarem Notstand, wenn man die Handbremse zieht, um das Auto zu stoppen.

Kleiner Ferienrückblick

Da liegt man gemütlich am Stand auf einer subtropischen Insel und kann nur an eines denken: Was gibt es bloss für Neuigkeiten in der Schweiz zum Strassenverkehr. Wir schauen zurück auf die letzten paar Wochen und fassen Aktuelles kurz zusammen. Da die Leserschaft hier aus eingefleischten SVG-Nerds besteht, dürften die meisten Neuerungen sowieso schon bekannt sein.

Änderung des SVG per 1. Oktober 2023

Viele der Änderungen haben wir entweder schon im Blog behandelt, oder sie wurden in der Presse bereits ausführlich diskutiert. Deshalb hier nur noch die summarische Auflistung:

  • Mehr richterliches Ermessen bei der Sanktionierung von Raserdelikten
    In Einzelfällen kann die Mindeststrafe von einem Jahr unterschritten werden, was auch zu einem kürzeren Führerausweisentzug führt.
  • Widerhandlungen mit FAP
    Die „Lex Freysinger“ hat ihren Spiessrutenlauf hinter sich. Eine leichte Widerhandlung führt nicht mehr zur Verlängerung der Probezeit oder dessen Annullation.
  • Erleichterungen für Blaulichtorganisationen
    Damit Ordnungskräfte ihre (Hilfs-)Einsätze wahrnehmen können, wird das Gesetz angepasst.
  • Halterhaftung für juristische Personen bei Ordnungsbussen
    Im Urteil 6B_252/2017 entschied das BGer, dass für Ordnungsbussen für juristische Personen die gesetzliche Grundlage fehlt. Diese wird nun nachgereicht (Art. 7 Abs. 1 OBG)
  • Regulierung von Fahrzeugen mit Automatisierungssystem in Art. 25a

Weitere Infos:
Medienmitteilung ASTRA vom 16.8.2023

Einige erwähnenswerte neue Urteile

  • Urteil 1C_104/2023: Rechtsüberholen und seine Folgen
    Ein als einfache Verkehrsregelverletzung bestraftes Rechtsüberholen (zwei Fahrzeuge gleichzeitig auf dreispuriger Autobahn) ist eine mittelschwere Widerhandlung. Mit den entsprechenden Vorbelastungen führt das zu einem Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit. Das Überholmanöver konnte nach der neueren Rechtsprechung auch nicht unter den Ordnungsbussentatbestand subsumiert werden, da der Beschwerdeführer auf einer dreispurigen Autobahn ohne zu blinken von der linken auf die rechte Spur wechselte und bei mittlerer Verkehrsauslastung gleich vier Fahrzeuge überholte.
  • Urteil 6B_1137/2022: Das ultimative Drängeln
    Wer auf der Autobahn ein vorfahrendes Fahrzeug mit der Frontstossstange „antütscht“, um dessen Fahrer zu einem Spurwechsel zu „überzeugen“ und sodass dieser verunfallt, begeht eine qualifiziert grobe Verkehrsregelverletzung.
  • Urteil 6B_254/2023: Denkt an den Wald!
    Auch wenn die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h ausserorts u.a. im Rahmen der Debatte zum „Waldsterben“ eingeführt wurde und es dem Wald heute wieder gut geht, heisst das natürlich nicht, dass die Tempolimite heute keine Relevanz mehr hat. Denn die Regeln zur Höchstgeschwindigkeit dienen natürlich vorwiegend der Verkehrssicherheit. Insofern ist eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 34km/h ausserorts eine grobe Verkehrsregelverletzung. Zum Thema: Artikel Tagesanzeiger vom 6.1.2015: „Wie das Waldsterben die Schweizer Strassen sicherer machte“
  • Urteil 1C_630/2022: Signale bitte beachten
    Wer auf der Autobahn übersieht, dass die linke Spur gesperrt ist, zum Überholen ansetzt und danach verunfallt, sodass sogar Strassenarbeiter in Sicherheit hechten müssen, begeht eine grobe Verkehrsregelverletzung bzw. eine schwere Widerhandlung.
  • Urteil 6B_1059/2022: Ordnungsbusse oder nicht?
    Der Beschwerdegegner überschritt auf der Autobahn bei einer Baustelle die Höchstgeschwindigkeit von 60km/h um 21km/h. Dafür wurde er von der Berufungsinstanz mit einer Ordnungsbusse von CHF 260 bestraft. Die Staatsanwaltschaft erhebt Beschwerde gegen dieses Urteil. Grds. ist die Staatsanwaltschaft der Meinung, dass das Gefährdungspotential unter diesen Umständen nicht mit den Ordnungsbusstentatbeständen verglichen werden kann und deshalb von einer einfachen Verkehrsregelverletzung ausgegangen werden muss. Sie beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, nach welcher Abschnitte der Autobahn, die von einer Geschwindigkeitsbegrenzung unterhalb von 120 km/h betroffen sind, hinsichtlich des Gefahrenpotentials mit einer Ausserortsstrecke vergleichbar sind und deshalb bezüglich Geschwindigkeitsüberschreitungen im Regelfall die von der Rechtsprechung für Ausserortsstrecken entwickelten Grundsätze anzuwenden sind (Urteile 6B_444/2016 E. 1.3.1 und 6B_973/2020 E. 2.1).
    Das Ordnungsbussenverfahren muss angewendet werden, wenn seine Voraussetzungen erfüllt sind. Überschreitungen der Tempolimite auf Autobahnen um 21-25km/h werden grds. mit einer Ordnungsbusse von CHF 260 bestraft (Ziff. 303.3e Anhang 1 der OBV). Die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft verletzte das Anklageprinzip, weil in ihrer Anklage (bzw. dem Strafbefehl) keinerlei Hinweise auf eine erhöht abstrakte oder gar konkrete Gefährdung von Personen entnommen werden konnte. Die Beschwerde wird insofern abgewiesen.

Trunksucht

Urteil 1C_131/2022: Alkoholproblematik ausserhalb des Strassenverkehrs

Aufgrund einer Meldung der Polizei wurde gegenüber dem Beschwerdeführer eine verkehrsmedizinische Untersuchung angeordnet. Grund für die Meldung war, dass die Polizei wiederholt wegen häuslicher Gewalt ausrücken mussten, wobei der Beschwerdeführer und seine Gattin stets stark alkoholisiert angetroffen wurden. Die Untersuchung kam zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer eine Alkoholproblematik vorliegt und deshalb die Fahreignung verneint werden muss. Sein Führerausweis wurde auf unbestimmte Zeit entzogen.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 16d Abs. 1 lit. b SVG und stellt sich auf den Standpunkt, dass er zwischen Alkoholkonsum und Autofahren trennen können. Zudem stellt er sich auf den Standpunkt, dass die bei der Untersuchung durchgeführte Haaranalyse (EtG-Wert von über 100pg/mg) ungenau sei, weil er sich aus „ökologischer Überzeugung“ äusserst selten die Haare wasche.

Wenn jemand an einer Sucht leidet, ist diese Person nicht fahrgeeignet und die Fahrerlaubnis muss entzogen werden (Art. 14 i.V.m. Art. 16d SVG). Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Trunksucht vor, wenn jemand soviel Alkohol trinkt, dass er oder sie nicht mehr zwischen Trinkgenuss und Teilnahme am Strassenverkehr trennen kann bzw. dass die naheliegende Gefahr besteht, dass die Person sich in fahrunfähigem Zustand ans Steuer setzt. Eine eigentliche Fahrt unter Alkoholeinfluss ist für einen Führerausweis-Entzug nicht vorausgesetzt. Da ein Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit ein schwerwiegender Eingriff in den Persönlichkeitsbereich darstellt, muss jeder Einzelfall sorgfältig abgeklärt werden, wobei nur eine Haaranalyse noch nicht ausreicht für die Annahme fehlender Fahreignung. Für die Abklärung drängen sich auf (E. 4.3):

– Haaranalyse
– Prüfung der persönlichen Verhältnisse
– Aufarbeitung allfälliger Trunkenheitsfahrten
– Alkoholanamnese
– umfassende medizinische körperliche Untersuchung.

Im vorliegenden Fall ergab die Haaranalyse des Beschwerdeführers einen Wert von über 100pg/mg, was für einen starken und chronischen Alkoholkonsum spricht. Zudem zeugen die aktenkundigen Vorfälle (häusliche Gewalt etc.) von einen Kontrollverlust. Der Beschwerdeführer gab auch an, dass er sich mit zwei Promille nicht betrunken fühle, was für eine hohe Giftfestigkeit spricht. Auch physisch zeigte der Alkoholkonsum Wirkung (erhöhte MCV-Werte) und es gab bereits Warnmassnahmen wegen Fahren in angetrunkenem Zustand.

Alles in allem wurde dieser Fall sorgfältig abgeklärt und das Gutachten ist deshalb auch nicht widersprüchlich. Insofern durften die Behörden davon ausgehen, dass eine deutlich erhöhte Gefahr besteht, dass sich der Beschwerdeführer in fahrunfähigem Zustand an ein Steuer setzen könnte.

Das Bundesgericht gibt Vollgas

Die erste öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichtes hat wieder Vollgas gegeben. In einem kleinen 1. Mai-Rückblick, widmen wir uns drei Urteilen, die wir hier kurz und knackig zusammenfassen. Die Urteile handeln von:

Urteil 1C_10/2023: Kaskade bei falschen Einträgen im IVZ-Massnahmen

Im Dezember 2012 wurde dem Beschwerdeführer der Führerausweis im Rahmen einer Gesamtmassnahme für fünf Monate entzogen, weil er einerseits einen Verkehrsunfall verursachte und andererseits mit qualifizierter Atemalkoholkonzentration ein Fahrzeug lenkte. Diese Widerhandlung wurde (fälschlicherweise) als mittelschwere Widerhandlung im IVZ-Massnahmen registriert. Im August 2017 wurde die Fahrerlaubnis des Beschwerdeführers für sieben Monate wegen einer schweren Widerhandlung entzogen. Er verursachte einen Verkehrsunfall in angetrunkenem Zustand. Der Vollzug der Massnahme endete im Januar 2018. Im November 2021 beging der Beschwerdeführer eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Rahmen einer schweren Widerhandlung. Darauf ordnete das SAN Kt. VD einen Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit an gemäss Art. 16c Abs. 2 lit. d SVG. Es ging also davon aus, dass der Beschwerdeführer in den letzten 10 Jahren bereits zwei schwere Widerhandlungen beging. Dieser sieht das anders und verlangt vor Bundesgericht einen Führerausweis-Entzug von 12 Monaten. Der Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit verstosse aus Sicht des Beschwerdeführers gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und gegen das Willkürverbot. Die kantonalen Instanzen anerkannten zwar, dass bei der Qualifikation bzw. dem Eintrag der Vorbelastungen durch das SAN in das IVZ-Massnahmen ein Fehler passierte, indem die erste Widerhandlung vom Dezember 2012 als mittelschwere im Register erfasst wurde, wodurch auch die zweite schwere Widerhandlung vom August 2017 zu milde (mit sieben anstatt mind. zwölf) Monaten sanktioniert wurde. Dieser Fehler könne aber nicht dazu führen, dass der Beschwerdeführer erneut viel zu milde sanktioniert werde (E. 2.2).

Die bereits vollzogenen Sanktionen der Vorbelastungen können aus Sicht des Bundesgerichts nicht mehr widerrufen werden. Art. 14 Abs. 1 IVZV verpflichtet allerdings die zuständige Behörde, Fehler im Informationssystem Verkehrszulassung (IVZ) zu berichtigen, was das SAN auch tat. In der Folge konnte das SAN ohne Rechtsverletzung den Führerausweis-Entzug auf unbestimmte Zeit anordnen (E. 2.4).

Öffentliche Organe handeln nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 BV). Da der Bürger dem staatlichen Handeln grds. vertrauen darf, ist eine Behörde unter Umständen an eine fehlerhafte Entscheidung gebunden. Es geht also um Vertrauensschutz. Im vorliegenden Fall kann sich der Beschwerdeführer aber nicht darauf berufen, dass er fälschlicherweise zu milde sanktioniert wurde, denn aus dem behördlichen Fehler erlitt er keinen Nachteil. Zudem kann er nicht argumentieren, dass er im Wissen um die fehlerhaft sanktionierten Vorbelastungen vorsichtiger autogefahren wäre.

Urteil 1C_336/2022: Vorsorglicher Führerausweisentzug wegen kognitiven Einschränkungen bei einer Rentnerin

Die Beschwerdeführerin hat Jahrgang 1940. Bei der Einfahrt in einen Kreisel übersah sie einen vortrittsberechtigten, da sich bereits im Kreisel befindlichen Wagen, weshalb es zu einer Kollision kam. Das Strassenverkehrsamt des Kt. BE ordnete darauf eine Fahreignungsabklärung der Stufe 3 an. Die medizinische Fachperson kam zum Schluss, dass die Beschwerdeführerin unter leichten kognitiven Einschränkungen leidet, weshalb nur eine Untersuchung der Stufe 4 sich abschliessend über die Fahreignung äussern könne. Dementsprechend wurde eine Fahreignungsabklärung der Stufe 4 und ein vorsorglicher Führerausweisentzug angeordnet. Die Beschwerdeführerin sieht sich aufgrund ihres Alters als Behördenopfer.

Bestehen Zweifel an der Fahreignung einer Person, muss gemäss Art. 15d SVG eine Fahreignungsabklärung angeordnet werden, z.B. wenn eine ärztliche Fachperson eine Meldung macht, dass jemand nicht mehr sicher Autofahren kann (lit. e). In diesen Fällen muss die ärztliche Fachperson mindestens die Anerkennung der Stufe 3 haben (vgl. Art. 28a Abs. 2 lit. b VZV). Ist das Ergebnis der Untersuchung nicht schlüssig, muss eine zusätzliche Untersuchung durch eine ärztliche Fachperson mit der Stufe 4 erfolgen (Art. 5j Abs. 1 VZV). Vorliegend waren die Untersuchungsergebnisse der Stufe 3, nach welchen die Beschwerdeführerin an leichten kognitiven Einschränkungen leide natürlich Anhaltspunkt genug, um eine Fahreignungsabklärung der Stufe 4 anzuordnen (E. 2.2.2). Auch der vorsorgliche Entzug wurde zu Recht angeordnet, denn dieser wird (wie die meisten hier wissen) grundsätzlich zusammen mit einer Fahreignugsabklärung angeordnet. Im vorliegenden Fall gibt es auch ernsthafte Zweifel an der Fahreignung der Beschwerdeführerin, denn obwohl sie nach eigenen Angaben vor der Einfahrt in den Kreisel Kontrollblicke nach links und rechts gemacht habe, sah sie den Unfallgegner trotzdem nicht und kollidierte mit diesen. Damit liegt kein Ausnahmefall vor, in welchem von einem vorsorglichen Entzug abgewichen werden könnte (E. 2.2.3).

Urteil 1C_459/2022: Führerausweis-Entzug für immer wegen Unverbesserlichkeit

Mit Strafurteil wurde der Beschwerdeführer wegen acht Verkehrsdelikten verurteilt, die aus administrativrechtlicher Sicht alle als schwer, eine davon qualifiziert schwer, qualifiziert wurden. Zudem ist der Beschwerdeführer einschlägig vorbelastet mit Warn- und Sicherungsmassnahmen, wobei auch die charakterliche Fahreignung des Beschwerdeführers mehrmals abgeklärt wurde. Das Strassenverkehrsamt des Kt. AG entzog dem Beschwerdeführer den Führerausweis für immer wegen Unverbesserlichkeit. Der Beschwerdeführer verlangt vor Bundesgericht aber eine Sperrfrist von 30 Monaten und dass die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von einem verkehrspsychologischen Gutachten abhängig gemacht werde.

Der Beschwerdeführer rügt, dass die kantonalen Behörden den Entzug für immer gemäss Art. 16d Abs. 3 lit. a SVG zu Unrecht angewendet haben. Dieser sei bloss eine Verweisungsnorm. Dem Entzug für immer kommt allerdings eigenständige Bedeutung zu und kann in krassen Fällen als Auffangtatbestand und ultima ratio angewendet werden, z.B. wenn jemand zum Ausdruck bringt, auch in Zukunft gegen das SVG verstossen zu wollen oder wenn eine Person mit ihrem Verhalten über einen längeren Zeitraum hinweg ihren Willen zur Verletzung der Verkehrsregeln manifestiert hat. Ein verkehrspsychologisches Gutachten ist nicht nötig (zum Ganzen der Beitrag zu Urteil 1C_739/2021, auf welches das Bundesgericht hier verweist).

Sodann stellt sich die Frage, ob im vorliegenden Fall der Führerausweis-Entzug für immer gemäss Art. 16d Abs. 3 lit. a SVG zu Recht angeordnet wurde bzw. ob der Beschwerdeführer als „unverbesserlich“ gelten kann. Die Frage ist anhand der Vorkommnisse (unter anderem Art und Zahl der begangenen Verkehrsdelikte) und der persönlichen Umstände zu beurteilen; in Zweifelsfällen ist ein verkehrspsychologisches oder psychiatrisches Gutachten anzuordnen. Im vorliegenden Fall fielen in der Vergangenheit bereits zwei verkehrspsychologische Gutachten negativ aus. Trotz vieler Massnahmen änderte der Beschwerdeführer nichts an seinem Verhalten. Im Gegenteil fuhr er trotz definitiv entzogenem Führerausweis wiederholt ein Auto, floh u.a. vor der Polizei und gefährdete andere Verkehrsteilnehmer in krasser Weise. Aus Sicht der Vorinstanz sei das Rückfallrisiko entsprechend als erheblich zu betrachten, weshalb auch die Prognose über sein künftiges Verhalten negativ ausfalle. Dabei durften die kantonalen Behörden die vergangenen (rechtskräftigen) Massnahmen berücksichtigen, auch wenn in den Strafverfahren teilweise Freisprüche (in dubio) ergingen (E. 4.3.2).

Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, dass von seinem Verhalten alleine nicht auf ein künftiges Fehlverhalten geschlossen werden könne, womit der Entzug für immer wegen Unverbesserlichkeit nicht angeordnet werden könne. Dem widerspricht aber das Bundesgericht und stützt damit das vorinstanzliche Urteil. Das verkehrsrechtliche Palmares des Beschwerdeführers zeugt von einer Person, die offensichtlich Schwierigkeiten dabei hat, sich an die Verkehrsregeln zu halten und die sich behördlichen Anordnungen bewusst und wiederholt wiedersetzt. Die wiederholten Verstösse zeigen deutlich ein Verhalten auf, das keine Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmende nimmt. Und das, obwohl der Beschwerdeführer als Berufschauffeur eigentlich höheren Anforderungen zu genügen hat. Nichts in seinem Verhalten lässt vernünftigerweise erwarten, dass er sich in Zukunft an die Verkehrsregeln halten wird. Aus diesem Grund durfte vorliegend angenommen werden, dass der Beschwerdeführer offensichtlich nicht über die charakterlichen Eigenschaften für die Teilnahme am Strassenverkehr verfügt. Es war somit auch nicht nötig, zuerst ein verkehrspsychologisches Gutachten einzuholen (E. 4.4).

Wiedererwägung oder Widerruf durch Behörde

Urteil 1C_341/2022: Es sind zwölf anstatt drei Monate…

Dem Beschwerdeführer wurde wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 44km/h auf der Autobahn die Fahrerlaubnis durch das Strassenverkehrsamt Kt. ZH mit Verfügung vom 1. Dezember 2020 für drei Monate entzogen. Mit E-Mail vom 13. Dezember 2020 ersuchte der Beschwerdeführer um Aufschub der sich bereits im Vollzug befindlichen Massnahme. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 wurde die Fahrerlaubnis dem Beschwerdeführer wiedererteilt. Zugleich wurde ihm innerhalb der Rechtsmittelfrist mitgeteilt, dass eine zuvor übersehene Vorbelastung (schwere Widerhandlung) dazu führe, dass die Verfügung vom 1. Dezember 2020 in Wiedererwägung gezogen werden muss. Neu wurde ihm ein Führerausweis-Entzug von 12 Monaten in Aussicht gestellt.

In der Folge stellte der Beschwerdeführer dem Strassenverkehrsamt das Begehren, dass die Verfügung nicht in Wiedererwägung zu ziehen sei. Mit Verfügung vom 3. März 2021 ordnete das Strassenverkehsamt trotzdem wiedererwägungsweise einen zwölfmonatigen Führerausweisentzug an. Es begründete dies damit, dass das Interesse an der richtigen Durchsetzung des Rechts höher zu gewichten sei, als das Vertrauen, welches der Beschwerdeführer in die ursprüngliche Verfügung haben durfte. Dagegen wehrt sich der Beschwerdeführer natürlich vor Bundesgericht und verlangt einen dreimonatigen Führerausweis-Entzug.

Bei der Wiedererwägung bzw. dem Widerruf von Verfügung durch die Behörden muss unterschieden werden, ob die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist oder eben nicht. Solange die Rechtsmittelfrist nicht abgelaufen ist, darf daher die Behörde in der Regel auf eine Verfügung zurückkommen, ohne dass besondere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Ist die Rechtsmittelfrist abgelaufen, darf eine Verfügung grds. nicht widerrufen werden, wenn das Interesse am Vertrauensschutz gegenüber dem Interesse an der richtigen Anwendung des objektiven Rechts überwiegt. Das gilt insbesondere dann, wenn die betroffene Person von einem durch die Verfügung eingeräumten Recht bereits Gebrauch gemacht hat (E. 2.1).

Die kantonalen Instanzen stellten sich u.a. auf den Standpunkt, dass dem Beschwerdeführer noch innerhalb der Rechtsmittelfrist schriftlich mitgeteilt wurde, dass die Verfügung vom 1. Dezember 2020 fehlerhaft war. Aus diesem Grund durfte der Beschwerdeführer nicht darauf vertrauen, dass diese Verfügung seine Widerhandlung abschliessend beurteilen würde. Dieser Ansicht ist auch das Bundesgericht. Aufgrund der schriftlichen Information über die Fehlerhaftigkeit der Verfügung vom 1. Dezember 2020 an den Beschwerdeführer innerhalb der Rechtsmittelfrist, durfte das Strassenverkehrsamt auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist auf diese Verfügung zurückkommen, ohne dass die Voraussetzungen für den Widerruf von formell rechtskräftigen Verfügungen erfüllt sein mussten (E. 2.5).

Aus diesem Grund war der Widerruf der Verfügung vom 1. Dezember 2020 rechtens.

Anspruch auf Wiedererwägung

Urteil 1C_424/2022: „Ich will jetzt meinen Fahrausweis!“

Der Beschwerdeführer absolvierte im September 2020 erfolgslos eine Kontrollfahrt für den Umtausch seines indischen Führerausweises in einen schweizerischen. Mit Verfügung vom 22. September 2020 wurde der Umtausch deshalb verweigert. Der Beschwerdeführer ging gegen diesen Entscheid gerichtlich vor, scheiterte aber vor Bundesgericht. Zugleich bemühte er sich aber auch darum, auf „normalem Weg“ eine Fahrerlaubnis zu erhalten, bestand die theoretische Prüfung. Eine praktische Prüfung legte der Beschwerdeführer aber nicht ab.

Im März 2022 ersuchte der Beschwerdeführer um Wiedererwägung der Verfügung vom 20. September 2020. Das Strassenverkehrsamt Kt. LU teilte dem Beschwerdeführer schriftlich mit, dass die Sache ohne Entscheid erledigt wird, da der Beschwerdeführer keine neuen Beweismittel vorlegte. Der Beschwerdeführer sieht darin eine Rechtsverweigerung bzw. -verzögerung, die er vor Bundesgericht rügt.

Das Strassenverkehrsamt Kt. LU erledigte die Sache ohne Entscheid, da das Begehren des Beschwerdeführers inhaltlich mit seinen früheren Begehren übereinstimmte. Das ist gemäss §116 VRG Kt. LU möglich, wenn von der betroffenen Person einen fakultative Wiedererwägung ausserhalb eines Revisionsverfahrens angestrebt wird. Eine „obligatorische“ Wiedererwägung bzw. eine Revision ist nur unter den Voraussetzungen von §174ff. VRG Kt. LU möglich. Der Beschwerdeführer sieht in dem Umstand, dass sein Wiedererwägungsgesuch ohne Entscheid erledigt wurde, eine Rechtsverweigerung. Das Bundesgericht prüft deshalb, ob das prozessuale Verhalten der kantonalen Behörden korrekt war.

Es prüft zunächst, ob die kantonale Behörde das Verfahrensrecht willkürlich im Sinne von Art. 9 BV angewendet hat. Eine willkürliche Rechtsanwendung liegt vor, wenn ein Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, begründet für sich keine willkürliche Rechtsanwendung. Der Beschwerdeführer liefert zwar eine umfangreichende Begründung, setzt sich dabei aber nicht konkret mit dem kantonalen Verfahrensrecht auseinander. Es gelingt im nicht, eine willkürliche Rechtsanwendung darzulegen (E. 3.4.1).

Auch Art. 29 Abs. 1 BV verleiht einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Wiedererwägung und Revision. Danach kann insbesondere um Wiedererwägung oder Revision ersucht werden, wenn sich die Umstände wesentlich geändert haben oder wenn erhebliche Tatsachen und Beweismittel namhaft gemacht werden, die in einem früheren Verfahren nicht bekannt waren, die früher aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnten oder die mangels Veranlassung nicht geltend gemacht werden mussten. Die zuständige Behörde muss dann in einem neuen Sachentscheid prüfen, ob der ursprüngliche Entscheid geändert werden muss. Liegen diese Gründe allerdings nicht vor, wird auf das Wiedererwägungs- oder Revisionsgesuch nicht eingetreten.

Art. 29 Abs. 1 BV enthält sodann das Verbot der Verfahrensverzögerung sowie das Verbot von Rechtsverweigerung. Verfahren müssen innert angemessener Frist erledigt werden. Das Verbot der Rechtsverzögerung ist verletzt, wenn ein Verfahren unangemessen lange dauert, was nach dessen Art und den konkreten Umständen einer Angelegenheit zu beurteilen ist. Eine Rechtsverweigerung liegt vor, wenn eine rechtsanwendende Behörde auf eine Eingabe nicht eintritt oder eine solche ausdrücklich bzw. stillschweigend nicht an die Hand nimmt und behandelt, obwohl sie dazu verpflichtet wäre (E. 3.4.2).

Das Strassenverkehrsamt reagiert stets innert üblicher Frist auf die Eingaben des Beschwerdeführers. Eine Rechtsverzögerung ist deshalb nicht erkennbar. Ebenfalls liegt keine Rechtsverweigerung vor, denn die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe sind nicht geeignet, im einen Anspruch auf Wiedererwägung oder Revision zu verschaffen. Er machte z.B. geltend, dass er seit der Verfügung vom 22. September 2020 zusätzliche Fahrklassen belegt und viele Übungskilometer zurückgelegt habe. Die Voraussetzungen für die Erlangung des schweizerischen Führerausweises nach nicht bestandener Kontrollfahrt sind indes klar geregelt. Die betroffene Person kann in diesen Fällen ein Gesuch um einen Lernfahrausweis stellen (Art. 29 Abs. 2 lit. a VZV). Auch dass der Beschwerdeführer die „Nase voll“ hat vom Prozedere zur Erlangung der Fahrerlaubnis, ist offensichtlich kein Grund für eine Wiedererwägung oder Revision (E. 3.4.4).

Das Bundesgericht stellt schliesslich fest, dass das Strassenverkehrsamt wohl mit einer anfechtbaren Verfügung das Nicht-Vorliegen von Wiedererwägungs- bzw. Revisionsgründen hätte feststellen müssen. Da sich der Beschwerdeführer aber innerhalb dieses Verfahrens gegen die Nichtannahme von Wiedererwägungs- oder Revisionsgründen wenden konnte, erwuchs ihm daraus kein Nachteil. Damit kann abschliessend gesagt werden, dass er mit der formlosen Erledigung durch das Strassenverkehrsamt Kt. LU noch an Verfahrenskosten sparte…

Sperrfrist für immer wegen Fahren trotz Entzug

Urteil 1C_372/2022: Es ist eigentlich gar nicht so gefährlich…

Der Beschwerdeführer wehrt sich im vorliegenden Fall gegen eine Sperrfrist für immer. Die Fahrerlaubnis wurde bereits vorher wegen Zweifeln an der verkehrsmedizinischen Fahreignung sicherheitshalber entzogen und ein 24-monatiger Entzug gestützt auf Art. 16c Abs. 2 lit. d SVG wurde auch schon verfügt. Auslösend für die Sperrfrist für immer war, dass bei einer Zollkontrolle in Castasegna festgestellt wurde, dass der von Italien herkommende Beschwerdeführer trotz des Entzugs ein Fahrzeug lenkte. Dass bei einer Grenzabfertigung das SVG angewendet wird, wissen wir ja seit dem letzten Beitrag.

Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass der kaskadenbedingte Entzug für immer bei ihm unverhältnismässig sei, denn aus seiner Sicht hat er mit seiner Einfahrt beim Zoll niemand gefährdet. Er verweist dabei auch darauf, dass ein verkehrsmedizinisches Gutachten mittlerweile seine Fahreignung unter Auflagen bejahte. Zudem stelle das Fahren trotz Entzug aus seiner Sicht ein Verstoss gegen eine amtliche Anordnung dar und keine Verkehrsregelverletzung, durch welche andere gefährdet werden (E. 3.3).

Mit der Teilrevision des SVG vom 1. Januar 2005 wurden die Massnahmen bei wiederholten Widerhandlungen verschärft. Ziel war es natürlich, Personen aus dem Verkehr zu ziehen, die immer wieder gegen die Verkehrsregeln verstossen. Zudem gilt ab einer gewissen Delikts-Frequenz die gesetzliche Vermutung, dass die charakterliche Fahreignung der betroffenen Person angezweifelt werden muss (Art. 16c Abs. 2 lit. d und e und Art. 16b Abs. 2 lit e und f SVG). Fährt man trotz Sicherungsentzung, muss eine Sperrfrist angeordnet werden, die sich nach den Mindestentzugsdauern des Kaskadensystems bemisst (E. 3.1).

Die vom Strassenverkehrsamt Kt. ZH angeordnete Sperrfrist für immer ist aus diesen Gründen nicht zu beanstanden. In der Lehre wird zwar teilweise postuliert, dass das Fahren trotz Entzug nicht mit anderen Verkehrsregelverletzungen, die eine Gefährdung mit sich bringen, vergleichbar sei und deshalb die Kaskade nicht in jedem Fall angewendet soll. Das Bundesgericht lässt diesen Einwand aber nicht gelten, denn den Materialien kann klar entnommen werden, dass das Fahren trotz Entzug eine schwere Widerhandlung ist (Art. 16c Abs. 1 lit. f SVG) und die betroffene Person damit nach Fahren trotz Entzug im Kaskadensystem unittelbar eine Stufe weiter nach unten fällt. An diese klare bundesgesetzliche Regelung ist das Bundesgericht gemäss Art. 190 BV gebunden. Das gilt auch für die Grundregel von Art. 16 Abs. 3 SVG, nach welcher die Mindestentzugsdauern grds. nicht unterschritten werden dürfen (E. 3.5).

Bonus:
Urteil 1C_579/2022: Eine Vortrittsmissachung bei der Einfahrt in eine vortrittsberechtigte Strasse mit Unfallfolge ist eine mittelschwere Widerhandlung. Mit entsprechenden Vorbelastungen führt diese zu einem Entzug für immer.

Rechtsüberholen: Voll im Trend

Urteil 1C_105/2022: Keine Massnahme ohne qualifizierende Merkmale beim Rechtsüberholen (gutgh. Laienbeschwerde)

Rechtsüberholen ist voll im Trend, zumindest in der Jurisprudenz. Nach dem strafrechtlichen Urteil 6B_231/2022, wo der neue Ordnungsbussentatbestand zum Rechtsübeholen nicht angewendet wurde (zum Ganzen der Beitrag vom 22. Juni 2022) und dem Leitentscheid 1C_626/2021, wo im Administrativmassnahmen-Verfahren die lex mitior der Ordnungsbusse analog angewendet und trotz Verurteilung wegen grober Verkehrsregelverletzung auf eine Massnahme verzichtet wurde (ausführlich dazu der Beitrag vom 10. Dezember 2022) folgt nun ein weiteres Urteil, wo sich ein Motorradfahrer gegen einen kaskadenbedingt 12-monatigen Führerscheinentzug wehrt, weil seine grobe Verkehrsregelverletzung mittlerweile aus seiner Sicht ein Ordnungsbussentatbestand wurde, der ohne administrativrechtliche Sanktion bleiben muss. Das Urteil schliesst nahtlos an den Leitentscheid 1C_626/2021 an, weshalb der vorliegende Beitrag kurz ausfallen kann.

Der Beschwerdeführer überholte auf der Autobahn mit seinem Motorrad ein anderes Fahrzeug, indem er von der Überhol- auf die Normalspur wechselte, am anderen Fahrzeug vorbeifuhr und seine Fahrt dann auf der Normalspur fortsetzte. Es herrschte schwaches Verkehrsaufkommen, schönes Wetter, gute Sicht, die Strasse war trocken und es gab auch keine Anzeichen dafür, dass die rechts überholte Person irgendwie erschrocken sei.

Rechtsüberholen auf Autobahnen ist grds. verboten. Im Kolonnenverkehr darf man allerdings rechts an anderen Fahrzeugen vorbeifahren (vgl. Art. 36 Abs. 5 VRV). Führt man ein Rechtsüberholmanöver durch, muss gemäss der neuen Rechtsprechung unterschieden werden, ob ein „einfacher“ Fall von Rechtsüberholen vorliegt, der mit Ordnungsbusse bestraft wird, oder ob dem Rechtsüberholmanöver „qualifizierende“ Umstände zugerechnet werden müssen, womit es nach wie vor eine grobe Verkehrsregelverletzung wäre (E. 4). Der Grundsatz der lex mitior wird auch im Administrativmassnahmenverfahren angewendet. Wenn also eine grobe Verkehrsregelverletzung bzw. schwere Widerhandlung unter dem neuen Recht „nur“ einen Ordnungsbussentatbestand erfüllt, dann wird keine Massnahme ausgesprochen (vgl. Art. 16 Abs. 2 SVG e contrario). Die Vorinstanz begründete ihre Massnahme insofern auch damit, dass das Rechtsüberholmanöver des Beschwerdeführers auch unter dem neuen Recht eine grobe Verkehrsregelverletzung gewesen wäre und keine Ordnungsbusse gegeben hätte, weil von dem Überholen eine erhöht abstrakte Gefährdung ausging (E. 5). Das Bundesgericht verweist zunächst ein bisschen „krampfhaft“ auf seine gefestigte Rechtsprechung, dass Rechtsüberholmanöver grds. als grobe Verkehrsregelverletzungen bzw. schwere Widerhandlungen zu ahnden sind. Im folgenden geht es aber auf seinen Leitentscheid 1C_626/2021 ein, in welchem es definierte, wann der Ordnungsbussentatbestand Ziff. 314.3 angewendet wird. Erforderlich ist, dass im Einzelfall in Berücksichtigung der gesamten konkreten Verhältnisse ein einfaches Rechtsüberholen ohne erschwerende Umstände, welche die Annahme einer erhöhten abstrakten Gefährdung rechtfertigen, bejaht werden kann. Dabei ist ein strenger Massstab anzuwenden und die Schwelle für das Vorliegen solcher Umstände tief anzusetzen (E. 6).

Kurz gesagt, gab es beim vorliegend beurteilten Überholmanöver keine erschwerenden Umstände und damit auch keine erhöht abstrakte Gefahr. Das Wetter war sogar besser als im Leitentscheid 1C_626/2021 beurteilten Sachverhalt (sonnig vs. bewölkt) und der Motorradfahrer bog nach dem Überholen auch nicht mehr auf die Überholspur zurück.

Der 12-monatige Führerausweisentzug wird aufgehoben.

Entzug für immer bei Unverbesserlichkeit

Urteil 1C_739/2021: Charakterliche Probleme

Der Beschwerdeführer wehrt sich gegen einen Führerausweis-Entzug für immer gemäss Art. 16d Abs. 3 lit. a SVG, wobei ihm die zuständige Behörde Unverbesserlichkeit vorwirft. Der Beschwerdeführer kann dabei auf eine bewegte SVG-Geschichte zurückblicken. Bereits im September 2010 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer ein Entzug für immer angeordnet gemäss Art. 16b Abs. 2 lif. f SVG. Diese Massnahme wurde im Oktober 2016 aufgrund eines positiven verkehrspsychologischen Gutachtens aufgehoben, wobei sich dieses dahingehend äusserte, dass bei einer neuen schweren Widerhandlung von einem Rückfall auszugehen und damit die charakterliche Fahreignung wieder negativ zu bewerten sei.

Neben einer leichten Widerhandlung überschritt der Beschwerdeführer im September 2020 – also rund vier Jahre nach der Wiederzulassung zum Strassenverkehr – die Geschwindigkeit innerorts um 33 km/h und beging damit eine schwere Widerhandlung. Bezugnehmend auf das Gutachten schloss die zuständige Behörde auf eine Unverbesserlichkeit des Beschwerdeführers und entzog ihm die Fahrerlaubnis (nach einem vorsorglichen Entzug) für immer gemäss Art. 16d Abs. 3 lit. a SVG.

Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dass er nicht einfach so als unverbesserlich taxiert werden darf. Dazu sei mindestens ein aktuelles verkehrspsychologisches Gutachten nötig. Die zuständige Behörde habe ihr Ermessen unterschritten, indem sie ein solches nicht einholte. Die Vorinstanz begründete den Entzug nach Art. 16d Abs. 3 lit. a SVG damit, dass dieser als ultima ratio angeordnet werden muss, wenn eine Person bereits die letzte Stufe des Kaskadensystems erreicht hat. Für die Anordnung sei auch kein zusätzliches Gutachten notwendig. Nur wenn zwischen dem letzten Entzug für immer und der neuen Widerhandlung mehr als fünf Jahre vergangen wären, hätte ein neues Gutachten angeordnet werden müssen (E. 4.1. f.)

Gemäss Art. 16d Abs. 3 lit. a SVG wird unverbesserlichen Personen der Führerausweis für immer entzogen. Das bedeutet allerdings keinen Entzug auf Lebenszeit, sondern dass die Fahrerlaubnis wiedererteilt werden kann, wenn nach fünf Jahren der Wegfall des Fahreignungsmangels bewiesen wird (Art. 23 Abs. 3 SVG i.V.m. Art. 17 Abs. 4 SVG). Der Sicherungsentzug für immer ist eine der einschneidensten Massnahmen im SVG, greift tief in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person ein und dient offensichtlich dazu, übrige Verkehrsteilnehmer von unverbesserlichen Personen zu schützen. Es handelt sich um eine qualifizierte Version des Sicherungsentzuges nach Art. 16d Abs. 1 lit. c SVG und darf nur in ganz offensichtlichen Fällen ohne Gutachten angeordnet werden, z.B. wenn eine Person sagt, dass sie auch in Zukunft gegen das SVG verstossen will oder aufgrund ihres Verhaltens über einen längeren Zeitraum hinweg ihren Willen zur Verletzung der Verkehrsregeln manifestiert hat. Die Massnahme knüpft an die fehlende charakterliche Fahreignung und nicht an etwaige Vortaten. Ihr kommt insofern im systematischen Gefüge der Sicherungsmassnahmen als Auffangstatbestand eigenständige Bedeutung zu und sie ist demnach auch nicht von Art. 16b Abs. 2 lit. f oder Art. 16c Abs. 2 lit. e SVG abhängig (E. 4.3).

Da der Beschwerdeführer dreieinhalb Jahre nach der Wiederzulassung zum Strassenverkehr zunächst eine Verwarnung erhielt, sich aber durch diese nicht beeindrucken liess und wenige Monate später sogleich wieder eine schwere Widerhandlung beging, durfte ohne weiteres von einer Unverbesserlichkeit ausgegangen werden, denn auch nach dem Kaskadensystem hätte der Beschwerdeführer mit seiner schweren Widerhandlung die letzte Stufe gemäss Art. 16c Abs. 2 lit. e SVG erreicht. Letztlich ist die Anordnung dieser Massnahme auch nicht unverhältnismässig. Auch wenn der Beschwerdeführer seine Arbeitsstelle verlieren könnte, der Kontakt zu seiner Tochter und seinem Bruder eingeschränkt wird, ist die Massnahme doch erforderlich, d.h. geeignet und zumutbar, um übrige Verkehrsteilnehmer zu schützen.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Sperrfrist nach Annullierung des FAP

Urteil 1C_650/2021: Zusätzliche Sperrfrist nach Annullierung möglich? (gutgh. Beschwerde)

Spezialfälle sind die Knacknüsse der Juristen und bieten stets die Möglichkeit für kreative Lösungen, mit welchen die Grenzen des Rechtssystems ausgelotet werden. Dieses Urteil befasst sich mit der Frage, ob bei notorischen Verkehrsregelbrechern, deren Führerausweis auf Probe annulliert wird, eine zusätzliche Sperrfrist zu der ein- bzw. zweijährigen Sperrfrist gemäss Art. 15a Abs. 5 SVG angeordnet werden kann. Die Idee beruht einerseits auf dem Umstand, dass Inhaber des definitiven Führerausweises aufgrund der Kaskade im Wiederholungsfalle mit stets strengeren Massnahmen rechnen müssen. Andererseits kann die Kaskade nach der Annullierung eines Führerausweises auf Probe bei erneuter Delinquenz nicht angewendet werden. Bei einer neuen Warnmassnahme in einer zweiten Probezeit darf aber der Leumund gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG trotz dem „clean break“ einer Annullierung berücksichtigt werden (vgl. dazu Urteil 1C_136/2017 E. 3.5, das hier auch schon gefeatured wurde).

Aber der Reihe nach:

Der Beschwerdeführer ist kein unbeschriebenes Blatt. Er verfügt über ein reichhaltiges Palmares an Widerhandlungen bzw. Sanktionen:

  • Mittelschwere Widerhandlung mit Spezialtraktur – Führerausweisentzug für einen Monat
  • Schwere Widerhandlung mit Motorrad – Führerausweisentzug für drei Monate
  • Schwere Widerhandlung mit Motorrad – Führerausweisentzug für zwölf Monate
  • Schwere Widerhandlung mit Motorrad (Fahren trotz Entzug) – Kaskadensicherungsentzug, Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit, Sperrfrist 24 Monate. Hier war der Beschwerdeführer bereits Inhaber des FAP für die Kat. B.
  • Nach positivem verkehrspsychologischen Gutachten wurde die Fahrerlaubnis wiedererteilt und die Probezeit verlängert.
  • Im Mai 2020 mittelschwere Widerhandlung mit Personenwagen – Annullierung des FAP.
  • Im Juni 2020 Führen eines Motorrades während der Sperrfrist.

Nun wird es aber interessant: Nach Einsprache ordnete die zuständige Behörde eine auf Art. 15a Abs. 5 SVG gestützte „Wartefrist“ von 24 Monaten an. Dazu wurde in analoger Anwendung von Art. 16 Abs. 3 SVG eine zusätzliche Sperrfrist von 48 Monaten verfügt. Der Beschwerdeführer wehrt sich vor Bundesgericht gegen diese zusätzliche, „leumundbedingte“ Sperrfrist. Im Wesentlichen bringt er vor, dass die Spezialregeln des Führerausweises auf Probe in sich geschlossen sind und es keine gesetzliche Grundlage für die Berücksichtigung seines Leumundes im Sinne von Art. 16 Abs. 3 SVG gibt.

Die Vorinstanz leitet Ihre Begründung aus Urteil 1C_136/2017 E. 3.5 (bzw. BGE 143 II 699 E. 3.5.7) ab. Dort entschied das Bundesgericht, dass Art. 15a SVG nur eine teilweise spezifische Regelung zum Führerausweis auf Probe enthält. Zwar beginnt die Kaskade nach der Annullierung eines FAP von neuem. Die Widerhandlungen vor der Annullierung aber dürfen gemäss Art. 16 Abs. 3 SVG als getrübter Leumund berücksichtigt werden bei erneuten Verkehrsregelverstössen. Die Vorinstanz stellt sich somit auf den Standpunkt, dass die gesetzliche Sperrfrist von Art. 15a SVG bei unbelehrbaren Neulenkern zu vorteilhaft und kurz ist und dass in analoger Anwendung von Art. 16 Abs. 3 SVG zugunsten der Verkehrssicherheit Zusatzfristen angeordnet werden müssen. Aus Sicht des Bundesgerichts ist die Berufung der Vorinstanz auf BGE 143 II 699 E. 3.5.7 (und auch BGE 146 II 300) unbehelflich, weil sich diese mit andersgelagerten Fällen befassten. Trotzdem prüft es danach umfassend, ob das Gesetz zusätzliche Sperrfristen zu denen in Art. 15a Abs. 5 SVG erlaubt. Es legt dazu den Artikel und die Verordnungsbestimmungen grammatikalisch aus:

Es ist offensichtlich, dass weder Art. 15a Abs. 5 SVG, noch Art. 35a und Art. 35b VZV dem Wortlaut nach zusätzliche Sperrfristen zur einjährigen bzw. zweijährigen nach Fahren trotz Sperrfrist ermöglichen. Gleiches gilt für die durch die Motion Freysinger geänderte Fassung der Bestimmungen (E. 5.2.1). Auch die weiteren Auslegungselemente weisen nicht darauf hin, dass zusätzliche Sperrfristen angeordnet werden können. Das Bundesgericht bezeichnet die bestehenden Regeln zum Führerausweis auf Probe als strenge Ahndung und Prävention von SVG-Widerhandlungen durch Neulenkerinnen und Neulenker, die damit der Erhöhung der Verkehrssicherheit dienen. Die Regelungen sind aus Sicht des Bundesgericht recht streng und ein in sich weitgehend geschlossenes System. Deshalb betrachtet es das Bundesgericht als nicht nötig, dass Neulenker neben den bereits strengen Folgen einer Annullierung mit einer zusätzlichen Sperrfrist in analoger Anwendung von Art. 16 Abs. 3 SVG sanktioniert werden müssen (E. 5.2.2).

Eine zusätzliche Sperrfrist anzuordnen, geht also nicht. Nun kommt das grosse ABER:

Die Sperrfrist von Art. 15a Abs. 5 SVG ist eine Mindestsperrfrist. Das Gesetz nennt keine Gründe, nach welchen die Sperrfrist länger angeordnet werden kann. Eine Verlängerung ist in Ausnahmefällen jedenfalls dann geboten, wenn die einjährige Mindestsperrfrist bei ganzheitlicher Betrachtungsweise mit Blick auf die Entzugsdauer, die unter den gegebenen Umständen nach den Regeln für den Entzug des definitiven Führerausweises zu verfügen wäre, auch in Berücksichtigung der mit dem Entzug mit Verfallwirkung einhergehenden weitreichenden Folgen unangemessen und unbillig wäre.

Die Beschwerde wird also gutgeheissen, weil zur Sperrfrist von Art. 15a Abs. 5 SVG keine zusätzliche Sperrfrist verfügt werden kann. Dem Beschwerdeführer wird das aber wenig nützen, denn es ist davon auszugehen, dass die kantonale Behörde eine Sperrfrist nach Art. 15a Abs. 5 SVG anordnen wird, die über die Mindestentzugsdauer von vorliegend zwei Jahre hinausgehen wird.